Im April 2015 machen Mitarbeiter des WWF im Urwald von Malebo im Kongo eine traurige Entdeckung: Eine Gruppe von Bonobos ist an einer Atemwegsinfektion schwer erkrankt. Man sieht den Tieren an, dass es ihnen nicht gut geht. Jeden Tag suchen die WWF-Mitarbeiter im Wald nach kranken Bonobos – und müssen mit ansehen, wie ein Weibchen verendet. Das Schlimmste daran: Sie hinterlässt ein Baby und dessen großen Bruder. „Der Bruder hat sich rührend um das Baby gekümmert und es zum Beispiel auch gegroomt, das bedeutet gelaust“, erzählt Dr. Ilka Herbinger, Afrikareferentin beim WWF Deutschland. „Aber wir wussten: Ohne die Mutter wird das Jungtier verhungern und verdursten.“
Auch Menschenaffen werden mal krank. Besonders gefährlich sind für sie menschliche Erreger. Mit medizinischer Versorgung mitten im Dschungel und einem Feldlabor hilft der WWF im Kongobecken kranken Tieren – und kann uns Menschen frühzeitig vor Krankheiten wie Ebola oder Anthrax warnen.
Schwere Entscheidung im Dschungel
Zu gerne würden die Umweltschützer:innen ihrem ersten Impuls folgen und das Bonobo-Baby mit in ihr Camp nehmen, um es dort hochzupäppeln. Aber sie müssen an die Folgen denken. Noch weiß niemand, an welcher Krankheit die Mutter gestorben ist. Es besteht große Gefahr, alle im Camp mit dieser noch unbekannten Erkrankung zu infizieren. Das gleiche gilt für eine Auffangstation für Bonobo-Waisen in der Hauptstadt Kinshasa: Handelt es sich um eine hochinfektiöse Krankheit, könnte sie alle anderen Bonobos töten. Außerdem würde das geschwächte Jungtier wohl nicht einmal den Flug dorthin überleben. „Auch das gehört zu unserer Arbeit: Zum Schutz aller anderen Tiere und von uns Menschen müssen wir manchmal der Natur ihren Lauf lassen und das auch schweren Herzens aushalten können“, sagt Ilka Herbinger. Die Helfer müssen warten, bis eine Tierärztin eingeflogen ist und herausfindet, woran die Tiere leiden. Für das Bonobo-Baby wird es dann zu spät sein.
DNA-Analyse im Feldlabor: Erfreuliche Nachrichten aus Dzanga-Sangha
Rund 600 Kilometer weiter nördlich, in Dzanga-Sangha in der Zentralafrikanischen Republik, ist im Notfall bereits schnellere Hilfe möglich: Eine Tierärztin arbeitet monatsweise direkt vor Ort und es gibt ein professionell eingerichtetes Feldlabor. „Leider fehlt uns immer noch das Geld für eine Vollzeit-Tierärztin“, bedauert Herbinger. „Aber hier unten wird schon jetzt großartige Arbeit geleistet und wir können sogar mitten im Feld eine Probe bis zur DNA herunter analysieren.“ Die Mitarbeiter nehmen regelmäßig Kot- und Urinproben der hier beheimateten Flachlandgorillas. Finden sie gefährliche Erreger, können sie sofort Gegenmaßnahmen ergreifen und so zum Beispiel auch dem Ausbruch von Epidemien wie Ebola beim Menschen vorbeugen.
Frühwarnsystem vor Ebola
Ebola ist eine natürliche Infektion, die im Lebensraum von Menschenaffen vorkommt, aber auch eine tödliche Gefahr für die Tiere und Menschen. Je schneller man den Erreger bei Gorillas und Schimpansen identifiziert, desto besser lässt sich der Ausbruch einer Ebola-Epidemie beim Menschen im Keim ersticken. „Wenn es zu lange dauert, bis Quarantänemechanismen greifen, kann man das Virus nicht mehr kontrollieren. Mit unserer Arbeit könnte alles schneller anlaufen“, betont Dr. Ilka Herbinger vom WWF.
Das Feldlabor in Dzanga-Sangha ermöglicht ein regelmäßiges Gesundheitsmonitoring der Menschenaffen. Beim Ausbruch von Krankheiten wie Ebola oder Anthrax kann die lokale Bevölkerung sofort gewarnt werden, um sich nicht anzustecken.
Großflächiges Gesundheitsmonitoring im Kongobecken
Insgesamt überwacht der WWF zusammen mit dem Robert-Koch-Institut Berlin die Gesundheit von Menschenaffen in drei wichtigen Regionen im Kongobecken im Herzen Afrikas, zwei weitere sollen folgen. Alle Gebiete gehören zu langfristigen Ökotourismus-Projekten mit Menschenaffen: Gerade hier ist eine regelmäßige medizinische Kontrolle von enormer Bedeutung, zum Schutz der Tiere und zur Sicherheit von Menschen. "Da viele Krankheiten beide betreffen - Mensch und Tier - und diese sich gegenseitig anstecken können, ist unser Projekt von großem öffentlichen Interesse", sagt Fabian Leendertz vom Robert Koch Institut.
Chance mit Risiken: Habituierung von Menschenaffen
Für den Ökotourismus werden Bonobos, Schimpansen und Gorillas an den Menschen gewöhnt, damit die Touristen sie – wenn auch mit gebührendem Abstand – besser beobachten können. Habituierung nennt sich das und hört sich zunächst unnatürlich an, hilft den Tieren aber enorm. Denn durch den Tourismus und die damit verbundenen Einnahmen bekommen sie einen Wert für die einheimische Bevölkerung und werden geschützt. „Berggorillas sind die einzigen Menschenaffen, die zurzeit in ihrem Bestand wachsen. Das ist mit Sicherheit damit verbunden, dass viele Gruppen für den Tourismus habituiert sind“, sagt Ilka Herbinger. „Hier sind sie geschützt und täglich überwacht. Ohne ihren Wert für den Tourismus hätten die Berggorillas die mehrfachen Bürgerkriegsausbrüche sicherlich nicht überlebt.“ Ein großes Problem der Nähe zwischen Menschenaffe und Mensch ist aber die Ansteckungsgefahr – für die Tiere. Denn eine einfache menschliche Erkältung kann für einen Bonobo oder Gorilla schon tödlich enden. Überlebenswichtig für die Menschenaffen sind deshalb die richtigen Vorkehrungen, zum Beispiel das Tragen eines Mundschutzes für alle, die ihnen nahe kommen, regelmäßige Untersuchungen und Impfungen der Mitarbeiter und eben auch die Kontrolle von Kot und Urin der Menschenaffen auf mögliche Krankheitserreger.
Es gibt noch viel zu tun
Das Feldlabor in Dzanga-Sangha lässt sich problemlos in zwei Kisten packen, um es im Dschungel zu transportieren, und trotzt immer wieder den schwierigen Bedingungen des Regenwaldes wie zum Beispiel ständigen Stromausfällen und der hohen Luftfeuchtigkeit, die Proben und Medikamente dickflüssig werden lässt. Auch zum Schutz der Menschenaffen in Campo Ma’an in Kamerun soll ein derartiges Labor eingerichtet werden. Genau wie für die Bonobos in Malebo in der Demokratischen Republik Kongo. „Die Laborgeräte konnten wir teilweise schon anschaffen“, erzählt Ilka Herbinger vom WWF Deutschland. „Aber wir benötigen dringend mehr Mittel, um Tierärzte ganzjährig vor Ort einzustellen.“
- Kongo-Becken