SACRE ist eine kleine Sensation und eine Erfolgsgeschichte für den Naturschutz. Das erste von Indigenen initiierte Schutzgebiet Ecuadors zeigt, wie der WWF mit indigenen Gemeinschaften zusammenarbeitet: Der WWF unterstützt das Volk der Achuar in Ecuador dabei, ihre Rechte zu vertreten und ihre Heimat und die Natur, die Lebenswelt der Indigenen ist, zu schützen.
Mitten im tropischen Regenwald von Ecuador liegt eine Landebahn, die von den Kindern als Fußballfeld genutzt wird. Immer wenn ein Flugzeug anfliegt, unterbrechen die Kinder ihr Spiel, um Platz für die Landung zu machen. Die Landebahn liegt in der Gemeinde Charapacocha im ecuadorianischen Amazonasgebiet, gerade einmal 180 Menschen leben hier.
Doch wenn die jährliche Versammlung der „Nation der Achuar von Ecuador“ (NAE) stattfindet, vervielfacht sich die Zahl der Menschen in Charapacocha. Die Achuar sind eines der dreizehn indigenen Völker, die in Ecuador leben, insgesamt 6.400 Menschen gehören ihm an. Aus allen Ecken des Achuar-Territoriums reisen sie an, um an der Versammlung teilzunehmen – zu Fuß, mit dem Flugzeug oder mit dem Kanu.
Fünf Tage lang wird diskutiert – vom Morgengrauen bis in die späten Abendstunden hinein. Dabei geht es um eine Vielzahl von Themen, darunter auch die Gründung des ersten indigenen Schutzgebiet-Systems des Landes: Sistema Achuar de Conservación y Reservas Ecológicas (SACRE), wie es auf Spanisch heißt.
SACRE ist die Abkürzung für „Sistema Achuar de Conservación y Reservas Ecológicas“. was so viel heißt wie „Indigenes Schutzgebiet der Achuar“.
Der Traum vom Indigenen-Schutzgebiet
Das Territorium der Achuar umfasst mehr als 600.000 Hektar Primärregenwald und liegt im zentral-südlichen Bereich des ecuadorianischen Amazonas. So abgeschieden die Region sein mag – sie gerät zunehmend unter sozialen und ökologischen Druck: „Vor Ort gibt es Öl- und Gasfelder, Palmöl-Plantagen werden angelegt, Rinderzüchter:innen entwalden große Teile des Regenwaldes und Fernstraßen werden gebaut. Dies führt dazu, dass wir es dort mit einer der größten Entwaldungsfronten der Welt zu tun haben”, erklärt Roberto Maldonado, Südamerika-Referent beim WWF Deutschland.
Das alles bedroht die Lebensweise und die Souveränität der Achuar. Eine Lebensweise, die geprägt ist von der Verantwortung für die Natur, von großem Verständnis der Zusammenhänge und nachhaltigem Handeln. Ihr verständiger Umgang mit der Natur hat dazu geführt, dass das Gebiet der Achuar derzeit trotz aller Bedrohungen von außen die am besten erhaltene Amazonas-Region in Ecuador ist.
Das Land der Achuar ist zwar als indigenes Territorium anerkannt, es ist aber als indigenes Territorium nicht Teil des „Nationalen Systems der Schutzgebiete“ (SNAP) des Landes Ecuador. Das bedeutet, dass auf dem indigenen Territorium nach ecuadorianischem Recht Ölbohrungen stattfinden dürfen – und das trotz des hohen ökologischen Reichtums des Gebiets.
Die SACRE-Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, diese Schutzgebietslücke zu schließen. Das „Achuar System of Conservation and Ecological Reserves“ wäre das erste offizielle Indigene Schutzgebiet in Ecuador und ein wichtiger Meilenstein für die Schutzbemühungen der indigenen Völker.
Die Arbeit fängt gerade erst an
Gemeinsam mit dem WWF und anderen Partner:innen arbeitet die „Nation der Achuar von Ecuador“ (NAE) nun daran, die Voraussetzungen zu schaffen, damit das Gebiet als Gemeindeschutzgebiet deklariert werden kann.
Weil dieser Prozess sehr komplex ist und noch andauert, haben die Achuar Ende 2020 mit Hilfe des WWF Ecuador einen zusätzlichen Weg beschritten, um die Indigenen Territorien zu schützen: Am 28.11.2020 wurde die Achuar-Nation als weltweit 159. Mitglied in das ICCA-Konsortium aufgenommen und hat damit die Voraussetzung geschaffen, dass ihr Land zusätzlich zur Anerkennung als Gemeindeschutzgebiet in Ecuador auch als „Territorium des Lebens“ nach den Kriterien der ICCA anerkannt wird.
Das ICCA-Konsortium ist eine international anerkannte Organisation, die sich für die Stärkung der Selbstverwaltung der angestammten Territorien indigener Gruppen und lokaler Gemeinschaften einsetzt. Damit eine Gemeinschaft beziehungsweise ihr Land vom ICCA-Konsortium offiziell als „Territorium des Lebens“ anerkannt wird, muss die indigene Gemeinschaft stark mit dem Gebiet verbunden sein. Zudem muss sie über eine anerkannte und legitimierte Selbstverwaltungsstruktur verfügen, die es ihr erlaubt, selbstbestimmt Entscheidungen mit Blick auf die Erhaltung und Bewahrung der Natur zum Wohle ihrer Bevölkerung zu treffen.
Was ist ein „Territorium des Lebens“?
Die „Territorien des Lebens“ garantieren zwar keinen rechtlichen Rahmen, ermöglichen jedoch, dass das Territorium auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene anerkannt, verteidigt, respektiert und unterstützt wird. Für die Achuar ist der Beitritt zum ICCA-Konsortium eine Möglichkeit, ihren Kampf für den Erhalt ihrer Wälder sichtbar zu machen.
Im nächsten Schritt soll ihr Territorium offiziell unter der Kategorie „Territorium des Lebens“ oder „ICCA“ anerkannt werden. Als Naturschutzinstrument sind die „Territorien des Lebens“ auch insofern von besonderer Bedeutung, als sie aus der Autonomie, der Selbstbestimmung und den Steuerungsprozessen der indigenen und lokalen Gemeinschaften selbst hervorgehen.
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