Weit und staubig erstrecken sich die spärlich bewachsenen Ebenen der Trockensteppe vom Fuß des Altai Gebirges bis zur Wüste Gobi im Südwesten der Mongolei. Nur selten und in großen Abständen tritt kostbares Nass unterirdischer Wasserläufe aus dem flachen Boden. Wildtiere, Menschen und frei weidende Nutztierherden von häufig nomadisch lebenden Hirtenfamilien teilen sich diese raren Quellen und legen dafür große Strecken zurück.
Wie eine grüne Oase zieht sich ein grasbewachsener Streifen um einen Wasserlauf durch die Halbwüste der westlichen Mongolei. Zu verdanken ist das Kindern aus WWF-Ökoclubs und örtlichen Hirt:innen. Zunehmende Trockenheit und die Hufe von Herden haben viele der ohnehin wenigen Quellen in den letzten zehn Jahren versiegen lassen. Hundert „Quellen des Lebens“ will der WWF gemeinsam mit Freiwilligen wiederherstellen, um die Hirtenfamilien zu unterstützen und die seltenen Mongolischen Saiga-Antilopen zu erhalten.
Wenn Quellen versiegen
„Es ist faszinierend zu beobachten, wie sich geschlossene Gruppen von Saiga-Antilopen, Kropfgazellen oder auch Nutztiere wie Kamele und Pferde frühmorgens an den Quellen versammeln, um Wasser für den Tag aufzunehmen“, erzählt Markus Radday, Asien-Referent beim WWF Deutschland.
„Doch immer wieder zertreten Nutztierherden den Austritt des Wassers.“ In Folge verschlammt die Quelle, der Wasserfluss versiegt oder verkümmert. Eine weitere Gefahr sind kranke Tiere, die sich an der Quelle ins Wasser legen, um ihr Leiden zu lindern, dort verenden und das Wasser verseuchen.
Kinder-Ökoclubs reaktivieren Quellen in der Westmongolei
Die Lösung ist im Grunde einfach: Ein Zaun um die Quelle schützt ihren Ursprung. Außerhalb des Zaunes bildet das Wasser einen fließenden Bachlauf und lässt Wildtiere wie Nutzvieh sicher trinken. „Zieht man die Zäune nach und nach größer“, erklärt Markus Radday, „kann man in der Halbwüste und Trockensteppe grüne Oasen von der Größe mehrerer Fußballfelder schaffen.“
Bereits seit 2018 gräbt der WWF zerstörte Quellen wieder frei und schützt sie durch Zäune – von Beginn an mit Hilfe von Schüler:innen aus den umliegenden WWF-Kinder-Ökoclubs.
Diese „WWF-Eco-Clubs“ an Schulen gibt es in vielen Ländern unserer Erde, um Kinder und Jugendliche für den Schutz der Natur zu sensibilisieren und sie aktiv einzubeziehen.
Der Erfolg ist messbar
Regelmäßig messen die Schülerinnen und Schüler die Wassermengen, den PH-Wert und die Pflanzenarten an den von ihnen wiederhergestellten Quellen und werten Bilder und Videos aus Kamerafallen aus, die der WWF an einzelnen Standorten aufgestellt hat.
Die Messungen an 17 verschiedenen Quellen ergaben, dass der Wasserfluss im Vergleich zur Zeit vor dem Schutz um das Zwei- bis Dreifache gestiegen ist. Die Aufnahmen aus den Kamerafallen zeigen, wie gut die wiederhergestellten Quellen von Wild- und Nutztieren angenommen werden. Auch von den einzigartigen und bedrohten Mongolischen Saiga-Antilopen.
Am Fuß des Altai: Land der Saiga-Antilopen
Perfekt an das harte Leben in der westmongolischen Steppe angepasst sind die Mongolischen Saigas (Saiga tatarica mongolica). Die Unterart der Saiga-Antilope kommt nur in dieser Region vor. 2017 hatte ein Virus sie beinahe ausgerottet. Die Bestände konnten sich inzwischen gut erholen.
Doch angesichts der immer knapper werdenden Quellen und der nahezu ständigen Anwesenheit von Menschen und Vieh an den wenigen Wasserstellen, werden die scheuen Wildtiere verdrängt. Der Schutz der geschädigten, natürlichen Quellen dient den Saiga-Antilopen und Nutztieren gleichermaßen, denn am frei fließenden Bachlauf haben nun alle ihren Stammplatz.
Die große Hilfe der „Eco-Clubs“
Die Kinder und Jugendlichen aus den WWF-Ökoclubs helfen nicht nur aktiv bei der Wiederherstellung der Quellen und beschäftigen sich in weiteren Projekten mit anderen Themen aus Natur und Umweltschutz. Sie tragen ihre Botschaften auch in Familien und Gemeinden. Die verstreut lebenden Nomadenfamilien sind schwer zu erreichen. Doch sie sind diejenigen, die sich ihren Lebensraum mit den Wildtieren teilen. Nicht selten kommt es zu Konflikten, besonders, wenn Hirt:innen ihre wenigen Nutztiere in Gefahr sehen.
„Durch die Wasserstellen und einen besseren Schutz der Herden lassen sich viele dieser Konflikte entschärfen.“
So werden die Saigas fälschlicherweise beschuldigt, das tödliche Virus 2017 in die Herden eingeschleppt zu haben. „Durch die Wasserstellen und einen besseren Schutz der Herden lassen sich viele dieser Konflikte entschärfen,“ so Markus Radday vom WWF Deutschland. „Am besten können wir die Menschen in dieser weitläufigen Region darüber informieren, wenn die Kinder in der Schule ein Projekt machen und davon zu Hause berichten.“
Wasserbecken auch zum Schutz der Schneeleoparden
Auch in den Revieren der Schneeleoparden in den Bergen liegen Quellen, an denen Nutztiere trinken. Hier können sie leicht zur Beute werden. Der WWF hat mithilfe Freiwilliger deshalb drei große Wassersammelbecken in den unteren Regionen angelegt, die sich durch Regen- und Schmelzwasser speisen. Die Teiche erleichtern das Tränken des Viehs, verhindern, dass Tiere gerissen werden und fördern so eine harmonischere Koexistenz von Menschen und Wildtieren. Über 15.000 Nutztiere kann jede dieser Tränken mit Wasser versorgen, außerdem zum Beispiel Sibirische Steinböcke und das Altai-Argali, das größte Wildschaf der Welt.
100 Quellen für Saiga-Antilopen und Hirtenfamilien
Insgesamt 26 geschützte Quellen und Wasserreservoire konnte der WWF gemeinsam mit den Kinder-Ökoclubs und erwachsenen Freiwilligen bisher anlegen. Hundert sollen es werden.
Hundert Quellen des Lebens, um 1000 Hirtenfamilien zu unterstützen und 15.000 Mongolische Saiga-Antilopen zu erhalten. So der Slogan und das Ziel des Projektes in der westmongolischen Halbwüste. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes noch ein weiter Weg, denn die Quellen liegen in großer Entfernung. Doch es ist ein wichtiger Weg für die Wildtiere und Menschen in dieser kargen Region – und nicht zuletzt für eine positive Wahrnehmung des Naturschutzes.
- Saiga-Antilopen