Zwei Bären im Tigerschutzprojekt zu retten, klingt zunächst vielleicht außergewöhnlich. Tatsächlich gibt es jedoch Beziehungen zwischen beiden Tierarten. Bären dienen Tigern gelegentlich als Beute. Erstere plündern ihrerseits wiederum zurückgelassene Reste der Tigermahlzeiten – so beobachtete ein Projektmitarbeiter im Mae Wong-Nationalpark, wie ein Bär sich über den Kadaver eines Sambar-Hirsches hermachte, der von einem Tiger erbeutet worden war.
Im Zuge eines WWF-Projektes zum Tigerschutz im Mae Wong-Nationalpark wurden unverhofft zwei junge Bären gerettet! Als das Tigerteam dort im Wald zwei offensichtlich verwaiste Kragenbärenjunge fand, zögerte es nicht, sich ihrer anzunehmen, sie aufzuziehen und schließlich wieder auszuwildern – ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung einer weiteren gefährdeten Art.
Als Angestellte des thailändischen Mae Wong-Nationalparks zwei kleine, auf sich allein gestellte Kragenbären fanden, war eines klar: Ohne den Schutz ihrer Mutter würden die rund drei Monate alten Jungen, vermutlich Schwester und Bruder, in der Wildnis nicht lang überleben.
Bei den Mitarbeiter:innen des WWF-Tigerschutzteams war schnell die Idee geboren, die bedrohten Bärenkinder aufzunehmen und so aufzuziehen, dass sie zum gegebenen Zeitpunkt wieder frei gelassen und in der Wildnis überlebensfähig sein können. Schließlich spielen Bären eine wichtige ökologische Rolle in tropischen Wäldern: Auf ihrem Speiseplan im westlichem Waldkomplex Thailands stehen die Früchte von knapp 100 Baumarten, deren Samen sie auf ihren Streifzügen wieder verteilen.
Tiger und Bären haben Kontakt
„Die Rettung der Bärenjungen war möglich, weil wir finanzielle Mittel aus dem Tigerprojekt verwenden konnten. Bei langfristigen Feldprojekten kann es vorkommen, dass sich unerwartete Gelegenheiten ergeben. Deshalb ist es großartig, so flexibel zu sein und etwas Unvorhergesehenes wie die Bärenauswilderung durchführen zu können.“
Erste Auswilderung von Bären in Thailand
Neben der Rettung der beiden Geschwister bot das unerwartete Projekt die einmalige Chance, mehr über ihre Art und die Bärenauswilderung zu lernen. Denn bisher gibt es in ganz Asien kaum Erfahrungen mit der Rückführung von Bären in die Wildnis.
Das WWF-Projekt war das erste Vorhaben dieser Art in Thailand. Ziel war es, die Bären möglichst gestärkt und gut vorbereitet in die Wildnis zu entlassen, sie sollten sich selbst versorgen und gegen Feinde wehren können.
Über einen Zeitraum von rund einem Jahr wuchsen die Kragenbären in einem ausgesuchten, abgelegenen Gehege im Mae Wong-Nationalpark heran. Pfleger:innen übernahmen währenddessen die Aufgaben der Bärenmutter. Sie unternahmen mit ihnen regelmäßig Ausflüge in den Wald und zeigten ihnen Futterquellen, bis sich die Bären nach und nach selbständig in neue Gefilde vorwagten, außerhalb des Geheges in Bäumen übernachteten und schließlich im zwölften Monat nicht zurückkehrten.
Rund zehn Wochen später entdeckten Ranger:innen die beiden Bären quicklebendig im weiteren Umfeld. Sie fraßen in der Krone eines Baumes Früchte.
Wenig Menschenkontakt für Eigenständigkeit der Bären
Besonderes Augenmerk legten die Projektbeteiligten darauf, eine Gewöhnung an den Menschen zu vermeiden und so spätere Konflikte zwischen Mensch und Tier zu verhindern.
Die Pfleger:innen verzichteten deshalb beispielsweise auf Körperkontakt zu den Kragenbären und unnötige Kommunikation. Sie sprachen nicht mit ihren Schützlingen, sondern interagierten mithilfe von Pfeifen. Durch zusätzliche Nahrung indes – Milch und Hundetrockenfutter sowie Obst und Gemüse – entwickelten sich die pelzigen Allesfresser schneller als in der Wildnis und konnten früher eigene Wege gehen. Zum Vergleich: In der freien Wildbahn bleiben junge Kragenbären rund zwei Jahre lang bei ihrer Mutter. Im WWF-Projekt verließen sie ihre Kinderstube bereits im Alter von etwa 16 Monaten.
Wichtige Erkenntnisse durch die Bärenauswilderung
Der WWF hat die Auswilderung der beiden Kragenbären wissenschaftlich dokumentiert. Ein Bericht über die gemachten Erfahrungen und daraus gezogenen Lehren ist Ende Mai 2021 im Journal of Threatened Taxa erschienen.
Die Projektbeteiligten berichten darin von relevanten Beobachtungen: So fraßen beide Schützlinge Pflanzen, die bisher nicht als Nahrung von Kragenbären bekannt waren, darunter Bambussprossen und Stiele wie Blätter von wildem Ingwer. Auch legen die Ergebnisse des Projekts nahe, dass nicht zwingend derart viele geführte Waldausflüge mit den Bären stattfinden müssen, wie in vorherigen Studien durchgeführt – zumindest, wenn mehrere Tiere gemeinsam ausgewildert werden.
So hat das WWF-Bärenprojekt nicht nur zwei Kragenbären eine aussichtsreichere Zukunft geschenkt, sondern trägt langfristig zum Wohlergehen, zum Schutz und zur besseren Auswilderung ihrer Artgenoss:innen bei.
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