Izamar Valarezo, Präsidentin des Verbandes der Kakao-Kooperativen im Amazonas, Victoria Mena, Projektleiterin beim WWF Ecuador und Carlos Pozo von der Kallari-Kooperative, erzählen, welche Bedeutung diese Art des Anbaus für sie und ihre Arbeit hat.
Der WWF arbeitet mit Kakaoproduzent:innen aus Ecuador daran, eine nachhaltige und rückverfolgbare Lieferkette zwischen Ecuador und Europa für Kakao und Schokolade zu etablieren. Besonderen Wert legt der WWF darauf, dass ein zunehmender Anteil des Kakaos als entwaldungsfrei zertifiziert werden kann und biologisch produziert wird. Genau da kommt eine jahrhundertealte indigene Tradition ins Spiel: das Chakra-Anbausystem.
Guter Kakao braucht gesunden Wald
Ecuadors Kakao zählt zu den besten der Welt. Nicht ohne Grund, denn Kakao wird in Ecuador seit mehr als 5.000 Jahren angebaut. Von dort aus startete die Bohne – und das, was man aus ihr herstellen kann – ihren Siegeszug in die ganze Welt. Der Anbau von Kakao bietet für die lokale Bevölkerung und die indigenen Gemeinschaften große Chancen, sie birgt aber auch Risiken. Für den Anbau von Kakao im großen Stil werden immer noch Wälder abgeholzt – damit wird die Klimakrise weiter befeuert und die Lebensgrundlage der Indigenen gefährdet. Dabei wächst Kakao viel besser in einem gesunden Wald.
Das wissen auch die indigenen Kichwa-Gemeinschaften. Wissen, das sie sich über Jahrhunderte bewahrt haben und das sie jetzt nutzen, um entwaldungsfreien und teilweise biologischen Kakao anzubauen und eine rückverfolgbare Lieferkette auch nach Deutschland aufzubauen. Der WWF unterstützt die Kooperativen in einem vom BMZ beauftragten und von der GIZ geförderten Pilotprojekt dabei.
„Wir müssen nicht in den Supermarkt gehen, um eine Orange zu kaufen. Wir finden sie in der Chakra.“
Kleinproduzent:innen im Amazonas
„Bei den meisten Kakaoproduzent:innen im ecuadorianischen Amazonas-Gebiet handelt es sich um Kleinproduzent:innen“, erzählt Victoria Mena vom WWF Ecuador. „Der Anbau von Kakao sichert ihre Lebensgrundlage durch den Verkauf der Produkte und gleichzeitig bewahrt es unsere Natur. Denn die Kleinproduzent:innen bauen ihren Kakao im Chakra-System an. Ein System, das sich deutlich von der Monokultur unterscheidet. Bis zu 100 verschiedene Pflanzenarten werden auf der gleichen Fläche angebaut. Das ist besser für den Boden, verhindert Erosion und ist aufgrund der Vielfalt widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen der Klimakrise.“
Auch für Carlos Pozo von der Kallari-Kooperative hat die Chakra eine ganz besondere Bedeutung: „Sie gibt uns alles, was wir brauchen: Wir müssen nicht in den Supermarkt gehen, um eine Orange zu kaufen. Wir finden sie in der Chakra. Und wir leben von der Chakra, indem wir darin Kakao oder Vanille anbauen und diese Produkte verkaufen.“ Doch Carlos verbindet mit der Chakra nicht nur Arbeit. „In ihr kann man frische Luft atmen, etwas unternehmen und abschalten. Für mich ist die Chakra ein Garten, in dem man mehr genießen als arbeiten kann.“
Frauen beim Kakao-Anbau
Für die 27-jährige Izamar Valarezo ist die Chakra „ein Ort des Austausches, des Wissens der Vorfahren und ihrer Kultur. Die Chakra umfasst alles, was das Familienleben im Amazonas ausmacht.“ Izamar Valarezo stellt auch die besondere Rolle der Frauen in Chakra-Systemen heraus: „Die Frau hat die wichtigste Rolle in der Chakra, sie verwaltet alles. Sie weiß, wann man Yucca säen muss, wann die Bananen geerntet werden, wann sie Mani säen oder etwas ernten muss. Die Frau spielt für uns in der Familie eine wichtige Rolle: sie ernährt, kümmert sich um die Kinder und arbeitet in der Chakra.“
Dennoch sieht man in der Landwirtschaft in Ecuador im Allgemeinen eher Männer als Frauen. Bei der Tsatsayaku-Kooperative, deren Präsidentin Izamar Valarezo war, ist das anders. Hier sind die Frauen in der Mehrheit. „Dass bei uns jetzt Frauen an der Spitze stehen liegt auch daran, dass ihnen der Raum gegeben wurde. Frührer gab es die Vorstellung, dass Frauen nicht mitmachen können, weil sie eben Frauen sind. Frauen sollten zu Hause bleiben.“
Jetzt findet ein Umdenken statt und die Frauen übernehmen immer mehr Aufgaben in den Kooperativen und in der Kakaoproduktion. „Die Menschen sehen, dass Frauen auch in der Produktion und im Management eine Rolle spielen können und ein Teil der Arbeit in den Kooperativen werden. Die Frauen haben sich auch gegenseitig ermutigt. Es war ein Prozess, denn viele mussten erst erkennen, dass sie nicht darauf warten müssen, bis ein Mann eine Entscheidung trifft. Sie haben gelernt, dass sie selbst entscheiden und sich direkt beteiligen können.“
Gefahr für den Regenwald
Weltweit steigt die Nachfrage nach Kakao und damit steigen auch die Auswirkungen der Kakaoproduktion auf die Umwelt. Das bemerkt auch Victoria Mena: „Studien zeigen, dass in Ecuador von 2008 bis 2015 zwölf Prozent der Wälder für die Kakaoproduktion in Plantagen umgewandelt wurden. Wir sehen ganz klar, dass eine Kakaoproduktion im großen Stil zur Bedrohung für den Regenwald wird. Hinzu kommt die Viehzucht, der Anbau von Kaffee, Mais und Ölpalmen, für die ebenfalls riesige Flächen gerodet werden.“
Doch es gibt Alternativen zum Raubbau an der Natur: Der nachhaltige Anbau von Kakao in Chakren-Systemen. Die Kooperativen in Ecuador haben das erkannt und arbeiten nun daran, eine entwaldungsfreie Lieferkette von Kakao nach Europa zu etablieren. Diese Arbeit schont nicht nur die Natur, sie verbessert auch die Lebensgrundlage der Indigenen und der lokalen Bevölkerung, die in den Chakren und Kooperativen arbeiten.
In den Kooperativen, mit denen der WWF Ecuador arbeitet, will man Transparenz in die Lieferkette bringen: „Zurzeit gibt es keine Möglichkeit für die Verbraucher:innen zu erkennen, wie viel Wald für die Produktion von Kakao abgeholzt wurde“, erklärt Victoria Mena. Die Chakren-Produktion ist aber in der Regel frei von Abholzung. Wir wollen unseren Kakao rückverfolgbar machen, sodass wir jederzeit sicherstellen können, dass für seine Produktion kein Baum gefällt werden musste.“
Eine transparente Lieferkette
Auch in der Kallari-Kooperative von Carlos Pozo will man eine transparente Lieferkette etablieren. „Wir wollen, dass Verbraucher:innen, wenn er oder sie einen Schokoriegel isst, genau wissen, wer den Kakao dafür hergestellt hat, wo er herkommt und wie dabei die Wälder geschont wurden“, so Carlos Pozo. „Ziel ist es, den Verbraucher:innen ein Produkt anzubieten, bei dem er oder sie den gesamten Prozess nachvollziehen kann“ – von der Kakaopflanze bis in den Supermarkt.
„Eine nachhaltige Schokolade ohne Abholzung zu produzieren, ist eine Herzensangelegenheit für uns“, sagt Carlos Pozo. „Hinter jeder Tafel Schokolade stehen Tausende Familien, die dabei helfen, sie zu produzieren. Darauf aufbauend wollen wir ein Produkt mit einer großartigen Qualität anbieten und dabei all die Wälder schützen, die uns umgeben und die als ‚grüne Lunge‘ die Welt mit Sauerstoff versorgen.“
Aufbau einer nachhaltigen Kakao-Lieferkette
Dass der Anbau von Kakaobohnen einen Beitrag zum Erhalt der lokalen Biodiversität leisten kann, zeigt ein Projekt, das vom BMZ beauftragt, von der GIZ gefördert und gemeinsam von WWF Ecuador und WWF Deutschland durchgeführt wird. So lässt sich der Regenwald schützen – und Schokolade bedenkenlos genießen!
- Der Amazonasregenwald: Der größte Regenwald der Erde
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