Aufmerksame Ranger:innen des Mae Wong-Nationalparks kamen einer Tigerin 2021 auf die Spur. Bei einer Patrouille fanden die Wildhüter:innen den Kadaver eines Sambar-Hirsches. Den Spuren in der Umgebung zufolge wurde das tote Tier bis zu 100 Meter weit durch das Dickicht geschleift. Ein Vorgehen, das die Ranger:innen schnell auf einen Tiger schließen ließ. Um ihren Verdacht zu bestätigen, installierten die Ranger:innen in der Nähe des Kadavers eine Kamerafalle – und warteten.
Ihre Heimat ist der dichte Dschungel, hier sind sie perfekt getarnt und leben in aller Abgeschiedenheit – und doch sind sie gefährdet: Tiger. Die Wälder Thailands, vor allem aber die Nationalparks, sind die letzten Hochburgen wild lebender Tiger in Südostasien. Deshalb werden die Tiger und ihr Lebensraum geschützt. Offenbar mit Erfolg.
Die Kamerafalle bestätigt: eine neue Tigerin
Zwei Tage später werteten die Wildhüter:innen zusammen mit Mitarbeiter:innen des WWF Thailand die Videoaufnahmen der Kamerafalle aus. Sie hatten wirklich recht: Auf den Aufnahmen ist ein Tiger zu sehen! Um das Tier zu identifizieren und zu prüfen, ob es sich um ein bereits bekanntes Tier handelt, wurden die Bilder mit der Datenbank der Khao Nang Ram Wildlife Research Station abgeglichen. Dazu verglichen die Mitarbeiter:innen die Aufnahmen mit denen bekannter Tiere. Die Streifen der Tiger sind so individuell wie ein menschlicher Fingerabdruck – so können Tiger zweifelsfrei identifiziert werden.
Das Ergebnis: Es handelt sich um ein im Mae Wong-Nationalpark bisher unbekanntes Tiger-Weibchen, das aus dem Huai Kha Khaeng Wildlife Sanctuary in den Mae Wong-Nationalpark eingewandert war. Beide Gebiete gehören zu Thailands Westlichem Waldkomplex, der Kernstück der Tiger-Schutzbemühungen des Department of National Parks, Wildlife and Plant Conservation (DNP) ist. Großartige Neuigkeiten, die 2021 Hoffung machten, dass die Tigerin den Grundstein für Tigernachwuchs in der Region legen könnte.
„Die Tatsache, dass ein Tiger aus einem anderen Gebiet eingewandert ist, ist ein Beweis dafür, dass der Mae Wong-Nationalpark reich an Biodiversität und Thailand damit das Land der Hoffnung für den Erhalt des Tigers in dieser Region ist.“
Wunderbare Neuigkeiten aus den Kamerafallen im Mae-Wong-Nationalpark
Die im dichten Regenwald verborgenen Kamerafallen dokumentieren den Erfolg der seit zehn Jahren laufenden Naturschutzarbeit mit dem Ziel freilebende Tiger und ihre Beutetiere zurückkehren zu lassen. Tigerschutz ist erfolgreich, wenn alle Beteiligten - Naturschutzbehörde, Gemeinden, Lokalregierungen und Naturschutzorganisationen wie der WWF - eng und gut zusammenarbeiten.
Insgesamt wurden 14 Tiger sowie Banteng-Rinder, Sambar-Hirsche, Wildschweine, Muntjak-Rehe und Elefanten gesichtet. All das gibt Anlass für Zuversicht. Muntjak-Rehe, die auf der Roten Liste bedrohter Arten stehen, finden Lebensraum in Mae Wong. Bantengs, die über 40 Jahre aus den Nationalpark verschwunden waren, sind zurückgekehrt und die Artenvielfalt damit wieder ein Stück gewachsen.
Neramit Songsaeng, Leiter des Nationalparks, bestätigt, dass die aktuellen Zahlen ein Zeichen für eine wachsende Tigerpopulation sind. Dazu beigetragen haben die Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung, die Auswilderung von Beutetieren, erfolgreiche Anti-Wilderei-Maßnahmen und der Einsatz von technischen Hilfsmitteln wie Kamerafallen, die die Naturschutzarbeit noch zielgenauer werden lässt.
Tigerschutz in Südostasien
In den letzten 25 Jahren sind Tiger in Kambodscha, Laos und Vietnam ausgestorben. Auch in Malaysia und Myanmar sind die Zahlen rückläufig. Im Gegensatz zu den erfolgreichen Ländern Indien, Nepal und Russland, wo die Tigerzahlen kontinuierlich steigen, leiden die Tiger in Südostasien weiterhin stark unter Bedrohungen wie Schlingfallen-Wilderei, illegalem Handel mit Tigerteilen und Lebensraumverlust. Einziger Hoffnungsschimmer für die Tigerpopulationen in Südostasien ist Thailand.
Schutzbemühungen zahlen sich aus
Seit 2012 arbeitet der WWF Thailand zusammen mit dem DNP an der Erforschung und dem Schutz des Tigers in den Mae Wong Khlong Lan-Nationalparks. Zuletzt haben sie sich dafür eingesetzt, dass es genug Beutetiere für Tiger gibt. Das aktuelle Kamerafallenmaterial ist ein weiterer Beweis dafür, wie wichtig es ist, einerseits die Landschaft und damit den Lebensraum der Tiger weiterhin zu schützen und andererseits auch den Lebensraum für Beutetiere zu verbessern, damit die Tiger Nahrung finden können.
Gute Bedingungen für Tiger in Thailand
Die Sichtung zeigt „das Potenzial für den Erhalt des Tigers in Thailand. Sie zeigt, dass sich Tiger unter den richtigen Bedingungen erholen können“, freut sich Dr. Rungnapa Phoonjampa, Direktorin des Tigerschutzprogramms beim WWF Thailand.
Und so ist auch die Hoffnung der Ranger:innen und WWF-Mitarbeiter:innen, dass die Tigerin in ihrem neuen Einzugsgebiet irgendwann einen Partner finden, Nachwuchs gebären und so zum Erhalt der Tigerpopulation in Südostasien beitragen wird.
Award für Frauen in der Tigerwissenschaft
Dr. Rungnapa Phoonojampa hat im April 2023 den renommierten Dr. Rimington Award erhalten. Die Ausschreibung des Preises lief unter dem Motto „Frauen in der Tigerwissenschaft“.
Rung setzt sich seit über 20 Jahren für den Schutz der thailändischen Tierwelt ein. Sie leitet dieses Tigerschutzprojekt als eines der am längsten laufenden in Südostasien.
Rungs Kolleg:innen sehen sie als Wegbereiterin. Ihre wissenschaftliche Forschung und Monitoring hat zu den ersten Erkenntnissen über die Biologie des Tigers und die Erholung seiner Beutetiere in Thailand beigetragen.
Rungs Leidenschaft für die Tierwelt geht einher mit ihrem Engagement für die Menschen. Sie leitet erfolgreich eine 12-jährige Initiative zur Ausbildung und Ausrüstung von Parkranger:innen, zur Aufklärung und Bewusstseinsbildung der Öffentlichkeit und zum wissenschaftlichen Monitoring des Zustands von Tigern und ihren Beutetieren in Thailand.
Unter ihrer Leitung hat sich die Wirkung dieser Initiative deutlich erhöht: Die Wilderei ist zurückgegangen und die Populationen von Tigern und ihren Beutetieren haben sich entweder stabilisiert oder nehmen in bestimmten Gebieten sogar zu.
Nach ihrem durchschnittlicher Arbeitstag gefragt, sagt Rung: "Es ist eine Kombination aus Büro- und Feldarbeit. Tatsächlich ziehe ich die Feldarbeit dem Papierkram vor. Die Arbeit im Feld macht mehr Spaß und ist friedlicher, und sie ermöglicht es mir, der Natur und der Tierwelt nahe zu sein. Das motiviert mich."
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