„Die Geschichte des Wisents gilt als eine der hoffnungsvollsten im modernen Artenschutz. Doch noch immer sind Maßnahmen nötig, um die Zukunft dieser Tiere längerfristig zu sichern“, berichtet Christian Kern, Zoologischer Leiter von Zoo und Tierpark Berlin. Seit 2019 wurden 46 Wisente aus ganz Europa über den Tierpark Berlin erfolgreich in den Kaukasus gebracht (Stand November 2023).
Bis zu zehn Wildrinder in einem Frachtflugzeug, jedes bis zu 600 Kilogramm schwer: Wenn Wisente umziehen, ist das ein Transport der besonderen Art – besonders aufwendig, aber auch besonders wichtig. Denn er wird den kräftigen Rindern ein Leben in ihrem ursprünglichen Lebensraum ermöglichen und damit zur Rettung ihrer ganzen Art beitragen. Lange waren Wisente in freier Wildbahn ausgestorben. Der WWF bringt die Wildrinder zurück in ihre alte Heimat, den Kaukasus.
Aufregender Transport
Zunächst werden für die Auswilderung geeignete Tiere durch das EAZA/EEP (Europäisches Erhaltungszuchtprogramm) ausgesucht. Dann werden die Wisente aus verschiedenen Zoos und Tierparks aus ganz Europa in den Tierpark Berlin gebracht. Hier werden sie aneinander gewöhnt und auf den 4.000 Kilometer langen Transport vorbereitet.
Per LKW geht es zum Flughafen Frankfurt/Hahn und von dort mit einem Transportflugzeug in den Kaukasus. Transportiert werden die großen Rinder in eigens dafür hergestellten Boxen. Sie lassen ihnen gerade genug Platz, um sich zu bewegen. Wegen der Verletzungsgefahr dürfen die Tiere sich darin aber nicht drehen können.
Den ganzen Transport über werden die Wisente tierärztlich überwacht, bekommen Wasser und Nahrung.
Zielort Wildnis
Vom Flughafen in Baku geht es wieder per LKW weiter. Ziel ist der Shahdag-Nationalpark im nordöstlichen Aserbaidschan. Zunächst aber gewöhnen sich die Tiere in einem dreihundert Hektar großen Auswilderungsgehege an ihre neue Umgebung. Nach erfolgreicher Eingewöhnung und Herdenbildung werden die Tiere von dort aus in die Wildnis entlassen.
„Im Auswilderungsgebiet muss alles stimmen!“ sagt WWF-Experte Aurel Heidelberg. „Das Nahrungsangebot und die Flächengröße des Auswilderungsgebiets müssen ausreichen, damit die Tiere sich vermehren und ausbreiten können. Doch nicht nur die Umgebung muss passen, auch die Ranger:innen im Nationalpark müssen auf den Umgang mit den Tieren vorbereitet werden. „Wir stellen sicher, dass das Nationalpark-Personal gut ausgebildet und ausgerüstet ist, um den Schutz der Tiere vor Wilderern und anderen Gefahren zu gewährleisten.“
Die neuen, alten Nachbarn
Nutztierherden zum Beispiel dürfen den Wisenten nicht zu nahe kommen – sie könnten lebensbedrohliche Krankheiten auf die Tiere übertragen. Deshalb werden die Bewohner:innen der Region rechtzeitig auf ihre neuen, alten Nachbarn vorbereitet. Für den Menschen sind die Wildrinder in der Regel ungefährlich. Doch es kann zu Konflikten kommen, wenn die Wildrinder Schäden auf Feldern außerhalb des Nationalparks anrichten.
Um Probleme zu lösen und gar nicht erst entstehen zu lassen, ist ein ständiges Monitoring der ausgewilderten Wisente durch geschultes Personal wichtig. Eine Wisent-Eingreiftruppe ergreift beim Auftreten von Konflikten entsprechende Maßnahmen, die Tiere von den Menschen fern zu halten.
Die Tiere leben sich ein
In der Wildnis angekommen, müssen die Tiere bestimmte Verhaltensweisen erst wieder erlernen, zum Beispiel ihren natürlichen Schutzmechanismus gegenüber großen Raubtieren. Für ein ausgewachsenes Wisent sind weder Wölfe noch Bären ein Risiko, frisch geborene Kälber sind jedoch auf den Schutz der Herde angewiesen. Für die Ranger:innen ist es jedes Mal aufs Neue spannend zu beobachten, inwieweit dieses Verhalten bei den Zootieren noch vorhanden ist oder neu erlernt werden muss.
Damit sichergestellt wird, dass es den Tieren gut geht und sie ausreichend Nahrung finden, werden die Tiere regelmäßig von den Ranger:innen überwacht. Einige Tiere werden dafür mit GPS-Halsbändern ausgestattet. Die Wildhüter:innen dokumentieren den Gesundheits- und Ernährungszustand der Wisente und können im Falle einer Notzeit Wildfütterungen anbieten. Bereits nach kurzer Zeit zeigen die Tiere im Auswilderungsgehege natürliche Verhaltensweisen und finden sich in ihrem neuen Lebensraum gut zurecht.
Helfen Sie dem WWF, die Wisente zu retten
Die Wiederansiedlung der Wisente in Aserbaidschan ist ein gemeinsames Programm des aserbaidschanischen Umweltministeriums, des WWF, des Tierparks Berlin, des Erhaltungszuchtprogramms des Europäischen Dachverbandes für Zoos und Aquarien (EAZA/EEP) und der aserbaidschanischen Nichtregierungsorganisation IDEA. Gleichzeitig wird das Projekt durch eine Vielzahl von Einrichtungen, Institutionen und Förder:innen wie der Rewildering Europe Stiftung, Zoologischen Gärten, der European Bison Friends Society (EBFS) u.v.m. unterstützt.
Helfen Sie uns, die Wisente zurück in ihre alte Heimat zu bringen und die letzten Wildrinder Europas dauerhaft zu retten!
- Wisente für den Kaukasus