Nicht einmal zehn Kilometer von den dichten Wäldern an der Grenze von Thailand und Myanmar entfernt steht zwischen Reihen von Mangobäumen ein kleiner, einfacher Schuppen. Seine Wände sind aus Stroh, das Dach und die Tür sind aus Blech. Sein Inneres bietet gerade genug Platz für eine dünne Matratze. Wie in vielen Nächten wird Pornpimol Chantorn heute hier schlafen. Denn sie will die Früchte ihrer Arbeit vor den grauen Riesen schützen, mit denen sie sich die Heimat teilt.
In Thailand an der Grenze zu Myanmar suchen Elefantenherden regelmäßig Felder und Dörfer heim. Sie gefährden die Menschen und ihre Nahrungsgrundlage. Deshalb werden die Menschen zur Gefahr für die Elefanten. Mit Technologie und Kreativität schützt der WWF die Bevölkerung und die Asiatischen Elefanten.
Kui Buri – Heimat der Elefanten
Pornpimol Chantorn lebt in der Nähe des Kui-Buri-Nationalparks, knapp 270 Kilometer südlich von Bangkok. Der Park und die Wälder um ihn herum beherbergen einige der größten verbliebenen Populationen wilder Elefanten in Südostasien.
Doch in den letzten Jahrzehnten ist der Lebensraum für Elefanten durch Infrastruktur, Siedlungsbau und Landwirtschaft stark geschrumpft. Menschen und Elefanten teilen sich immer häufiger dieselben Flächen, mit Nachteilen für beide Seiten.
Pornpimol Chantorn bleibt nur, auf Blech zu schlagen und möglichst viel Lärm zu machen, wenn Elefanten sich ihrem Feld nähern. Zu selten hilft das noch. Denn die schlauen Dickhäuter sind lernfähig und kennen den Trick bereits. „Man hat das Geld schon fast verdient und plötzlich ist alles weg“, beschreibt Pornpimol das Gefühl angesichts einer zerstörten, reifen Ernte.
Süße Verlockung Ananas
„Die Elefanten flößten uns große Angst ein“, erzählt Prachub Phuadtha, eine andere Landwirtin. Sie war als Kind in die Region gekommen, 1978, als die thailändische Regierung verarmten Dorfbewohner:innen Land zuwies, um Häuser zu bauen und Landwirtschaft zu betreiben.
Nach anfänglichen Versuchen mit Chilischoten und Gurken beschlossen Prachubs Eltern, Ananas zu pflanzen, um besser von der Landwirtschaft leben zu können. Da tauchten die Elefanten auf. Sie sahen keine Nutzpflanzen. Sie sahen nur Reihen saftiger Früchte, an denen sich ganze Elefantenfamilien laben konnten. Viel leichter zugänglich als ihre gewohnte Nahrung aus den Wäldern.
Elefanten töten verboten
Die Gemeindemitglieder versuchten, die Elefanten zu vertreiben, doch mit immer weniger Erfolg. 1999 eskalierte die Situation. Zwei Elefanten wurden vergiftet. Im selben Jahr verkündete die Regierung, dass landwirtschaftliche Nutzflächen renaturiert und zur Wiederherstellung von Lebensräumen für Wildtiere im Kui-Buri-Nationalpark genutzt werden sollen.
Heute ist die Provinz rund um das in Prachub Phuadthas Kindheit gegründete Dorf Ruam Thai gleichermaßen bekannt für ihre Monokulturen und Ananas-Plantagen wie für eine beeindruckend artenreiche Natur und wilde Wälder. Beides in unmittelbarer Nachbarschaft birgt enormes Konfliktpotential.
Doch hier werden erfolgreich Ansätze erprobt, wie ein friedliches Zusammenleben gelingen kann. 2005 begann der WWF Thailand gemeinsam mit dem Amt für Nationalparks, Wildtier- und Pflanzenschutz (DNP) und der lokalen Bevölkerung, die Lebensbedingungen von Wildtieren innerhalb des Nationalparks zu verbessern, damit Elefant und Co. auf der Suche nach Nahrung das Schutzgebiet nicht mehr verlassen müssen.
Futter und Wasser für die Elefanten
Täglich etwa 150 Kilogramm Pflanzen frisst ein Asiatischer Elefant. Wachsende Elefantenpopulationen bedeuten einen wachsenden Bedarf an Nahrung. Die Wildtiere müssen innerhalb des Nationalparks ausreichend Nahrung finden, um sich nicht an den Ernten der umliegenden Gemeinden zu bedienen.
Der WWF baut künstliche Salzlecken, pflanzt gemeinsam mit Freiwilligen aus den Gemeinden das ganze Jahr über unterschiedliche Grassorten, analysiert von den Tieren bevorzugte Pflanzennahrung und Standorte und legt Wassertränken an. Davon profitieren nachweislich nicht nur die Asiatischen Elefanten, sondern auch viele weitere Arten wie Sambar-Hirsche, Muntjacs oder der Gaur, das größte Rind der Erde. „Wir füllen sozusagen die Wildnis wieder auf“, sagt Susanne Gotthardt, Südostasien-Referentin beim WWF Deutschland.
Elefanten orten mit Drohnen
Der Kui-Buri-Nationalpark ist fast 100.000 Hektar groß, felsig, dicht bewachsen und schwer zugänglich. Das Dorf Ruam Thai liegt nur fünf Kilometer von seinem Rand entfernt. Fast jede Nacht kreisen Drohnen mit Wärmebildkameras über den Parkgrenzen und umliegenden Regionen. Entdecken die Ranger:innen Elefanten, die in Richtung der Felder wandern, machen sie sich sofort auf den Weg, um die Giganten lärmend in die Wälder zurückzudrängen.
Von großer Bedeutung sind außerdem Kamerafallen mit Bewegungsmeldern bei der Ortung der Elefanten. Wenn die Kameras ausgelöst werden, senden sie umgehend Bilder an das Überwachungszentrum und an die Mobiltelefone der beteiligten Ranger:innen: Ein gut funktionierendes Frühwarnsystem.
„Wir arbeiten mit mehreren Teams Tag und Nacht, weil wir nie wissen, wann die Elefanten wieder auftauchen werden“, erklärt der Leiter des Kui-Buri-Nationalparks, Attapong Pao-On. „Und wir machen das jeden Tag.“
„Unsere Einstellung und unsere Perspektive haben sich geändert.“
Perspektive für die Menschen
Was haben Zitronengras-Seifen mit Elefantenschutz zu tun? Sehr viel. Sie sind ein Beispiel für verschiedene neue Einkommen der lokalen Gemeinden, die besser im Einklang mit der Natur stehen als Land fressende Ananas-Plantagen. Die Seifenherstellung schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Zitronengras und andere ätherische Pflanzen rund um landwirtschaftliche Felder halten Elefanten fern.
Auch Unterkünfte und Dienstleistungen für Tourist:innen erzielen zusätzliche Einnahmen. Denn der Kui-Buri-Nationalpark ist mittlerweile berühmt dafür, hier Elefanten beobachten zu können. 2023 besuchten mehr als 23.000 Tourist:innen die Region. Durch sie wird der Schutz der Asiatischen Elefanten für die Menschen, die mit ihnen leben müssen, profitabel.
„Früher hassten die Gemeindemitglieder die Elefanten“, erzählt Prachub Phuadtha, die als Kind mit ihren Eltern nach Ruam Thai gezogen war. „Jetzt, mit dem Tourismus, wollen wir sie sehen und die Touristen sollen sie auch erleben. Unsere Einstellung und unsere Perspektive haben sich geändert.“ Der WWF unterstützt die Ausbildung von Elefanten-Guides aus den Gemeinden, um so weitere Einnahmequellen zu erschließen. Die Schulungsinhalte reichen von Englischkursen über das Verhalten von Wildtieren bis zur Wiederherstellung von Lebensräumen.
Friedliches Zusammenleben trotz größtem Konfliktpotential
Die Gemeinden vor Ort, die Zusammenarbeit mit ihnen und das gemeinsame Entwickeln kreativer, langfristiger Lösungen spielen heute die entscheidende Rolle beim Schutz von Elefanten und anderer bedrohter Arten in Südostasien und weltweit. So groß das Konfliktpotential zwischen Menschen und Elefanten rund um den Kui-Buri-Nationalpark ist, so friedlich ist trotzdem heute ihr Zusammenleben.
Wir müssen die erfolgreichen Maßnahmen weiter entwickeln und ausweiten – und beispielsweise mit Hilfe neuester Technologie und künstlicher Intelligenz die Frühwarnsysteme optimieren. Denn die große Nähe zwischen Menschen und Elefanten birgt in der Region um den Kui-Buri-Nationalpark wie an vielen weiteren Orten Asiens nach wie vor große Herausforderungen.
- Elly Ally: Zusammenleben mit Elefanten
- Mekong-Region
- Team Elefant Osnabrück