Im Grunde geht es schlicht um Konkurrenz. Hamburg, Niedersachsen und Bremen buhlen zugunsten ihrer eigenen Häfen, eine Folge des Förderalismus. Jedes der Länder agiert allein und will dabei den größtmöglichen Wirtschaftsanteil für sich beanspruchen. Die Kosten dafür trägt der Bund, nicht die Länder. Dass es denen keinesfalls immer um die effizienteste Lösung für Gesamtdeutschland geht, liegt auf der Hand. Konkret heißt das: Wilhelmshafen, Bremerhaven und Hamburg konkurrieren um die gleichen Containerschiffe. Mit dem Ausbau der Elbe will die Hansestadt Riesenfrachter abgreifen und verspricht sich dabei vor allem Umsatzsteigerungen für die Reedereien. Der Hafenentwicklungsplan sieht vor, den Containerumschlag bis zum Jahr 2025 fast zu verdreifachen.
Frau Claus, seit Jahren schon rechtfertigt die Hamburg Port Authority die geplante Elbvertiefung mit notwendiger Wirtschaftlichkeit des Standorts Hamburg. 146.000 Arbeitsplätze stünden insgesamt auf dem Spiel. Hamburgs Wirtschaft gehe baden, würde die Elbe nicht vertieft. Was ist dran an den Behauptungen?
Wir gehen davon aus, dass diese Zahlen nicht stimmen. Unsere Prüfung hat gezeigt, dass es sich beim überwiegenden Teil der erwähnten Arbeitsplätze beispielsweise um Jobs aus Logistikunternehmen im Hamburger Hafen handelt. Mit der Elbvertiefung hätten diese direkt aber nichts zu tun. Auch die Zukunft des Hamburger Hafens wäre keineswegs gefährdet. Schon heute laufen die größten Containerschiffe der Welt die Hansestadt an. Der Hafen boomt, das zeigen die Zahlen. Im Jahr 2011 verzeichnete er einen Umschlag von 132,2 Millionen Tonnen und damit ein Plus von 9,1 Prozent. Dabei wurden etwa neun Millionen Standardcontainer umgeschlagen. Das bedeutet 14,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Das ist das stärkste absolute Wachstum im Containerumschlag unter allen nordeuropäischen Häfen. Hamburg gilt heute schon als zweitgrößter Containerhafen in Europa, gleich hinter Rotterdam. Und er wird weiterwachsen, auch ohne Elbvertiefung. Denn schließlich steigt das globale Umschlagsvolumen permanent.
Weshalb dann überhaupt die Vertiefungspläne?
Es geht also nur ums schnelle Geld.
Richtig! Dabei wäre die Vertiefung der Fahrrinne nur ein Punkt von acht weiteren, die einen Hafen als Standort interessant machen. Viel stärker als ein zusätzlicher Meter Tiefe zählen schneller Umschlag, guter Service und günstige Preise. Und dabei hat Hamburg ohnehin schon ein sehr hohes Ranking. Die Folgen des ruinösen Wettbewerbs zwischen den Ländern dagegen wären fatal: Ökologisch wertvoller Lebensraum wird vernichtet und Steuergelder verschwendet. Schätzungsweise 600 Millionen Euro würde die gesamte Elbvertiefung verschlingen. Ein Drittel der Kosten müssten allein die Bürger Hamburgs aufbringen.
Gibt es eine Alternative zur Kleinstaaterei?
Und ob. Unsere Antwort lautet Kooperation statt Konkurrenz. Die deutschen Seehäfen müssen sich arbeitsteilig zusammentun. Mit dem neuen JadeWeserPort in Wilhelmshaven verfügt Deutschland demnächst über einen Tiefwasserhafen. Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 16 Metern können dort problemlos abgefertigt werden. Für Bremerhaven ist die Weser bereits vertieft. In Hamburg boomt der Containerumschlag. Zudem liegt der Hafen optimal schon weit im Landesinneren. Fast 90 Prozent aller Frachter steuern ihn heute längst an. Was wir brauchen, ist ein nationales Seehafenkonzept für eine tiefenabhängige Arbeitsteilung. Die weltgrößten Containerschiffe könnten dann beispielsweise zuerst den JadeWeserPort anfahren. Der Teil der Ladung für Osteuropa würde auf kleinere Schiffe verladen und tritt von da auf direktem Wege die Reise an, statt den langen Umweg über Hamburg auf Elbe und Nord-Ostsee-Kanal in Kauf nehmen zu müssen. Das spart Zeit und Geld.
Weshalb klagen die Verbände?
Das Vorhaben hinterließe bleibende Schäden an der Natur. Zudem verstößt es gegen europäisches Naturschutzgesetz, denn die gesamte Flussmündung der Elbe steht unter europäischem Schutz. Alternativen zum Ausbau sind aus unserer Sicht nicht ausreichend geprüft und die tatsächliche Beeinträchtigung der Elbe weit unterschätzt worden. Das zeigt uns die Erfahrung. Wir haben bereits die letzte Elbvertiefung im Jahr 1998 begleitet und im Nachgang festgestellt, dass die Auswirkungen auf die Umwelt viel schlimmer waren als zuvor von den Behörden prognostiziert. Wir gehen heute davon aus, dass der Effekt auf Strömungsgeschwindigkeit und Wasserstand nach dem Ausbaggern doppelt so hoch sein wird als bislang im Antrag angenommen. Uferbereiche könnten demzufolge stärkeren Schaden nehmen, mehr Flachwasserbereiche würden trockenfallen und die Elbe künftig noch schlimmer verschlicken. Die Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht ist für uns das letzte Instrument, um Landesregierungen und Behörden zum Einlenken zu bewegen und die Interessen der Natur durchzusetzen. Denn was derzeit an der Elbe geschieht, findet bundesweit an allen großen Flüssen statt – europäisches Naturschutzgesetz wird unterlaufen.
Was wollen Sie gemeinsam mit BUND und NABU erreichen?
Die geplante Elbvertiefung verhindern! Mit der Klage wollen wir erzwingen, dass die beteiligten Bundesländer ökologisch vertretbare Alternative suchen, statt zu baggern. Schifffahrt muss funktionieren auch ohne die biologische Vielfalt zu zerstören. Bis vor der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes im Jahre 2010 gab es gesetzlich keine Möglichkeit gegen den Ausbau deutscher Bundeswasserstraßen zu klagen. Bei der letzten Elbvertiefung konnten wir uns daher juristisch nicht wehren. Jetzt machen wir von diesem Mittel Gebrauch. Denn aus unserer Sicht werden bei solchen Projekten die Belange der Natur nicht ausreichend berücksichtigt. Wenn die Elbe wie geplant vertieft wird, geht wieder ein Stück Natur verloren gehen. Das hoffen wir, auch dem Gericht klar machen zu können. Wir fordern, künftig neue Umweltmaßstäbe bei solchen Bauvorhaben zu setzen. Wer 600 Millionen Euro für die Vertiefung ausgibt, sollte 300 Millionen drauflegen, um das auch naturschutzgerecht zu tun. Und wir wollen nationale Hafenkonzepte, die wegführen von föderalistischer Kleinstaaterei. Sind wir mit unserer Klage erfolgreich, muss sich die Politik bewegen.