Das Deutsche Brotregister weist 3.200 Varianten an Brot auf. Wegen dieser weltweit einzigartigen Vielfalt nahm die Deutsche UNESCO- Kommission e.V. die deutsche Brotkultur 2014 ins „Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes“ auf. Brot scheint uns in Deutschland wichtig zu sein – aber gehen wir damit auch sorgsam um?
Brot ist eines der ältesten Lebensmittel der Welt und in Deutschland nach wie vor sehr beliebt. Bei 90 Prozent der Deutschen kommt Brot täglich mindestens einmal auf den Tisch. Brot hat zudem eine hohe symbolische und spirituelle Bedeutung. Getreide und Brot sind z.B. untrennbar mit dem Erntedankfest verknüpft. Brot war darüber hinaus über Jahrhunderte Grundlage zur Sicherung der Existenz. Deutlich sichtbar in zahlreichen noch heute üblichen Sprichwörtern wie „Broterwerb“, „seine Brötchen verdienen“, „brotlose Kunst“ oder „kleine Brötchen backen“.
Verluste von Brot- und Backwaren
In unserer Überflussgesellschaft gehören gerade die Backwaren zu den am häufigsten weggeworfenen Lebensmitteln. Laut aktuellen Erkenntnissen wurden im Jahr 2015 ca. 4,5 Millionen Tonnen Backwaren hergestellt. Davon sind etwa 1,7 Millionen Tonnen als Verluste zu verzeichnen. Davon wiederum der überwiegende Anteil in Haushalten, gefolgt von Bäckereien sowie dem Handel. Was nicht verzehrt wird, landet zu hunderttausenden Tonnen bestenfalls im Tierfutter oder wird zu Biogas. Dies betrifft vor allem Backwaren mit tierischen Bestandteilen – also das Käsebrötchen oder die Schwarzwälder Kirschtorte.
Die Auswirkungen auf Umwelt und Klima
Die Verschwendung von Lebensmitteln hat weitreichende Folgen für unsere Umwelt, denn jedes verschwendete Lebensmittel ist eine verschwendete Ressource. Für die 1,7 Mio. Tonnen Verluste wurden umgerechnet 398.000 Hektar wertvolles Ackerland beansprucht und 2,46 Mio. Tonnen Treibhausgase ausgestoßen. Dies ist gerade im Hinblick auf die sich wiederholenden trockenen Jahre in Deutschland zu hinterfragen. Im Jahr 2018 kam es durch die langanhaltende Trockenheit zu signifikanten Ernteverlusten. Laut Schätzungen des Deutschen Bauernverbandes lag die Erntebilanz bei 35,6 Mio. Tonnen Getreide. Dies sind 26 Prozent weniger als die durchschnittlichen Erntemengen zwischen 2013 und 2017. Ein oft daran anknüpfendes Argument ist, dass eine weitere Intensivierung notwendig sei. Statt eine weitere Belastungen mit Pestiziden und Stickstoffdüngungen in Kauf zu nehmen, sollte der Umgang mit Lebensmittel in den Blick genommen werden. Zukünftig sollten und können wir es uns nicht mehr leisten, Ackerland zu beanspruchen, um das darauf angebaute Getreide als Brot, Pizza oder Pasta in den Müll zu werfen.
Ursachen der Verluste
Auf der einen Seite stehen die Verbraucher mit ihren steigenden Ansprüchen an Frische und der zunehmenden Erwartung an Vielfalt. So gelten Brötchen, die älter als drei Stunden sind, nicht mehr als frisch. Auf der anderen Seite stehen die Bäckereien, die die Kundenerwartungen erfüllen wollen und häufig das ganze Sortiment bis in den Abend hinein anbieten. Die Retouren der Bäckereien schwanken zwischen 1,5 und 19 Prozent. Laut aktuellen Schätzungen betragen allein die Backwarenverluste verursacht durch Retouren in Deutschland ca. 600.000 Tonnen pro Jahr. Auffallend ist, dass gerade die kleinen Handwerksbetriebe die geringsten Retouren aufweisen.
Ein weiterer Grund für die Entstehung von überschüssigem Brot und feinen Backwaren, wie z.B. Törtchen, liegt auch in den Auflagen für Vertragsbäckereien, die in den Vorkassenzonen der Supermärkte und Discounter ihre Backshops unterhalten. In den Verträgen werden diese häufig verpflichtet, bis kurz vor Ladenschluss noch eine hohe Warenpräsenz zu zeigen. Oder ein anderes Beispiel: Endscheiben von Toastbrot. Diese gelten heute häufig als unverkäufliche Reste. Endscheiben machen zwar nur 2–4 Prozent eines Toastbrotes aus, aber bei industrieller Produktion sind die entstehenden Mengen erheblich. Im Nachbarland Frankreich beispielsweise fallen allein bei einem großen Brothersteller jährlich etwa 10.000 Tonnen Produktionsrückstände in Form von Toastbrot-Endscheiben an. Die Endscheiben wandern in der Regel ins Tierfutter.
Forderungen des WWF an Politik und Wirtschaft
- Verankerung von verbindlichen Reduktionszielen in der nationalen Strategie zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Nur so ist das internationale und in Deutschland verankerte Ziel, bis 2030 bis zu 50 Prozent Lebensmittelabfälle zu reduzieren, erreichbar.
- Dringend notwendig ist eine Verbesserung der Datengrundlage und eine Verbesserung der Datenverfügbarkeit. Dies gilt für den Verbrauch von Brot- und Backwaren wie für die Verluste und Verwertungswege.
- Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. sowie die einzelnen Landesinnungsverbände des Deutschen Bäckerhandwerks sollten sich der Problematik der Verschwendung von Backwaren im Bäckerhandwerk verstärkt annehmen und Mitgliedern entsprechende Handlungsoptionen aufzeigen.
- Um ein Umdenken in der gesamten Branche und entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erreichen, ist eine konsequente Verankerung der Thematik in allen Teilen der beruflichen Bildung und Fort-/Weiterbildung notwendig.
- Der Lebensmitteleinzelhandel sollte zukünftig von Verträgen Abstand nehmen, die den Betreibern von Backshops in den Vorkassenzonen der Supermärkte und Discounter auferlegen, eine hohe Warenpräsenz bis kurz vor Ladenschluss sicherzustellen.
Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Es besteht deutlicher und dringender Handlungsbedarf, aber es gibt auch bereits zahlreiche Alternativen, die vom Bäckerhandwerk aufgegriffen werden können.
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