Nicht nur Bakingili klagt über die ständige Zerstörung von Ernten wie Maniok, Bananen oder Zuckerrohr. In den vergangenen zwei Jahren wurden fast wöchentlich Elefanten inmitten verschiedener Dörfer an der Westküste des Mount Kamerun Nationalparks gesichtet. Eine lebensgefährliche Situation für die Menschen und die Waldelefanten. Denn den Tieren droht aus Angst und Rache gejagt und erschossen zu werden. Mehr noch können sich derartige Konflikte hochschaukeln. Denn auch Elefanten üben gerne Vergeltung – und haben ein gutes Gedächtnis.
Der Mount Kamerun ist mit über 4.000 Metern der höchste Berg Westafrikas. Seine von Kraterseen durchbrochenen Bergregenwälder bieten den bedrohten Waldelefanten Heimat und Deckung. Doch immer häufiger suchen die Elefanten den Weg hinab in die Dörfer, hinterlassen Spuren der Verwüstung und nicht selten verzweifelte, auf Rache sinnende Betroffene in großer Not. Was treibt die Elefanten an? Das für die Wildtiere verantwortliche Ministerium hat den WWF um Hilfe gebeten.
Flucht vor den Elefanten
Die Menschen in Bakingili sind nicht mehr gut auf Waldelefanten zu sprechen – und auch nicht auf deren Schutz. Sogar eine Demonstration haben sie schon organisiert: Hunderte kleinbäuerliche Plantagen und etliche Häuser hätten die schweren Dickhäuter ihnen bereits zerstört. Inzwischen wandern die Menschen aus Hunger und Angst vor den Elefanten sogar ab.
Die Gemeinde Bakingili liegt malerisch am Fuße des Mount Kamerun an der Westküste des Landes. Bis hinauf zu den bewaldeten Hängen des Kamerunberges zieht sich hier eine ununterbrochen natürliche Vegetation, die das Gebiet zu einem der artenreichsten weltweit macht, geschützt durch den Mount Kamerun Nationalpark.
Gefährlich häufiger Elefantenbesuch
Was treibt die Waldelefanten hinab in die Dörfer?
Waldelefanten führen normalerweise ein heimliches Leben tief in den Wäldern. Für ihr gehäuftes Auftauchen in den Niederungen und Dörfern muss es einen wichtigen Grund geben. Es werden vermehrt Herden mit Jungtieren beobachtet, berichten die Bewohner:innen Bakingilis. Das deutet daraufhin, dass die Mütter nicht ausreichend Nahrung und Nährstoffe im Wald finden. Aber warum?
Gemeinsam mit den Gemeinden vor Ort sucht der WWF nach Ursachen und Lösungen für den schwelenden Konflikt zwischen den Menschen und Elefanten in Kamerun. Während verschiedener Treffen und Gespräche mit den Dorfbewohner:innen, lokalen Organisationen und auch ehemaligen Elefantenwilderern erhärtet sich ein Verdacht: Möglicherweise sind die Waldelefanten durch erkaltete Lavaströme auf zu kleinem Raum eingeschlossen.
Eingeschlossen auf dem Vulkan
Der Mount Kamerun ist nicht nur der höchste Berg Westafrikas, sondern auch einer der ältesten Vulkane der Welt und sehr aktiv. Dicke Schlieren getrockneter Lava der vergangenen Ausbrüche ziehen sich reliefartig die Hänge hinab und bilden eine natürliche Barriere, die den Nationalpark in zwei Hälften teilt. Die Waldelefanten können das Lavagestein nicht überqueren, da die Steine zu spitz für die Zehengänger sind. Sie gelangen nicht mehr in andere Teile des Gebirges und womöglich treibt eine begrenzte Menge an Nahrung, Wasser und Interaktionsräumen sie deshalb in Richtung der Dörfer.
Bedrängt auch von Bürgerkrieg und Palmölplantagen
Bewohner:innen der Gemeinden Njonji und Bibunde, ebenfalls an der Westküste Kameruns, berichten außerdem von wiederholten Schießereien im Norden des Nationalparks. Denn seit 2016 tobt in der Region Kameruns ein Bürgerkrieg. Auch in diese Richtung trauen sich die Elefanten deshalb nicht mehr vor. Insgesamt haben die Waldelefanten außerdem in Kamerun viel Lebensraum durch den Ausverkauf der Wälder zum Beispiel für Palmölplantagen verloren.
Welche Lösung gibt es für die Waldelefanten?
Waldelefanten sind wichtig für die Wälder, in denen sie leben. Sie sorgen durch ihr Fressverhalten und das Verteilen von Pflanzensamen auf ihren Wanderungen für eine gesunde Vegetation. „Gebiete mit und ohne Elefanten unterscheiden sich in ihrer Vegetation erheblich“, so Dr. Thomas Breuer vom WWF Deutschland. Der Experte für zentralafrikanische Elefanten war im Mai 2023 vor Ort in Kamerun, um die Gespräche mit den betroffenen Gemeinden zu begleiten. Einer der Lösungsvorschläge aus den Gemeinden: Lavabrücken, um die zerschnittenen Landschaften wieder zu verbinden. Feldforschung muss nun belegen, ob die Lava wirklich der Grund für die Elefantenbesuche in den Dörfern ist, wo Brücken Abhilfe schaffen können und welche möglichen weiteren Lösungen es gibt. Auch an der Forschung beteiligen sich die lokalen Gemeinschaften aktiv.
In vollem Gange: Feldforschung auf dem Elefantenberg
Kamerafallen entlang der Lavabänke und in für die Waldelefanten wichtigen Gebieten sollen das Wanderverhalten der Tiere überwachen und das Problem der Elefanten auf dem Mount Kamerun wissenschaftlich nachweisen. Eine erste Feldmission ist bereits abgeschlossen.
Zum Team für die Feldforschung gehören Abgesandte aus jeder der betroffenen Gemeinden. Sie erhielten ein ausführliches Training, auch zur späteren Auswertung der Daten und konnten bisher neun Wildtierkameras in den waldreichen Gebieten aufstellen. „Mich freut nicht nur, dass wir den Waldelefanten auf dem Mount Kamerun hoffentlich bald dauerhaft helfen können", so Thomas Breuer vom WWF, der auch das Training und die Feldmission leitete. „Mich freut ganz besonders, dass wir das zusammen mit den Menschen vor Ort tun und sehr viele Lösungsvorschläge aus den betroffenen Gemeinden kommen.“
Weitere Hilfen für die Gemeinden vor Ort
In den verschiedenen Treffen und Gesprächen wurde deutlich, dass die angeschlagenen Gemeinden am Rande des Mount Kamerun Nationalparks weitere Hilfe benötigen, um ihre Lebensgrundlage zu verbessern – beispielsweise durch den Ausbau der Bienenzucht und nachhaltigen Landwirtschaft und durch die Förderung der Schul- und Berufsausbildung. Gemeinsam wurde außerdem der Bau eines Zauns beschlossen, um die Bewegungen der Elefanten in Richtung Gemeindeland einzuschränken. Es muss eine Studie über die relative Dichte und räumliche Verteilung von Elefanten durchgeführt werden und die Kamerafallen müssen regelmäßig gewartet und ihre Daten analysiert werden. All die Maßnahmen können das so wichtige Zusammenleben von Menschen und Wildtieren fördern und vor Ort ein starkes Team zusammenschweißen, das den Waldelefanten aus ihrer Not hilft, um sie nicht länger bekämpfen zu müssen.
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