Die Masai Mara liegt im Südwesten Kenias und grenzt direkt an den Serengeti-Nationalpark in Tansania. Aus der Luft betrachtet scheint die Landschaft an das Fell eines Leoparden zu erinnern: Wie dunkle Tupfen liegen die vielen Baumgruppen auf der hellbraunen Savanne. Daher auch der Name dieser wundervollen Landschaft: Mara bedeutet in der Sprache der Massai soviel wie „gesprenkelt, getupft“. Der 400 Kilometer lange Mara-Fluss durchzieht das Gebiet und löscht besonders in der Trockenzeit den Durst zehntausender Wildtiere auf ihren kilometerlangen Wanderungen durch diese faszinierende Landschaft.
Kann ein winziges, menschliches Virus eine ganze Elefantenherde stoppen? In Kenia droht dieses Szenario gerade Wirklichkeit zu werden. Hier, wie auf dem ganzen afrikanischen Kontinent, drohen die Auswirkungen der Corona-Pandemie die bisherigen Erfolge des Naturschutzes in vielen Regionen zunichte zu machen. Besonders betroffen sind Schutzgebiete, deren Existenz direkt vom Ökotourismus abhängen, wie in der weltbekannten Mara-Serengeti in Kenia, durch die neben vielen anderen Wildtieren auch noch rund 2.500 Elefanten ziehen.
Siana – der Kreißsaal der Elefanten
Von den Auswirkungen des Corona-Virus besonders betroffen sind jetzt Gemeindeschutzgebiete, wie die vom WWF betreute Siana Conservancy am Rande des Masai Mara. Die Siana bildet für die Wildtiere einen wichtigen Korridor, der die Savanne der Mara mit höher gelegenen Gebieten verbindet. Sie gilt auch als "Kreißsaal der Elefanten", da die Elefantenkühe im Schutz des baumbestandenen Hügellandes ihre Jungen zur Welt bringen.
Traditionell hielten hier die indigenen Massai ihr Vieh in gemeinschaftlicher Wirtschaft. Die Privatisierung des Gemeindelandes führte jedoch dazu, dass immer mehr des zuvor gemeinschaftlich genutzten Landes von den einzelnen Eigentümern eingezäunt, verkauft und bebaut wurde - mit katastrophalen Folgen für die Elefanten und anderen Wildtiere der Siana. Denn die vielen Zäune, Gebäude und Wege zerschneiden ihren Lebensraum und verwehren ihnen Zugang zu Nahrung und zu Plätzen, an denen die Elefantenkühe in Ruhe ihre Jungen gebären können.
Jeder abgebaute Zaun ist ein Erfolg für den Naturschutz
In den letzten Jahren wurden in Siana und vielen anderen Gemeindeschutzgebieten zahlreiche solcher Zäune nach und nach abgebaut und wichtiger Lebensraum für Elefanten, aber auch andere Wildtiere zurückgewonnen. Das Erfolgsmodell, bei dem Landbesitzer, Gemeinden, Tourismus-Anbieter und Naturschutz jahrelang zusammengearbeitet haben, droht nun unter der Corona-Krise zu zerbrechen.
Bei diesem Modell verpachten die einzelnen einheimischen Landeigentümer – häufig indigene Massai – ihr Land dauerhaft an die „Conservancy“, eine Art selbstverwaltete Kooperative aller Landeigner, die wiederum diese Gebiete als Gemeindeschutzgebiete ausweist. Die Massai profitieren von den Pachteinnahmen und behalten trotzdem das Mitspracherecht bei der Entwicklung von Landnutzungsplänen. Auf dem gepachteten Land werden Zäune abgerissen, die zuvor Viehweiden begrenzten, und wichtige Wanderkorridore für die Tierwelt wieder geöffnet. Beweidung ist nur noch unter gemeinsam erstellten Regeln zur nachhaltigen Nutzung im Einklang mit dem Naturschutz möglich. So wird die Zerstörung und Zerschneidung der Landschaft verhindert und mit der Verbesserung der Artenvielfalt kehren nach und nach auch die "Big Five", nämlich Büffel, Elefant, Nashorn, Löwe und Leopard zurück. Gegenüber 2014 hat sich der Bestand der Elefanten in der Region um 70 Prozent erhöht, wie eine vom WWF unterstützte Zählung ergab.
Ökotourismus finanziert den Naturschutz
Mit der Rückkehr der "Big Five" wurde die Siana für den Ökotourismus interessant, denn viele Menschen wollen sich gern den Traum erfüllen, der faszinierenden Tierwelt Ostafrikas einmal ganz nah zu sein. Durch kleine, ressourcenschonend wirtschaftende Öko-Lodges, wie das Entumoto-Safari-Camp, entstanden Arbeitsplätze, die den Dorfbewohner:innen ein Einkommen sichern.
Eine Übernachtungssteuer spült auch Geld in die Kassen der Gemeinden, die davon nicht nur einen Großteil der Pachtgebühren, Wildhüter aus den Reihen der Massai und Naturschutzmaßnahmen finanzieren, sondern auch das Schulgeld für die Kinder der ärmsten Dorfbewohner übernehmen und Gesundheitsstationen wie das Nkoilale Health Center ausstatten können.
Doch weil aktuell jeder Tourismus in Kenia gestoppt ist, stehen das Entomoto-Camp und andere Öko-Lodges leer. Eine wirtschaftliche Katastrophe für ein Land wie Kenia, in dem Tourismus zwölf Prozent des Bruttosozialproduktes ausmacht.
Ohne die Einnahmen aus den Öko-Lodges können auch die Pachteinnahmen nicht mehr an die Landbesitzer gezahlt werden. Deshalb steigt jetzt ganz akut die Gefahr, dass viele Massai zur Viehwirtschaft zurückkehren und die eigentlich aus der Nutzung herausgenommenen und den Wildtieren überlassenen Gebiete wieder mit Zäunen verbaut, überweidet, verkauft und zugebaut werden. Die Corona-Krise könnte dafür sorgen, dass den Elefanten der Zugang zu Nahrung erneut versperrt wird.
Hilfe für Mensch und Elefant in Siana
Darüber hinaus fehlen Gelder für die jetzt dringend benötigte Gesundheitsversorgung der abgelegenen Dörfer. Das Nkoilale Health Center und andere Gesundheitsstationen brauchen jetzt schnell Schutzausrüstung, Medikamente und geschultes Personal, um sich auf die drohende Corona-Epidemie vorzubereiten.
Insgesamt setzen sich allein in Kenia rund 4.000 Gemeindewildhüter für den Schutz von über 140 Gemeindeschutzgebieten ein, finanziert zu einem Großteil durch den nun brachliegenden Tourismus. Wie lange der Ausfall der Einnahmen andauert, ist für niemanden absehbar. Doch Ihre Spende kann helfen, die größte Not zu überbrücken. Der WWF möchte mit seinen Partnern dazu beitragen, diese großartigen Schutzgebiete wie die Siana auch in dieser Krise zu erhalten. Wenn wir sicherstellen, dass das Land in der Hand der Gemeinden bleibt, können wir die drohende Zerstörung der Kinderstube der Siana-Elefanten verhindern, für den Schutz der Gesundheit der Menschen sorgen und die Finanzierung des Schulgeldes für ihre Kinder auch bei einem Ausbruch einer Covid-19-Epidemie gewährleisten.
Update: Vielen Dank für die großartige Unterstützung
Viele Menschen sind durch die Ausbreitung des Covid-19-Virus in existenzielle Not geraten. Und sehr viele WWF-Unterstützer:innen haben geholfen. Herzlichen Dank an alle! Mit Ihrer Spende haben Sie zahlreiche Communities in den WWF-Projektgebieten weltweit unterstützt und dafür gesorgt, dass jahrzehntelange Naturschutzarbeit zusammen mit den Menschen dort nicht durch Corona zunichte gemacht wurde. Der WWF setzt sich dafür ein, dass zukünftige Pandemien verhindert werden. Arten- und Naturschutzarbeit schützt vor Zoonosen.
- Kenia und Tansania
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