So verheerend die Probleme der Palmölproduktion sind, eine einfache Lösung dafür gibt es noch nicht. Der WWF spricht sich dagegen aus, das Fett der Ölpalme unbedacht durch andere Pflanzenöle wie Soja- oder Kokosöl zu ersetzen. Die Probleme würden damit verlagert, teilweise sogar verschlimmert. Schließlich erreichen Ölpalmen höhere Erträge als jede andere Ölpflanze. Für den gleichen Ertrag würden andere Ölsaaten also weit mehr Land benötigen. Mittlerweile nimmt der Ölpalmenanbau über 20 Millionen Hektar Anbaufläche ein – das entspricht etwas mehr als der Fläche Großbritanniens.
Dass die Palmölproduktion diverse ökologische wie soziale Probleme nach sich zieht, ist bekannt. Lösungen dafür sind bisher jedoch rar. Mithilfe von Hefen hergestellte Öle erhalten aktuell Aufmerksamkeit als Ersatz für das Fett aus den Früchten der Ölpalme. Sie könnten einen Beitrag für eine nachhaltigere Ölproduktion leisten – aber nicht allein.
Palmöl: begehrt und berüchtigt
Ob Schokolade oder Tiefkühlpizza, Seife oder Treibstoff, in vielen Produkten, die wir nutzen, steckt Palmöl. Schließlich ist Palmöl nicht nur hitzebeständig und bei Zimmertemperatur geschmeidig-fest, sondern auch ganzjährig verfügbar und günstig. Nicht umsonst werden jährlich rund 77 Millionen Tonnen des Öls produziert – vor allem in Südostasien mit einem Anteil von 85 Prozent. Das macht das Palmfett zum begehrtesten pflanzlichen Öl auf dem Weltmarkt, vor Soja- und Rapsöl.
Günstig ist Palmöl jedoch nur „finanziell“, wenn wir wesentliche Kosten außer Acht lassen. Denn in Bezug auf Umwelt und soziale Standards zahlen wir einen hohen Preis. Da Ölpalmen vor allem in tropischen Gebieten, rund um den Äquator, wachsen, gilt ihr Anbau als eine der Ursachen für die großflächige – teils illegale – Abholzung des Regenwalds. Dabei verlieren Tiere wie der Orang-Utan ihren Lebensraum und immer wieder werden Landrechte von Kleinbauern oder indigenen Gemeinschaften missachtet. Brandrodung und Trockenlegung von Torfböden setzen enorme Mengen Kohlendioxid frei und heizen den Klimawandel an.
Ersatz von Palmöl durch andere Pflanzenöle nicht sinnvoll
Hefeöl als möglicher Beitrag zur nachhaltigeren Ölproduktion
Könnten andere, alternative Formen der Ölproduktion, dazu beitragen, das „Palmölproblem“ zu lösen oder einen nachhaltigeren Weg zu gehen? Aufmerksamkeit erhält derzeit der Ansatz, Fett mithilfe von Hefe herzustellen. So gibt es beispielsweise Forschungsvorhaben an der Universität München (TUM), Hefeöl aus Algen oder Brotresten zu produzieren. Ein Forschungsteam der Technischen Universität Hamburg (TUHH) indes gewinnt Hefeöl aus Melasse, einem Nebenerzeugnis der Zuckerproduktion.
Doch wie funktioniert das? Kann dieses Öl Palmfett tatsächlich ersetzen? Und gibt es nicht auch dabei einen Haken? Der WWF fühlt der Methode auf den Zahn.
Wie wird aus Hefe Öl?
Wie Hefeöl entsteht, erklärt Max Webers von der TUHH: „Die Biomasse – in unserem Fall noch Melasse – dient der Hefe als Kohlenstoffquelle. Sobald bestimmte Nährstoffe, wie Stickstoff, verbraucht sind, wächst die Hefe nicht weiter, sondern lagert Fett ein, das wir dann »ernten«.“ So werden zum Beispiel aus einem Kilogramm Zucker am Ende rund 300 bis 800 Gramm Öl.
Das Team mit Max Webers, Philipp Arbter, Tyll Utesch und Jonas Heuer will dieses Prinzip künftig in industriellem Maßstab anwenden, um hunderttausende Tonnen Öl zu produzieren. Vorerst mit Melasse, später auch mit anderen industriellen Reststoffen als Hefe-„Futter“ wie Okara aus der Tofu-Produktion – sofern es sich im Labor bewährt.
Ist das Öl gleichwertig?
Durch seine Eigenschaften ist Palmöl für die Industrie vielfältig einsetzbar. Kann Hefefett den Ansprüchen gerecht werden? „Die Zusammensetzung des Hefefetts ist variierbar“, weiß Max Webers. „Indem wir zum Beispiel verschiedene Hefestämme einsetzen, können wir pflanzliche Fette wie Kakao- und Sheabutter, Soja- oder Palmöl nachbilden. Fette mit einem hohen Anteil an mittelkettigen Fettsäuren wie Kokosfett oder Palmkernöl können wir durch natürliche, nicht genetisch veränderte Hefen noch nicht nachbilden.“ Farbe, Geruch und Geschmack können sich im Vergleich zu ihren pflanzlichen Vorbildern zwar unterscheiden, wesentliche, für viele Produkte wichtige Qualitäten wie Haptik oder Schmelzpunkt seien jedoch gleich.
Im Labormaßstab hat sich das Öl so gut bewährt, dass die Nachfrage sehr groß ist. Sowohl Kosmetikproduzenten als auch Lebensmittelhersteller und die Erdöl und Erdgas verarbeitende Industrie sind interessiert daran, ihre Rezepte mit dem Hefeöl zu testen.
„Hefeöle können einen Teil dazu beitragen, den weltweiten Ölbedarf umwelt- und sozialverträglicher zu decken. Allerdings werden weltweit mehr als 70 Millionen Tonnen Palmöl konsumiert. Die Mengen Hefeöl sind (noch) klein dagegen. Deswegen führt kein Weg daran vorbei, den jetzigen Anbau besser zu gestalten. Die Zeit drängt. Auch als Verbraucher:innen sollten wir überlegen, wieviel wir wovon konsumieren. Die Politik muss ihre Bemühungen verstärken, Transparenz in Lieferketten zu fördern und alle Importe an ökologische und soziale Standards zu binden.“
Eine wirklich neue Idee?
Eigentlich ist die Gewinnung von Öl aus Hefe nicht neu. Bereits 1917 gab es erste Aufzeichnungen über einen solchen Prozess, weiß Max Webers. „Es hat alles schon einmal in großem Maßstab geklappt, wir müssen es nur wiederholen“, sagt der Wissenschaftler und verweist auf zwei Hefefett-Fabriken in Deutschland, die 1916/17 den Mangel an Butter und anderen tierischen Fetten ausgleichen sollten. „In den 1970er Jahren hat man in den USA auch Kakaobutter mit Ölhefen hergestellt. Die Produktionskosten konnten die günstigen Preise der Monokultur-Erzeugnisse tropischer Plantagen aber nicht unterbieten.“
Ein Haken: der hohe Preis
Der Preis ist auch heute (noch) eine Herausforderung: „Es wird einige Jahre dauern, bis wir den aktuellen, sehr hohen, Palmölpreis von rund 1.200 Dollar pro Tonne mit einer technologischen Produktion erreichen werden“, sagt Max Webers. Deshalb sieht er den Einsatz in den kommenden vier Jahren vor allem in hochpreisigen Kosmetikprodukten, danach auch in Lebensmitteln. „Wird das Hefeöl Schritt für Schritt häufiger eingesetzt, reduziert sich der Preis.“
Für das von ihm und seinen Kollegen gegründete Start-Up COLIPI hofft er, bis 2024 eine eigene Pilotanlage für Testproduktionen mit der Industrie aufgebaut zu haben, in der eine Tonne Öl pro Woche produziert werden kann. „Finden wir Partner aus der Industrie, deren Anlagen wir mitnutzen, kommen wir vielleicht auf zehn bis 20 Tonnen pro Woche“, schätzt er. Das entspricht rund 1.000 Tonnen im Jahr – der Palmöl-Konsum beläuft sich aktuell auf über 70 Millionen Tonnen im Jahr.
Der Umweltfaktor
Das sei dann jedoch noch keine CO2-neutrale Produktion. Denn bei der Herstellung von Öl produzieren Hefen wie viele Lebewesen natürlicherweise das Treibhausgas Kohlendioxid. Die Forschergruppe um Philipp Arbter und Max Webers hat für ihre Produktion eine Lösung gefunden. „Wir setzen eine Bakterie ein, die das im Prozess entstandene CO2 als Nahrung nutzt“, erklärt der Gründer. „Die Bakterie selbst dient wiederum als Nahrung für die Hefe. So schließt sich ein Kohlenstoffkreislauf, die Öle sind klimaneutral und die Biomasse-Öl-Ausbeute wird höher.“
Natürlich braucht die Produktion von Hefeöl neben Strom auch Wasser. Zudem fällt beim Gewinnungsprozess unter anderem Eiweiß als Nebenprodukt an. Max Webers beschreibt den Prozess als sauber: „Da das Abwasser nicht giftig ist, kann es nach Klärung wieder in den normalen Wasserkreislauf eingehen. Und die Proteine können unter anderem ohne Bedenken für vegane Lebensmittel verwendet werden.“
„Eine Frage der Zeit und des Vertrauens“
Max Webers und seine Kollegen glauben an das Hefeöl: „Alles ist möglich, es ist nur eine Frage der Zeit und des Vertrauens.“ Gleichzeitig sehen sie Verbesserungspotential für solche Entwicklungen. „Die industrielle Biotechnologie braucht mehr Förderungen. Allein im Bereich der Nahrungsmittelerzeugung, unter anderem Öle und Proteine, gibt es weltweit ein Finanzierungsdefizit von 15 Milliarden Euro pro Jahr, um die drohende Lücke bei der Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung bei gleichzeitiger Klimaerwärmung zu sichern. Wir brauchen mehr Geschwindigkeit – insbesondere bei Projekten, die der Bevölkerung und gleichzeitig der Umwelt zugutekommen.“
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