Am Übergang zwischen Anden, Orinoco und Amazonas liegt der kolumbianische Nationalpark Serranía del Chiribiquete. Seine Erweiterung macht ihn zum größten tropischen Nationalpark der Welt. Die UNESCO hat den Park aufgrund seiner Einzigartigkeit und Unversehrtheit zum Welterbe erklärt. Beides Ergebnis jahrzehntelanger Vorarbeit unter anderem des WWF. Rundherum tobt die Entwaldung, doch hier liegen noch verborgene Schätze der Natur – und Kultur.

Nirgendwo in Kolumbien wird mehr Wald in kürzester Zeit abgeholzt als rund um den Nationalpark Serranía del Chiribiquete. Gleichzeitig gibt es weltweit nur noch wenige so unberührte und unerforschte Flecken wie das Schutzgebiet entlang des Äquators. Steile Tafelberge ragen schroff aus dem dichten, feuchten Dschungel heraus. Es ist eine mystische Landschaft voll unterschiedlicher Lebensräume: Tiefe Schluchten, reißende Flüsse, grünes Dickicht in den Tieflandregenwäldern und steinige Savanne in den höheren Regionen. Erste Expeditionen lassen auf eine außergewöhnliche biologische Vielfalt schließen. Viele der Arten sind endemisch, kommen also nur hier vor, und schon jetzt gilt Chiribiquete als Schlüsselregion zur Rettung gefährdeter Tiere wie des Jaguars oder Rosa Flussdelphins.

Straße der Zerstörung

Es gibt viele gute Gründe für die Erweiterung des Nationalparks, schließlich schreitet die Entwaldung des gesamten Amazonasgebietes immer weiter voran. Aus einer Richtung ist die Bedrohung besonders groß – aus Richtung der Fernstraße Marginal de la Selva: Einem ehrgeizigen Bauprojekt am Fuße der Anden, das dem neuen Schutzgebiet gefährlich nahe kommt. Die Trasse öffnet auf dramatische Weise den Zugang in bisher entlegene Regionen. Plünderer roden Waldflächen entlang der Fernstraße, Spekulanten sichern sich Land. Doch als Nationalpark sind die Wälder für Geschäftemacher uninteressant. 

Meilenstein für den Umweltschutz

Der schwarze See liegt in der Pufferzone am Rande des kolumbianischen Nationalparks Chiribiquete. © Luis Barreto WWF-UK
Der schwarze See liegt in der Pufferzone am Rande des kolumbianischen Nationalparks Chiribiquete. © Luis Barreto WWF-UK

Nun beschloss Kolumbiens Präsident Santos die Erweiterung des Chiribiquete-Nationalparks um 1,5 Millionen Hektar auf insgesamt rund 4,3 Millionen Hektar – eine seiner letzten Amtshandlungen und ein gewaltiger Erfolg für den Umweltschutz. Gleichzeitig erklärt die UNESCO den Park zum Welterbe und bescheinigt ihm damit seine große universelle Bedeutung. "Es ist ein Meilenstein, nicht nur für die Amazonas-Region, sondern für den Schutz der Wälder weltweit“, sagt Mary Lou Higgins, Direktorin des WWF Kolumbien. Das Schutzgebiet Chiribiquete ist nun größer als die Schweiz und schließt eine wichtige Lücke. Mit seiner Vergrößerung entsteht eine geschlossene Kette geschützter Regenwälder in Nordamazonien, eine grüne Barriere gegen die Abholzung.

Der enorme biologische Wert von Chiribiquete

Obwohl die Region noch kaum erforscht ist, haben Wissenschaftler bereits Tausende Arten in Chiribiquete nachgewiesen. Doch es sind nicht nur die Biodiversität und die unersetzlich vielfältigen Lebensräume – der Wert des Nationalparks liegt auch in seiner Bedeutung für das weltweite Klima und für die Wasserversorgung Kolumbiens. Hier sind Millionen Tonnen Kohlenstoff in den Baumkronen und Böden gespeichert. Hier werden das Klima und die Niederschläge der ganzen Region reguliert. Hier befinden sich Quellen und Oberläufe von Flüssen, die für das ganze Land wichtig sind.

In wenigen Wochen Feldarbeit wurden unglaubliche 4.854 Tier- und 1.676 Pflanzenarten erfasst. Davon sind fünf Arten sicher endemisch, kommen also nur in Chiribiquete vor. 32 Arten sind wahrscheinlich neu für die Wissenschaft und 57 Spezies noch nie vorher in Kolumbien beobachtet worden.

Ergebnis einer der wenigen Expeditionen nach Chiribiquete im Jahr 2017

Wertvolles Kulturgut

Indigener Mann © César David Martínez
Indigener Mann © César David Martínez

Auf den schroffen Felswänden mitten im dichten Regenwald Chiribiquetes finden sich hunderttausende prähistorische Felszeichnungen. Die teilweise 20.000 Jahre alten Malereien sind vermutlich das erste Zeugnis menschlicher Existenz im Amazonasgebiet überhaupt und machen den Nationalpark zu einem archäologischen Kulturerbe von internationaler Bedeutung. Es ist die größte und eindrucksvollste Fundstelle urgeschichtlicher Felszeichnungen auf dem amerikanischen Kontinent, vielleicht sogar weltweit.

 

Heimat der Indigenen

Heute ist Chiribiquete kaum noch besiedelt. Doch der Park beherbergt verschiedene indigene Gruppen, von denen einige hier in freiwilliger Isolation leben oder noch gar nicht kontaktiert sind. Durch die Erweiterung des Nationalparks werden die Siedlungen verschiedener indigener Völker geschützt und ihre Isolation erhalten.

Doppelter Erfolg für den WWF

Es ist ein langer Weg, bis eine Stätte die Auszeichnung Welterbe der UNESCO erhält – verbunden auch mit Kosten, um Argumente zu sammeln und sie darzulegen. Der WWF war mit verschiedenen Organisationen an diesen Bemühungen beteiligt und kann nun gleich zwei Erfolge feiern. Für die Erweiterung des Nationalparks hatte der WWF wichtige Überzeugungsarbeit bei Regierung und Gemeinden geleistet und auch die finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen. Jahrzehntelang hatten der WWF und andere NGOs und Umweltbehörden auf die Vergrößerung des Nationalparks Chiribiquete hingearbeitet, nun ist sie endlich Wirklichkeit!

  • Brandschutz-Training in Zeiten von Corona © WWF-Colombia Brandschutz im Amazonas

    Während die Corona-Pandemie die Welt weiter in Atem hält, kämpfen die „Freunde des Waldes“ in der Region um den Chiribiquete-Nationalpark im Amazonas gegen Waldbrände. Weiterlesen ...

  • Regenwald am Amazonas © Luis Barreto / WWF-UK Amazonien

    Eine Region der Superlative: Der größte Regenwald, der wasserreichste Fluss, die artenreichste Savanne. Riesig ist auch die Zerstörung der Natur. Weiterlesen ...

  • Der Nordamazonas ist eine Region der Superlative © Day's Edge Productions Nord-Amazonas-Region: Lebensader des Amazonas

    Die artenreiche Nord-Amazonas-Region muss vor den nahenden Gefahren der Besiedlung und Entwaldung geschützt werden. Weiterlesen ...