Das Projekt Waldrappteam – Vögel im Flugunterricht
Stand: 10.11.2024
Der Waldrapp. Er ist einer der seltensten Vögel der Welt. Sein kahles Gesicht, der sichelförmige, rote Schnabel und die strubbeligen Nackenfedern bieten einen ungewöhnlichen Anblick. Als Delikatesse verspeist und daher stark bejagt, starb er bereits im 17. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa aus. Lediglich in Marokko, Spanien, Österreich und der Türkei gibt es noch Vorkommen des Ibis-Vogels.
Der Waldrapp soll nach Deutschland zurückkehren und wieder als echter Zugvogel angesiedelt werden. Der WWF unterstützt das ehrgeizige Wiederansiedlungsprojekt, gefördert durch das europäische LIFE Programm, und unter der Leitung des Tiergarten Schönbrunn, das in dieser Form weltweit einzigartig ist.
Die größte Herausforderung: Der Waldrapp hat das natürliche Zugverhalten verlernt und wird nun per Ultraleichtflugzeug in sein Überwinterungsgebiet geleitet.
Das Projekt Waldrappteam – Mission: Wiederansiedlung
Im Rahmen eines Europäischen LIFE-Projektes mit insgesamt zehn Partnern aus Österreich, Italien, Deutschland und der Schweiz werden Nachzuchten aus Zoohaltungen aufgezogen und in ihr Überwinterungsgebiet begleitet. Von dort starten sie spätestens nach Erreichen der Geschlechtsreife selbstständig wieder zurück gen Norden. Dafür sind mittlerweile vier Brutkolonien in Burghausen (Bayern), Salzburg (Österreich) und Rosegg (Österreich) sowie in Überlingen (Baden-Württemberg) gegründet worden.
Ziel des Projekts ist es, eine selbstständig überlebensfähige europäische Waldrapp-Population zu schaffen, deren Tiere wieder so wie ihre Vorfahren ein Zugverhalten zeigen. Es ist der erste Versuch, eine hierzulande ausgestorbene Zugvogelart wieder anzusiedeln und eine neue Zugtradition zu gründen.
Der Weg dorthin verlangt jedoch vor allem für die menschlichen Ziehmütter und die Helfer:innen im Camp unermüdlichen Einsatz. Tag für Tag kümmern sie sich während der Aufzuchtszeit um die jungen Waldrappen. Diese sehnen sich nicht nur nach Nähe und Zuwendung, sondern vor allem nach regelmäßigen Fütterungen. Ihre Leibspeise? Leckere Mehlwürmer.
Dazwischen gibt es auch für die Waldrappjungen Schulpflicht. Für die mehrtägige Migration werden die Jungvögel spielerisch auf den großen Flug vorbereitet.
In einem projekteigenen Trainingscamp in Überlingen werden sie darauf trainiert, ihren in Fluggeräten sitzenden Zieheltern zu folgen. Sobald die Jungen groß genug sind, absolvieren sie alle paar Tage einige Flugstunden. Denn bis zum Antritt ihrer Reise müssen alle „Waldis“, wie sie liebevoll vom Projektteam genannt werden, gute Flieger sein.
Waldrapp-Migration 2023: Auf nach Andalusien!
Drei Jahre mussten die Jungvögel der Waldrapp-Kolonie aus Überlingen warten, bis sie die Reise in ihre neue Heimat antreten konnten. Die Covid-19-Pandemie machte früheren Plänen einen Strich durch die Rechnung. Am 21. August 2023 war es dann so weit: 35 junge Waldrappe machten sich in einer von Menschen mit einem Ultraleichtflugzeug geführten Migration auf in ihr neues Wintergebiet.
Das Ziel der Reise ist in diesem Jahr nicht wie bei den Migrationen zuvor die Toskana, sondern Andalusien. Aufgrund der globalen Erderhitzung haben die Waldrappen zunehmend Probleme die Alpen zu überqueren. Andalusien bietet den Waldrappen ein geeignetes Winterquartier, ohne dabei die Barriere der Alpen überfliegen zu müssen. In Andalusien will das Waldrappteam die Jungvögel auswildern, denn „im Partnerprojekt Projecto Eremita wird in Andalusien seit 20 Jahren eine sesshafte Waldrapp-Population aufgebaut“, schreibt das Waldrappteam auf seiner Website.
Nach sechs Wochen und einer 2.300 Kilometer langen Reise war es dann Anfang Oktober endlich soweit: 200 Kinder, rund 100 Erwachsene sowie mehrere Personen in Waldrappkostümen hießen die Waldrappe in der Provinz Cádiz willkommen.
Über die Alpen – Migration von Deutschland in die Toskana und wieder zurück
In den letzten Jahren lag das Ziel der Reise der Waldrappe in der Toskana. Nach einer 770 Kilometer langen Flugstrecke, verteilt auf fünf Flugetappen, wartete das WWF-Schutzgebiet Oasi Laguna di Orbetello als Winterquartier auf die Waldrappe. In Italien angekommen trafen die „Waldis“ auf zahlreiche ihrer freilebenden Artgenossen.
Auch die meisten der übrigen Vögel der Brutkolonien in Bayern, Baden-Württemberg und Österreich machten sich, wenn auch etwas später als sonst, ebenfalls auf den Weg in ihre Überwinterungsgebiete im Süden. Grund für die zunehmend spätere Herbstmigration waren vermutlich klimarelevante Parameter, die sich durch den Klimawandel verändern und einen Einfluss auf die Migration der Vögel haben.
Im Frühjahr 2022 waren 18 geschlechtsreife Waldrappe wieder in das Überlinger Brutgebiet zurückgekehrt. Am Standort in Burghausen sind Anfang Mai 2022 einige Küken geschlüpft. Um die Jungvögel noch schneller an ihre natürlichen Nistplätze zu gewöhnen, wurden zahlreiche Nester von der künstlichen Brutwand in eine natürliche Felsnische umgezogen.
Gefahren während der Migration
Da Waldrappen Zugvögel sind, werden sie immer wieder Gefahren während ihrer Wanderungen ausgesetzt sein. Auf ihrer Reise begegnen die Vögel etwa immer wieder ungesicherte Strommasten, von denen eine tödliche Gefahr ausgeht.
In Italien erwartete sie dann eine weitere Bedrohung: Die illegale Jagd stellt dort den Hauptbedrohungsfaktor für die Tiere dar. Immer wieder fallen einzelne Tiere der Straftat zum Opfer. Der WWF setzt sich weltweit gegen jede Art der Wilderei ein. Hohe Geldstrafen sollen auch in Italien Wilderer abschrecken und Abschüsse verhindern.
Unterstützt durch die Postcode Lotterie
Der WWF setzt sich gemeinsam mit der Deutschen Postcode Lotteriekontinuierlich für das Waldrapp-Projekt ein. Gemeinsam konnten wir Personalkosten für die Ziehmütter und eine Camp-Assistenz, Futtermittelkosten und die Betriebskosten für das Fluggerät unterstützen. In der Vergangenheit konnten mit den Mitteln von WWF und Postcode Lotterie zudem GPS-Halsbänder, ein Projektfahrzeug gekauft, Trainingscamps in Überlingen realisiert und eine permanente Voliere für die erfolgreiche Aufzucht der Waldrappe am Bodensee errichtet werden.
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