Die Regierungen der Welt bereiten sich derzeit auf die fünfte und voraussichtlich letzte Verhandlungsrunde eines UN-Vertrags gegen Plastikmüll (INC-5) im November 2024 vor. Ein Abkommen, auf das Mensch und Natur nicht länger warten können – denn derzeit landet alle drei Sekunden über eine Tonne Plastikmüll in unseren Meeren. Und das hat fatale Folgen: Meerestiere und Seevögel sterben an unserem Müll, ganze marine Ökosysteme drohen zusammenzubrechen. Und auch wir Menschen bleiben nicht verschont – jede und jeder von uns ist ständig mit Mikroplastik konfrontiert, denn wir essen, trinken und atmen es tagtäglich. Allein seit Beginn der Verhandlungen über das Abkommen sind fast 20 Millionen Tonnen Plastik in unsere Ozeane gelangt.

Diese Maßnahmen braucht es für ein wirksames globales Abkommen gegen Plastikverschmutzung

Müllhalde © vchal / Getty Images
Müllhalde © vchal / Getty Images

Die Vereinten Nationen müssen jetzt in der letzten Verhandlungsrunde in Busan in Südkorea alles daransetzen, ihr Versprechen einzulösen, die Plastikkrise zu beenden. Dafür braucht es verbindliche und weltweit geltende Regeln, die sich auf die gesamte Wertschöpfungskette von Plastik beziehen. Denn nur mit einem wirksamen und bindenden Abkommen können wir die weltweite Plastikverschmutzung beenden und unseren Planeten sowie unsere eigene Gesundheit schützen.

Unserer Bundesregierung kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Deutschland war einst Vorreiter der Verhandlungen, mit großen Ambitionen einen tiefgreifenden Vertrag auf den Weg zu bringen und die Plastikkrise wirklich anzupacken. Doch die Linie der Ampel-Regierung ist längst nicht mehr klar, die Haltung gegenüber blockierenden ölproduzierenden Staaten aufgeweicht und die Verhandlungen sind ins Stocken geraten.

Dabei muss jetzt mit allen verfügbaren Kräften an die gute bisher geleistete Arbeit angeknüpft werden, um mutig, entschlossen und gemeinsam Lösungen zu finden. Tun die Länder dies nicht, schadet das nicht nur unserer Natur, sondern wird langfristig auch den Wohlstand unserer Gesellschaft gefährden – und das zugunsten kurzfristiger Gewinne und einseitiger industrieller Interessen.

Die „Must Haves“ eines wirksamen Vertrags

Um deutlich zu machen, was ein wirksames Abkommen bedeutet, hat der WWF vier wesentliche „Must Haves“, also zwingende Maßnahmen identifiziert, die im Zuge der fünften Verhandlungsrunde gesichert im Vertragstext enthalten sein müssen:

  • Weltweite Verbote und schrittweises Auslaufen der unnötigsten und schädlichsten Plastikprodukte und Chemikalien
  • Verbindliche globale Anforderungen an das Produktdesign, für mehr Kreislaufwirtschaft inklusive Wiederverwendbarkeit und Recycling-Fähigkeit 
  • Sicherstellung von Finanzierung für die Umsetzung der Maßnahmen und Unterstützung wirtschaftlich schwächerer Länder
  • Sicherstellung eines langfristigen Erfolgs des Abkommens durch die Möglichkeit, dieses zukünftig inhaltlich zu stärken sowie Monitoring und Kontrollmaßnahmen

1. Weltweite Verbote der schädlichsten Kunststoffe und Chemikalien

Einweg-Plastikverpackungen © GettyImages
Einweg-Plastikverpackungen © GettyImages

Ein wirksamer Vertrag muss verbindliche globale Verbote und ein schrittweises Auslaufen problematischer und vermeidbarer Plastikprodukte sowie schädlicher Chemikalien beinhalten.

Dazu gehören beispielsweise Einwegplastikprodukte, die häufig für den kurzen Gebrauch konzipiert wurden, schnell zu Abfall werden und schwer zu recyceln sind. Diese Einwegprodukte machen 60 Prozent der weltweiten Plastikproduktion aus, sind für 70 Prozent der Verschmutzung unserer Weltmeere verantwortlich und müssen daher dringend angegangen werden.

Die UN-Staaten müssen sich auf weltweit geltende und wissenschaftlich fundierte Bestimmungen in diesen Bereichen einigen:

  • Für Plastikprodukte, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Umwelt gelangen, nicht im Kreislauf geführt werden können, besonders schädlich und gleichzeitig ersetzbar sind.
  • Für Chemikalien, die bei der Herstellung von Kunststoffen und verbundenen Produkten verwendet werden und bekanntermaßen schwere Schäden an lebenden Organismen hervorrufen können, die also zum Beispiel krebserregend oder giftig sind.

Außerdem müssen spezifische Zeitpläne und Ziele für das Auslaufen dieser Produkte sowie Anforderungen an Transparenz und Offenlegung enthalten sein, um die vollständige Eliminierung dieser schädlichen Kunststoffe und Chemikalien aus der Wertschöpfungskette sicherzustellen.

2. Eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft

Recycling © GettyImages
Recycling © GettyImages

Der Vertrag muss verbindliche, globale Anforderungen an das Produktdesign festlegen und sich auf die Schaffung neuer Wirtschaftssysteme konzentrieren, die Reduktion, mehr Wiederverwendung und hochwertiges, sicheres Recycling der verbleibenden Kunststoffe gewährleisten.

Die Einführung weltweiter Anforderungen an Produktdesign und Verwertungssysteme wird:

  • Eindeutige Vorgaben sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen und Rechtssicherheit für Unternehmen schaffen.
  • Die Materialeffizienz optimieren und Einwegplastikprodukte in erheblichem Umfang ersetzen – und somit die Umweltverschmutzung deutlich senken.

Die Maßnahmen sollten sich zunächst auf Produkte konzentrieren, die in großen Mengen produziert und genutzt werden, ein hohes Umweltverschmutzungsrisiko darstellen und besonders schädlich sind, wie zum Beispiel Einweg-Getränkeflaschen. Zunächst sollte der Fokus auf Anforderungen und Leitlinien für die Wiederverwendbarkeit und Recycling-Fähigkeit von ausgewählten Plastikprodukten und die Einrichtung von Verwertungssystemen, wie zum Beispiel Recycling-Systeme und Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR), gelegt werden. Diese sind für die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft unerlässlich.

Über die Verabschiedung des Vertrags hinaus müssen diese Maßnahmen durch weitere branchenspezifische Vorgaben für relevante Industrien, wie die für Verpackungen, Fischerei und Aquakultur, Landwirtschaft, Textilien und Transport, gestärkt werden.

3. Sicherstellung von Finanzierung und Ressourcen für den Wandel

Der Vertrag muss ein umfassendes Finanzierungspaket enthalten, das die Umsetzung und Zielerreichung sicherstellt. Dabei sollte auf alle verfügbaren finanziellen Quellen, sowohl öffentliche als auch private, zurückgegriffen werden.

Ein solches Paket muss eine gerechte finanzielle Unterstützung für die wirksame Umsetzung des Vertrags gewährleisten. Auch wenn die erforderlichen Finanzmittel erheblich sind, würde Untätigkeit infolge voranschreitender Umweltschäden weitaus höhere Kosten verursachen. Insbesondere für die Umsetzung in Entwicklungsländern müssen zusätzliche Finanzmittel mobilisiert und verteilt werden. Finanzströme, die zur Plastikverschmutzung beitragen, müssen unterbunden oder umverteilt werden.

Neben der finanziellen Unterstützung sollte der Vertrag nicht-finanzielle Ressourcen für eine wirksame Umsetzung sicherstellen, insbesondere Technologietransfer, Kapazitätsaufbau, Schulungsprogramme und die Förderung internationaler Zusammenarbeit.

4. Sicherstellung des langfristigen Erfolgs des Vertrags

Kreislaufwirtschaft © Getty Images
Kreislaufwirtschaft © Getty Images

Der Vertrag muss auch in Zukunft funktionieren und erweiterbar sein. Das Vereinbaren angepasster Kontroll- und Umsetzungsmaßnahmen sollte auch nach der offiziellen Verabschiedung des Vertrags möglich sein.

Die bisher aufgeführten Punkte bilden eine solide Grundlage für Maßnahmen, um die Plastikverschmutzung zu beenden. Unerlässlich ist hierbei allerdings auch, dass die Länder ihre Bemühungen im Laufe der Zeit schrittweise ausweiten.

  • Dazu braucht es Datenerfassung, transparente Berichtssysteme und regelmäßige Bewertungen zur Verfolgung der Fortschritte. Darüber hinaus sind Kanäle und Austauschformate erforderlich, die es Experten ermöglichen, technische Empfehlungen zu geben, die auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen.
  • Um Ergänzungen und Änderungen am Vertrag vornehmen zu können, müssen Bestimmungen enthalten sein, die festlegen, wie die Vertragsparteien zukünftig Entscheidungen treffen, zum Beispiel durch Abstimmungen, wenn ein Konsens nicht erreicht werden kann.

Ein Übergang zu einer nachhaltigen Kunststoff-Kreislaufwirtschaft, die mit den planetaren Grenzen im Einklang steht, ermöglicht den Verbleib von Materialien in der Wirtschaft und verringert die Nachfrage nach Einwegplastikprodukten.

Um der Plastikkrise ein für alle Mal ein Ende setzen zu können, müssen wir genau dorthin kommen.

Unterstützen Sie den WWF im Kampf gegen die Plastikkrise

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