Die materielle Not der Bevölkerung und mangelnde Kontrolle führten zu verstärkter Wilderei. Dies hat dazu geführt, dass die Bestände vieler Wildtierarten dramatisch zurückgegangen sind und einige sogar lokal verschwunden sind. Inzwischen konnte die Wilderei in einigen Gebieten eingedämmt werden, aber die Zerstörung und Fragmentierung der Lebensräume geht weiter und setzt vielen Wildarten zu.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion destabilisierten politische Konflikte in Berg-Karabach, Tschetschenien, Abchasien und Südossetien die Region. Die Folgen dieser Krisen sind bis heute spürbar und führen zu angespannten Beziehungen zwischen einigen Staaten. Zudem führte der wirtschaftliche Zusammenbruch in den 1990er Jahren zu einer Verarmung großer Teile der vor allem ländlichen Bevölkerung. Grund genug für den WWF, trotz der politischen Konflikte im Kaukasus beharrliche Aufbauarbeit im Naturschutz zu leisten, von der auch die Menschen profitieren.
Armut und die Energiekrise Anfang der 1990er Jahre haben vor allem in abgelegenen ländlichen Regionen tiefe Narben in den artenreichen Naturwäldern hinterlassen. Fossile Energieträger wie Öl und Gas waren zu dieser Zeit für einen Großteil der Bevölkerung kaum noch bezahlbar. Der lokale Energiebedarf zum Heizen und Kochen musste daher zunehmend mit Brennholz aus den umliegenden Wäldern gedeckt werden.
In der Folge beschleunigte sich die Waldzerstörung. Da die Wälder zudem stark als Weideland für Schafe, Ziegen und Rinder genutzt wurden, konnten sie sich kaum mehr verjüngen und blieben auf immer größeren Flächen dauerhaft geschädigt. Einige Gebiete wurden sogar vollständig entwaldet. Vor allem in den Bergregionen gerieten mit dem Schwund der Wälder ganze Hänge ins Rutschen. Überschwemmungen nahmen dramatische Ausmaße an, bedrohten Dörfer und spülten fruchtbaren Boden ins Tal. Da Holz bis heute oft die einzige verfügbare Energiequelle ist, sind viele Wälder inzwischen stark geschädigt.
Viele Tierarten im Kaukasus vom Aussterben bedroht
So gelten 50 der im Kaukasus vorkommenden Tier- und Pflanzenarten nach der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) als weltweit vom Aussterben bedroht. Schätzungen zufolge leben in der Region nur noch 40 bis 60 Persische Leoparden.
Die Bestände ihrer Beutetiere in den WWF-Projektgebieten haben sich jedoch erholt und die letzten Leoparden Europas kehren bereits auf natürliche Weise zurück.
Großprojekte bedrohen Urwälder
Hinzu kommen neue Bedrohungen. Die Regierungen der Kaukasusstaaten setzen zunehmend auf Wachstum durch massive Ausbeutung natürlicher Ressourcen und große Infrastrukturprojekte. Großprojekte wie Gas- und Ölpipelines, neue Fernstraßen und Hochspannungsleitungen zerschneiden und zerstören artenreiche Urwälder. Vor allem in Armenien, Georgien und der Türkei ist die Zahl der Gold-, Molybdän- und Kupfertagebaue in den letzten Jahren stark angestiegen. Auch der Ausbau der Energiegewinnung aus Wasserkraft wird oft ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt vorangetrieben.
Ländliche Bevölkerung verliert Lebensgrundlage
In nur zehn Jahren hat sich allein in Armenien die Zahl der Wasserkraftwerke verfünfzehnfacht. Auch wenn die Umweltgesetzgebung in einigen Ländern erneuert und verbessert wurde, mangelt es oft an deren Umsetzung und an Kontrollen.
Der forcierte Bau von Wasserkraftwerken und der Bergbau entsprechen meist nicht internationalen Sozial- und Umweltstandards. Sie befinden sich zum Teil in unmittelbarer Nähe oder sogar innerhalb von Naturschutzgebieten und führen zu gravierenden Umweltschäden. Fließgewässer werden zerschnitten und damit Laichgründe, z.B. für den Stör, zerstört. Darunter leidet nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch die arme Landbevölkerung, deren Lebensgrundlage die natürlichen Ressourcen sind.
Neue Wälder für den Kaukasus
Ein wesentlicher Eckpfeiler der WWF-Naturschutzarbeit zum Schutz artenreicher Waldökosysteme ist daher neben der Einrichtung von Waldschutzgebieten die Förderung und politische Verankerung einer naturnahen Waldbewirtschaftung.
Im Südkaukasus, zu dem Armenien, Aserbaidschan und Georgien gehören, konnten im Rahmen umfangreicher Waldsanierungsprogramme artenreiche und gefährdete Flussauen- und Bergmischwälder durch Saat und Pflanzung einheimischer Baumarten wieder in einen weitgehend naturnahen Zustand versetzt werden. Finanziert wurden diese Maßnahmen vom Bundesumweltministerium (BMU), dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), der KfW Bankengruppe und der Europäischen Union.
Da die Wälder bereits durch Raubbau stark geschädigt und zunehmend durch die Auswirkungen des Klimawandels bedroht sind, unterstützt der WWF die staatlichen Forstverwaltungen bei der Einführung und Umsetzung einer naturnahen Waldbewirtschaftung. Die Wälder stehen unter Schutz oder sollen künftig nachhaltig bewirtschaftet werden. Das bedeutet: Die Menschen werden mit nachhaltig produziertem Brennholz versorgt, produzieren Honig, sammeln Pilze, Nüsse oder andere Nichtholzprodukte und erwirtschaften Einkommen durch naturnahen Tourismus. Dabei bleibt der Wald in seinen vielfältigen Funktionen für Mensch und Natur erhalten.
Waldlehrpfade tragen zur Umweltbildung bei. Bei all diesen Projekten unterstützt der WWF die Gemeinden, denn sie sollen langfristig von ihren Wäldern profitieren. Deshalb werden auch regionale Baumschulen unterstützt, um ein breites Spektrum heimischer Baumarten wie Eichen, Linden, Buchen und viele andere für künftige Aufforstungen anbieten zu können. Dazu werden Mitarbeiter:innen der staatlichen Forstverwaltungen geschult.
Die Bevölkerung mit einbeziehen
„Die Einbeziehung der Bevölkerung, insbesondere der ländlichen Bevölkerung in den Gemeinden, ist entscheidend für die Nachhaltigkeit der Maßnahmen innerhalb und außerhalb der Schutzgebiete“, betont Aurel Heidelberg vom WWF Deutschland. „Die Einführung einer nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen wie Holz trägt dazu bei, dass die Bevölkerung auch in Zukunft ihren Bedarf an Brenn- und Bauholz decken kann und sich gleichzeitig Ökosysteme wie Wälder weiter regenerieren können und somit Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben“.
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