Inge Massow hat eine ganz besondere Beziehung zur Elbe, denn sie hat den Fluss direkt vor der Haustüre. Gerade einmal 20 Meter sind es bis zum Deich. „Das ist wunderschön und prima und klasse, und wie oft gehen wir auf den Deich und gucken“, schwärmt die 56-jährige. Doch dann wird sie ernst: „Aber auch die Gefährdung durch die Elbe ist uns auf jeden Fall bewusst. Bei einer Vertiefung wird die Elbe doch noch schneller und noch gefährlicher. Wie lange hält der Deich das wohl noch aus?“
Inge Massow liebt ihre Heimat und möchte, dass auch ihre Enkel noch im Haus aus Familienbesitz aufwachsen können. Die 56jährige ist hier geboren, genau wie ihr Vater und einige Generationen davor, das Haus stammt etwa aus dem Jahr 1850. Heute fahren nur 200 Meter entfernt die ganz großen Containerschiffe vorbei, so dicht liegt das Anwesen an der Fahrrinne.
„Je schneller die Elbe wird und je größer die Belastung durch große Schiffe, desto gefährdeter ist der Deich. Große Schiffe verdrängen viel Wasser, bringen viel Wasser in Bewegung. Dadurch ist natürlich die Belastung der Uferbefestigung jedes Mal größer. Ich habe Angst, dass der Untergrund unterm Deich weggerissen wird und dass der Deich zusammenbricht.“
Wenn der Deich wirklich bräche, bliebe von Inge Massows Haus nichts übrig. Das Problem hier ist vor allem der teils weiche, moorige Untergrund, auf welchem der Deich steht. Mit Schrecken erinnert sich die Elbanwohnerin an die große Sturmflut von 1962. Damals war sie noch ein Kind und floh mit Mutter und Geschwistern nach Stade, um sich vor einem drohenden Deichbruch zu retten. Damals hat der Deich vor ihrem Haus gehalten, doch mit jedem Eingriff in das Flusssystem Elbe wächst die Gefahr.
„Die Auswirkungen der letzten Elbvertiefung haben wir sehr wohl festgestellt! Früher, wenn wir drei Tage Nordwestwind hatten, dann haben wir schon mal geguckt, ob das Wasser hinterm Deich steht. Heute reichen manchmal schon drei Stunden Nordwestwind aus, und das Wasser ist am Deich! Es passiert sehr viel schneller, das Wasser ist sehr viel schneller da, es ist wirklich unglaublich. Die Fließgeschwindigkeit hat sich gewaltig erhöht.“
Um immer genau informiert zu sein und mitreden zu können, ist Inge Massow im Deichverband aktiv als Deichgeschworene. Doch durch den weichen Untergrund und fehlenden Platz lässt sich der Deich nicht beliebig verstärken. Die Menschen hier hinterm Deich machen sich große Sorgen, dass er dem Druck irgendwann nicht mehr gewachsen sein wird. Deichsicherheit, das ist Inge Massows oberstes Ziel und wichtigstes Argument gegen eine weitere Elbvertiefung.
Die Gründe aus Hamburg FÜR die Vertiefung können da gar nicht schwer genug wiegen: „Diese blöde Argumentation über die Arbeitsplätze in Hamburg, das ärgert mich so! Da haben wir ja schon ganz andere Erfahrungen gemacht: Beim Ausbau von Airbus damals hier im Alten Land wurden zu Anfang auch 8000 neue Arbeitsplätze versprochen. Dann wurden es immer weniger, und nachher, als sie die Startbahn eingeweiht haben, haben sie gerade mal hundert neue Arbeitsplätze gefeiert.
Durch die Gefährdung des Obstbaus oder des Tourismus stehen auch hier Arbeitsplätze auf dem Spiel! Außerdem sind die Folgekosten überhaupt nicht zu übersehen. Um die Fahrrinne so zu halten, haben sie jetzt schon allergrößte Probleme. Die baggern schon jedes Jahr für 100 Millionen. Und mit jeder Elbvertiefung wird der Unterhaltungsaufwand größer. Die Folgekosten muss der Steuerzahler begleichen. Wer sonst? Die Reedereien zahlen's nicht!“
- WWF-Info: Die Kraft des Wasser lässt Uferzonen bröckeln