In Baden-Württemberg werden seit einigen Jahren immer wieder einzelne Luchse nachgewiesen. Diese ausschließlich männlichen Luchse sind aus den Schweizer Alpen und dem Schweizer Jura eingewandert. Um eine stabile Luchspopulation in den Wäldern Baden-Württembergs zu etablieren, fehlt es jedoch an weiblichen Tieren. Ein vom WWF unterstütztes Wiederansiedlungsprojekt soll die Zukunft der Raubkatzen in Baden-Württemberg sichern.

Nachdem der letzte Luchs in Baden-Württemberg vor rund 200 Jahren erlegt worden war, galt er dort als ausgestorben. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wanderten jedoch immer wieder männliche Tiere aus der Schweiz ein. Für eine stabile Luchspopulation im Land reicht das aber noch nicht – es fehlen die Weibchen.

Seit dem Frühjahr 2023 arbeiten die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), der Landesjagdverband BW, der WWF, der Zoo Karlsruhe und die AG Luchs und Wolf in einem auf vier Jahre angelegten Projekt daran, die Situation der Luchse im Land zu verbessern und die Katzen wieder in den Wäldern anzusiedeln.

Das Projekt „Luchs Baden-Württemberg“

Luchs im Wald © Julius Kramer
Luchs im Wald © Julius Kramer

Die großen Waldflächen Baden-Württembergs sind ein idealer Lebensraum für die scheuen Tiere. Das Ziel des Projektes „Luchs Baden-Württemberg“ ist es, eine sich selbst erhaltende Luchspopulation im Land zu etablieren. Durch den genetischen Austausch mit den Nachbarpopulationen im Pfälzerwald und in der Schweiz sollen auch diese langfristig gestärkt werden.

Dazu sollen vor allem ein- bis zweijährige Luchse ausgewildert werden, die in speziellen Gehegen geboren und aufgewachsen sind. Im Oktober 2024 startete im Oberwald in Karlsruhe der Bau eines 5.000 Quadratmeter großen Auswilderungsgeheges. Neben Hütscheroda in Thüringen wird es damit das erst zweite Auswilderungsgehege für Luchse deutschlandweit. Im Januar 2025 sollen dann die ersten Wildkatzen dort einziehen.  

Vor der Auswilderung wird genau geprüft, ob das Tier für die Auswilderung geeignet ist, ob es gesund ist und ein artgerechtes Verhalten zeigt. Erfahrungen aus bereits abgeschlossenen Projekten zeigen, dass sich Luchse aus Gehege-Nachzuchten in der Regel sehr gut in der freien Wildbahn zurechtfinden und kein anderes Verhalten zeigen als Luchse, die in freier Wildbahn geboren wurden.

Der Vorteil eines solchen Vorgehens gegenüber Wildfängen aus anderen Regionen wie zum Beispiel den Karpaten: Die dortigen Populationen werden nicht beeinträchtigt, da keine Tiere entnommen werden. Außerdem können Tiere ausgewählt werden, die für die Luchspopulation genetisch besonders wertvoll sind.

„Mit dem neuen Projekt kommen wir dem Ziel von europaweit vernetzten Luchsvorkommen einen guten Schritt näher. Denn für das langfristige Überleben der Art ist die Vernetzung der einzelnen Luchsvorkommen untereinander enorm wichtig. Mit einem zukünftig stabilen Bestand in Baden-Württemberg wird eine wichtige Lücke geschlossen.“

Sybille Klenzendorf, Artenschutzexpertin beim WWF Deutschland

Im Dezember 2023 wurde mit Finja das erste Luchsweibchen in Baden-Württemberg ausgewildert. Das Luchsweibchen stammte aus einem Wildgehege in Thüringen und wurde in Rheinland-Pfalz fern von menschlichen Einflüssen auf die Freilassung im Nordschwarzwald vorbereitet. Auch genetische und verhaltens-ökologische Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, dass Finja alle Voraussetzungen für die Auswilderung im Schwarzwald erfüllt.  

Update zur Auswilderung von Luchweibchen Finja:

Im Juli 2024 wurde Finja in einem sehr schlechten Zustand aufgefunden und musste tragischerweise eingeschläfert werden. Hierzu erklärt Dr. Sybille Klenzendorf, für das Projekt zuständige Artenschutzexpertin beim WWF Deutschland:

„Der tragische Verlust von Luchsweibchen Finja ist ein herber Rückschlag für das Auswilderungsprojekt und die Bestandsstützungen der Luchse im Schwarzwald. Doch das Projekt als solches sehen der WWF und alle Beteiligten – und das ist die gute Nachricht an diesem Tag – nicht gefährdet. Wir mussten von Beginn an damit rechnen, dass ein solch herausforderndes Artenschutzunterfangen auch mit Rückschlägen wie diesem verbunden ist. Schließlich ist die Sterblichkeit von jungen Luchsen in der Natur grundsätzlich hoch. Nur durch weitere Bestandsstützungen wird das Luchsvorkommen in Baden-Württemberg überhaupt eine langfristige Überlebenschance haben.“

Nach intensiver veterinärpathologischer Untersuchung konnte auch die Todesursache geklärt werden. Das Luchsweibchen war mit der Infektionskrankheit Staupe infiziert. Staupe ist eine hochansteckende Viruserkrankung, die bei Füchsen und Mardern vergleichsweise häufig auftritt. Bei Katzen hingegen nur sehr selten.

Wissen über den heimlichen Waldbewohner

Luchs-Info-Point in Baden-Württemberg © Moritz Klose / WWF
Luchs-Info-Point in Baden-Württemberg © Moritz Klose / WWF

Durch das lange Verschwinden des Luchses aus Baden-Württemberg sind viel Wissen über den Luchs und Erfahrungen über das Zusammenleben verloren gegangen. Deshalb ist es wichtig, mit der Rückkehr der Pinselohren auch das Wissen über den heimlichen Waldbewohner wieder zu verbreiten. Aus diesem Grund gibt es in Baden-Württemberg so genannte Luchs-Info-Points. Das sind Orte, an denen sich die Öffentlichkeit über die Luchsvorkommen im Land informieren kann.

Eine ganz besondere Einrichtung für Kinder, Erwachsene, Wanderer:innen und interessierte Jäger:innen ist der im Juli 2017 eröffnete Luchs-Info-Point im Naturpark Obere Donau. Gemeinsam mit der Gemeinde Leibertingen, dem Naturpark Obere Donau und mit Unterstützung des Landesjagdverbandes Baden-Württemberg hat der WWF hier eine Anlaufstelle für umfassende und aktuelle Informationen zum Luchs geschaffen. Der Standort in unmittelbarer Nähe der historischen Burg und Jugendherberge „Burg Wildenstein“ ist so gewählt, dass der Info-Point Wandernde und Besucher:innen der Jugendherberge gleichermaßen anspricht und im Rahmen der Bildungsarbeit des Naturparks Obere Donau genutzt wird.

Auch im Schwarzwald soll im Rahmen des Wiederansiedlungsprojekts „Luchs Baden-Württemberg“ ein Luchs-Info-Point entstehen.

Akzeptanz ist das A und O

Die Jägerschaft spielt eine wichtige Rolle beim Schutz des Luchses, aber auch beim Monitoring und der Erforschung des Luchses. Aus diesem Grund richtet sich das Projekt in speziellen Schulungen auch an Jäger:innen aus den Kernlebensräumen des Luchses. Ziel ist es, die Akzeptanz zu fördern und den Wissenstransfer zu stärken. Begleitende Telemetrieprojekte in enger Abstimmung mit Jäger:innen und ein genetisches Monitoring sind ebenfalls Teil des Projektes und dienen dazu, den Projektfortschritt zu dokumentieren und die Entwicklung der Luchspopulation zu überwachen.

Lebensräume vernetzen

Durch die zunehmende Zerschneidung ehemals großer Waldgebiete und ihrer Verbindungselemente, den so genannten Wildtierkorridoren, gewinnen in Mitteleuropa intakte Wanderkorridore für unsere wandernden Wildtierarten wie Wolf, Wildkatze, Luchs, aber auch Rothirsch und Gams immer mehr an Bedeutung. Um diese Korridore langfristig schützen zu können, muss man zunächst wissen, welche Wege von den Wildtieren tatsächlich genutzt werden. Auch dazu soll das Projekt beitragen.

Mit all diesen Maßnahmen will der WWF dabei helfen, dass der Luchs in Baden-Württemberg wieder eine dauerhafte Heimat findet.

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