Die Forest Guardians – Waldschützer – sind ein Projekt des WWF, das die Sichtweise vieler Menschen in der kolumbianischen Region Bajo Caguán nachhaltig verändert hat. Dort ließ der Kampf ums Überleben häufig keine Zeit für den Blick auf die Schönheit des Amazonas-Regenwaldes und die Einsicht, dass das eigene Überleben langfristig vom Erhalt dieses Waldes abhängt.
Kreischend heult die Kettensäge auf. Fabián Romero setzt die Säge an, nur wenige Sekunden später fällt der riesige Baum mit einem Donnern zu Boden. Es ist einer von tausenden, die der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes zu Gunsten der Rinderhaltung zum Opfer fallen. Doch für Fabián Romero gehört dieses Szenario der Vergangenheit an. Der 31jährige Kolumbianer tauschte die Kettensäge mit einem GPS Gerät. Anstatt Bäume zu fällen, zählt er sie nun und entdeckt dabei immer neue Tier- und Pflanzenarten in der überwältigenden Fülle der Artenvielfalt des Amazonas.
"Ich fühle mich jetzt wie ein ganz anderer Mensch"
Auch Fabián Romero ging es so. Obwohl er als Holzfäller jeden Tag in ihm arbeitete, wusste er nur wenig über den Regenwald. "Durch die Ausbildung zum Waldschützer weiß ich jetzt, was für wunderbare Arten es im Wald gibt wie den Jaguar oder wertvolle Heilpflanzen. Und ich habe verstanden, wie schnell sich dieses Gebiet durch die Entwaldung verändert."
Denn nördlich von Bajo Caguán nähert sich eine riesige Schneise der Abholzung bedrohlich der Region an, die eine Pufferzone zwischen dem größten tropischen Nationalpark Chiribiquete und dem Nationalpark Pinn La Paya bildet. Das Gebiet gehört zu den am stärksten von Abholzung betroffenen Gebieten in Kolumbien.
Bevor die kolumbianische Regierung 2016 den Friedensvertrag mit der FARC-Guerilla unterzeichnete, verdienten viele Menschen in Bajo Caguán ihr Geld als Pflücker auf Kokaplantagen. Der Rückzug der FARC aus dem Gebiet weckte Begehrlichkeiten vor allem bei Bodenspekulanten, die sofort begannen, riesige Flächen zu roden. So konnten sie schnell Besitzansprüche geltend machen. Kokapflücker wurden zu Holzfällern und die Abholzung nahm dramatische Ausmaße an.
Deshalb ist es auch der größte Wunsch von Washington Góngora, dass noch mehr Menschen wie Fabián Romero vom Holzfäller zum Waldschützer werden. Góngora ist Lehrer an der einzigen Schule in der abgelegenen Ortschaft Monserrate. Er stellt fest, dass seine Schüler zunehmend sensibel werden für die Vielfalt des Amazonas und die Notwendigkeit seines Schutzes. "Viele Familien arbeiten in der Viehzucht und verstehen nicht, welche Auswirkungen ihre Arbeit auf den Amazonas hat. Aber ihre Kinder sehen die Dinge jetzt anders."
Über ein Umweltprojekt an seiner Schule traf Washington Góngora auf das Forest Guardian Projekt des WWF und wurde wenig später selbst zum Waldschützer. Jetzt geht er einmal im Monat mit seinen Schülern in den Wald, zählt Tier- und Pflanzenarten und sucht nach Spuren illegaler Abholzung.
"Dabei finden sie immer wieder Arten, von denen sie gar nicht wussten, dass es sie gibt. Das motiviert die Schüler, diese Arten zu schützen", sagt Góngora und bestätigt damit die Erfahrung, die auch Fabián Romero in seiner Ausbildung gemacht hat. Diese Verbindung von Theorie und Praxis im Unterricht ist sogar so vorbildlich, dass die Schule bei einem nationalen Schultest die beste Bewertung erhalten hat.
Wo die Waldschützer sind, bleiben die Kettensägen still
Bis jetzt wurden schon 48 Menschen zu Waldschützern ausgebildet, weitere Gruppen sollen folgen. Insgesamt plant der WWF, sechs Gruppen mit jeweils fünfzehn Waldschützern auszubilden. Dafür werden GPS Geräte, Ferngläser, Funkgeräte, Uniformen, Computer und Drucker benötigt. Gerodete Flächen sollen wieder aufgeforstet werden oder Zäune gezogen, um das Vieh von Bächen und Flüssen fernzuhalten und empfindliche Setzlinge vor den Tritten der Kühe zu schützen. Dabei werden die Viehzüchter bewusst in die Schutzmaßnahmen eingebunden. "Wir möchten mit den Menschen zusammenarbeiten und ihnen zeigen, was wir tun können, um nachhaltiger zu wirtschaften und den Regenwald zu schützen", so Góngora.
Der Erfolg gibt den Waldschützern recht: In Regionen, in denen sie aktiv sind, ist die Entwaldung um 50 Prozent zurückgegangen!
Fabián Romero, der Waldschützer, der einmal ein Holzfäller war, ist sich sicher: "Dieses vom WWF unterstützte Projekt zeigt, dass solche Prozesse Veränderungen bewirken und ein kleines Projekt zu etwas ganz Großem werden kann." Eine Kettensäge wird er in Zukunft nicht mehr anrühren.
- Bajo Caguán - von der Kampfzone zum Schutzgebiet
- Chiribiquete: Regenwald-Nationalpark