Der gerade erschienene Waldzustandsbericht zeigt einmal mehr: Den Wäldern geht es nicht gut. Vier von fünf Bäumen sind krank. Dürren, Waldbrände und Borkenkäfer machen ihnen zu schaffen. Ein Schlüssel für einen gesünderen Wald liegt auch im neuen Bundeswaldgesetz, das aktuell im Bundestag vorbereitet wird. Doch nicht nur die Gesundheit des Waldes ist in der neuen Version ein Thema.

Natur entdecken mit Kindern © Jupiterimages / Getty Images / WWF
Natur entdecken mit Kindern © Jupiterimages / Getty Images / WWF

Ausflugsziel, Abenteuerspielplatz, Pilzrevier, Erholungsgebiet, Sehnsuchtsort … Für die meisten Menschen in Deutschland ist der Wald spätestens seit der Romantik des 19. Jahrhunderts mehr als nur eine Ansammlung von vielen Bäumen.

Das Bundeswaldgesetz von 1975 garantiert das Recht, den Wald zu betreten, unabhängig davon, wem er gehört. Zuvor gab es Regelungen zur Teilhabe am Walderlebnis schon auf regionaler Ebene. So begründete der Berliner Dauerwaldvertrag von 1915 – gewissermaßen der erste große Erfolg der Naturschutzbewegung in Deutschland – die Verpflichtung zum Erhalt der Berliner Wälder ausdrücklich mit den Erholungsbedürfnissen der Bevölkerung. Und die bayerische Landesverfassung von 1946 gestattet in Artikel 141 jedermann den „Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere das Betreten von Wald“.

Das allgemeine Betretungsrecht ist nicht der einzige Inhalt des 1975 in Kraft getretenen und bis heute gültigen Bundeswaldgesetzes. Zunächst einmal definiert es, was Wald überhaupt ist („jede mit Forstpflanzen bestückte Grundfläche“ inklusive Lichtungen, kahlgeschlagener Flächen, Waldwege und Holzlagerflächen) und was nicht (Obstplantagen, Baumschulen, Alleebäume, schmale Streifen entlang von Schienenwegen und sogenannte Kurzumtriebsplantagen auf landwirtschaftlichen Flächen, auf denen Bäume weniger als 20 Jahre stehen).

Grundsätzlich stellt das Bundeswaldgesetz Forstflächen unter einen gewissen Schutz: Wenn Waldbesitzer:innen Forste in anderweitig genutzte Flächen (zum Beispiel Bauland) umwandeln wollen, dürfen sie das nur mit Genehmigung der Behörden tun. Und wenn sie Waldflächen kahlschlagen, müssen sie sich um eine Wiederaufforstung kümmern. Allzu sehr ins Detail geht das Gesetz jedoch nicht, denn als Rahmengesetz überlässt es die konkrete Ausgestaltung den Waldgesetzen auf Landesebene.

Vom Holzlieferanten zum Ökosystemdienstleister

Vom Borkenkäfer geschädigter Wald in Deutschland © gettyImages
Von Trockenheit und Borkenkäfern zerstörter Wald © Getty Images

Ein halbes Jahrhundert nach seinem Inkrafttreten hat das Bundeswaldgesetz großen Erneuerungsbedarf, denn die großen Herausforderungen unserer Zeit hat es nicht auf dem Schirm. Wie auch? Es stammt aus einer Zeit, als das Artensterben und die globale Erhitzung kaum oder gar nicht bekannt waren.

Heute sind die Wälder nicht nur in Deutschland im schlechtesten Zustand, seit man in den 1980er Jahren begann, diesen systematisch zu erheben. Nur jeder fünfte Baum hat keine sichtbaren Schäden. Die Dürren der letzten Jahre haben ihnen sichtlich zugesetzt, die gestressten Bäume sind anfällig für Schädlings- und Pilzbefall und können Stürmen schlechter standhalten. Gleichzeitig wird immer deutlicher, wie immens wichtig intakte Wälder und ihre Ökosystemdienstleistungen sind: für den Wasserhaushalt, als Treibhausgassenke, zur Kühlung in den immer häufiger auftretenden Hitzephasen, als Filter für Schadstoffe in Luft und Wasser und nicht zuletzt als ein Ort, an dem unzählige Tier-, Pflanzen- und Pilzarten vorkommen – oder zumindest vorkommen könnten oder sollten.

Deshalb ist es zu begrüßen, dass die Ampel ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlöst und eine Novellierung des Waldgesetzes vorlegt. Aber ist diese auch zeit- und problemgemäß? Einige Punkte aus dem bislang bekannten Entwurf stimmen hoffnungsvoll. Erstmals steht nicht mehr die Holzproduktion im Vordergrund, sondern die Gesamtheit der Ökosystemdienstleistungen der Wälder. Um die Wälder widerstandsfähiger gegen die Erderwärmung zu machen, sollen vorwiegend heimische Baumarten zum Einsatz kommen. Strengere Regeln sind für den Einsatz von schwerem Gerät vorgesehen, und ab einer Fläche von 100 Hektar sollen Waldbesitzer:innen Managementpläne für ihre Forstflächen aufstellen. Bei Regelverstößen sollen Sanktionen drohen.

Buchenwald © Michael Gunther / WWF
Buchenwald © Michael Gunther / WWF

Wald in Zahlen

Ohne menschlichen Einfluss wären gut 95 Prozent der Fläche in Deutschland mit Wald bedeckt, tatsächlich sind es nur rund ein Drittel.

Unter natürlichen Bedingungen handelte es sich bei rund 90 Prozent der Waldfläche um Laubwald, darunter zwei Drittel Buchenwälder. Nadelbäume kämen in den Bergwäldern und an besonders trockenen, sandigen Standorten vor, etwa auf Dünen. Tatsächlich verteilen sich die 10,8 Millionen Hektar Waldfläche allerdings im Wesentlichen auf Fichte (2,8 Millionen Hektar), Kiefer (2,4 Millionen Hektar) und restliche Nadelbäume (0,7 Millionen Hektar) sowie auf Buche (1,7 Millionen Hektar), Eiche (1,1 Millionen Hektar) und restliche Laubbäume (1,3 Millionen Hektar).

Größte Waldbesitzerin in Deutschland ist die öffentliche Hand. 29 Prozent der Waldfläche gehören den Landesforsten, 19 Prozent den Kommunen (Körperschaftswald) und vier Prozent dem Bund. 48 Prozent sind Privatwald. Davon gehört wiederum die Hälfte privaten Waldbesitzer:innen, die weniger als 20 Hektar ihr Eigen nennen können.

Ein „Weiterso“ ist keine Option

Harvester im Wald © Bjoern Bartsch / iStock / Getty Images
Harvester im Wald © Bjoern Bartsch / iStock / Getty Images

Nicht allen Privatwaldbesitzer:innen gefällt das. Ihre Lobbyvertreter:innen klagen über Bürokratie, Planwirtschaft, Gängelung, manche wähnen sich gar einer Enteignung nahe. Kurz gesagt: Sie wollen nicht, dass ihnen irgendjemand ins Business hineinredet. Aber kann ein „Weiterso“ eine ernsthafte Option sein?

Die Schwierigkeiten, in denen der Wald heute steckt, haben nicht ausschließlich mit Extremwetterereignissen wie Dürre und Stürmen zu tun. Sie sind auch hausgemacht – Folge einer nur auf die Holzproduktion ausgerichteten Wirtschaftsweise, die auf Nadelholzdominanz, Kahlschlägen und intensivem Maschineneinsatz mit der dazugehörigen Bodenzerstörung und -verdichtung fußt.

Hat die Gesellschaft, vertreten durch das Parlament, etwa nicht das Recht, über die Rahmenbedingungen zu entscheiden, die für ein Drittel der gesamten Landesfläche gelten? Soll die Zukunft der Wälder etwa nicht gesetzlich gesichert werden – und damit auch ihr Beitrag zum Klima- und Biodiversitätsschutz und ihre Ökosystemleistungen wie etwa der Trinkwasserschutz?

Wie die ideale Waldbewirtschaftung genau aussieht, hat der WWF zusammen mit dem Deutschen Naturschutzring (DNR), der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem Naturschutzbund (NABU) in einer Schattennovelle formuliert, die dem in Sachen Bundeswaldgesetz federführenden Landwirtschaftsministerium als Blaupause dienen könnte. Notgedrungen ist der Gesetzesvorschlag der Naturschutzverbände deutlich ausführlicher als das alte Bundeswaldgesetz. Denn statt mit weitestgehend unbestimmten und wirkungslosen Begriffen wie etwa der „ordnungsgemäßen Forstwirtschaft“ zu hantieren, muss das neue Gesetz eindeutig festlegen, was zukünftiges Waldmanagement ausmachen muss. Es muss ökologische Mindeststandards setzen, Zuständigkeiten klären und auch Sanktionen für regelwidrige Bewirtschaftung einführen damit mögliche Schäden für unsere Gesellschaft ausgeschlossen werden können.

„Im Zentrum des neuen Gesetzes muss der Erhalt des Waldes stehen, damit er auch langfristig all die für uns lebensnotwendigen Funktionen übernehmen kann. Hierfür brauchen wir bundeseinheitliche gesetzliche Vorgaben für eine naturnahe Waldbewirtschaftung.“

Susanne Winter, Programmleiterin Wald beim WWF Deutschland

Klare Regeln statt Laissez-faire

Totholz mit Baumpilz im Nationalpark Hainich © Thomas Stephan / WWF
Totholz mit Baumpilz im Nationalpark Hainich © Thomas Stephan / WWF

Mit dieser Ausrichtung wendet sich die Schattennovelle der Verbände keineswegs gegen die Holzwirtschaft. Ganz im Gegenteil, nur mit einem entschiedenen Umsteuern können Wald und Holznutzung auch für kommende Generationen gesichert werden.

Dazu WWF-Waldexpertin Susanne Winter: „Wir müssen uns dringend von der überkommenen Nachhaltigkeitsdefinition lösen, nach der man so viel Holz entnehmen kann, wie gleichzeitig nachwächst. Das funktioniert nicht, weil dann das Waldökosystem geschwächt wird, der Nährstoffkreislauf gestört, der Zuwachs der Bäume verringert, und kein Totholz mehr für Humusaufbau und Biodiversität übrigbleibt. Nachhaltig ist vielmehr, wenn die Hälfte des Zuwachses im Wald verbleibt“.

Die Schattennovelle untersagt jede Form von Kahlschlag, auch den sogenannten Sanitätshieb gegen kranke oder tote Bäume. Wenn Forstflächen geschädigt sind, soll immer ein großer Teil des Totholzes an Ort und Stelle bleiben. Das sichert nicht nur den Humus für den Waldboden, sondern spendet nachkommenden Sprösslingen den Schatten und die Nährstoffe, ohne die sie nicht recht gedeihen können.

Dort, wo die Naturverjüngung nicht baumartenreich genug entsteht, sollen sich die Forstleute beim Pflanzen auf heimische Laubbaumarten wie beispielsweise Stiel- und Traubeneiche, Berg- und Spitzahorn, Roterle und Lindenarten konzentrieren.

Förderung nur für besondere Naturnähe

Auch wenn eine im zeitgemäßen Sinne nachhaltige Holzwirtschaft langfristig die Erträge sichert, so kann sie sie in der nahen Zukunft lokal schmälern. Kaum verwunderlich, dass wieder die allgemeinen Rufe nach finanzieller Förderung laut werden.

Der WWF setzt sich dafür ein, dass staatliche Förderung nur bei besonders naturnaher Bewirtschaftung fließt. Das derzeitig geltende Bundeswaldgesetz oder den niedrigsten Zertifizierungsstandard einzuhalten, darf nicht ausreichen. Kostenlos soll es dagegen Fortbildungen für Waldbesitzer:innen geben, vor allem für die vielen Privatleute, die kleinste Flächen besitzen und sie nur schwerlich bewirtschaften können.

Das Betretungsrecht der Wälder steht selbstverständlich im Gesetzesentwurf von WWF, DNR, DUH und NABU. Aber anders als der geleakte Entwurf des Landwirtschaftsministeriums gibt unsere Schattennovelle den Ländern nur wenig Möglichkeiten, das Betreten des Waldes einzuschränken.

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