Tatsächlich sind Schneeleoparden Einzelgänger, nur zur Paarungszeit finden sie mit Hilfe von Duftmarken und Rufen zueinander. Hat sich ein Paar gefunden, bleibt es mehrere Tage zusammen, um dann wieder getrennter Wege zu gehen. Auch bei Khorgai und Guta ist das so. Die Besonderheit: Die beiden haben sich bereits vor mindestens zehn Jahren kennengelernt und treffen sich seither immer wieder – mindestens zwei Würfe, von denen die Forscher:innen wissen, haben die beiden zusammen gezeugt.
Schneeleoparden sind in freier Wildbahn nur schwer zu Gesicht zu bekommen. Sie leben in Höhenlagen von bis zu 5.000 Meter. Und sie sind scheu. Das macht es schwer, sie zu beobachten. Kamerafallen helfen Wissenschaftler:innen dabei, mehr über die Tiere zu erfahren. Und so waren es auch die Aufnahmen von Kamerafallen im russischen Altai Gebirge, die das wahrscheinlich älteste bekannte Schneeleoparden-Paar der Welt dokumentieren: Khorgai und Guta – seit zehn Jahren ein Paar.
26.06.2023 Update: WWF Russland verlässt internationales WWF-Netzwerk
Die russische Generalstaatsanwaltschaft hat am 21. Juni 2023 die Aktivitäten des World Wide Fund for Nature (WWF) in Russland für „unerwünscht“ erklärt. Diese Entscheidung folgt auf eine bereits im März bekannt gegebenen Verlautbarung, in welcher der WWF als «ausländischer Agent» eingestuft wurde.
Der WWF Deutschland und das gesamte, weltweite WWF-Netzwerk sind erschüttert darüber, dass unsere gemeinsame Naturschutzarbeit als „auf dem Territorium der Russischen Föderation unerwünscht“ eingestuft wird. Infolgedessen und mit sofortiger Wirkung hat der WWF Russland die schwierige Entscheidung getroffen, nicht länger Teil des WWF-Netzwerks zu sein.
Alte Liebe und hohes Alter
Ihre lange „Beziehung“ ist nicht die einzige Besonderheit bei Khorgai und Guta: Beide sind mindestens 13 Jahre alt – da sind sich die Mitarbeiter:innen des WWF Russland sicher, denn sie kennen das Paar bereits seit dem Winter 2011/2012 von Kamerafallen-Aufnahmen. Schneeleoparden lassen sich eindeutig anhand ihrer Fellzeichnung erkennen, die so individuell ist wie ein menschlicher Fingerabdruck.
13 Jahre – ein so hohes Alter erreichen Schneeleoparden in freier Wildbahn nicht oft. In Gefangenschaft hingegen können die Tiere bis zu 21 Jahre alt werden. „So alte Schneeleoparden wird es in freier Wildbahn sehr wahrscheinlich nicht geben. Tiere im Alter von 13 Jahren wurden zum Beispiel in der Mongolei beobachtet, aber es ist das erste Mal, dass ein sich paarendes Schneeleoparden-Paar in diesem Alter beobachtet wurde“, erzählt Alexander Karnaukhov vom WWF Russland.
Indikator für einen intakten Lebensraum
Khorgai und Guta leben auf dem Chikhachev-Rücken in der Republik Altai an der Grenze zur Mongolei. „Ihr hohes Alter zeigt uns, dass die Lebensbedingungen für Schneeleoparden in der Region gut sind und es den Tieren gut geht“, so Alexander Karnaukhov. „Das unterstreicht, wie wichtig der Chikhachev-Rücken als Lebensraum für Schneeleoparden ist. Diese Gebirgsbrücke an der Grenze zur Mongolei ermöglicht es Schneeleoparden, von einem Land in das andere zu wandern.“
Jedes Bild, das die Wissenschaftler:innen von Khorgai und Guta bekommen, ist ein Grund zur Freude. Denn es zeigt, dass die Schneeleoparden am Leben und in Sicherheit sind. Die letzten Bilder von Khorgai, dem Kater, stammen aus dem Jahr 2021. Höchstwahrscheinlich hat Khorgai mindestens zehn weitere Nachkommen, darunter auch Jungtiere, die in der Mongolei leben.
Wilderei und Lebensraumverlust bedrohen Schneeleoparden
Trotz der guten Nachrichten hängt das Überleben der Schneeleoparden von intensiven Schutzbemühungen ab. Denn nach wie vor bedroht sie ihr größter Feind: der Mensch. Fell und Knochen der Tiere erzielen auf illegalen Märkten weltweit hohe Preise, fast allen Körperteilen wird medizinische Wirkung nachgesagt.
Aus Rache für gerissenes Vieh sterben immer wieder Schneeleoparden in Fallen oder durch Giftköder, die von erzürnten Hirten ausgelegt werden.
Und dann ist da noch die Klimakrise, die den Lebensraum der Tiere rapide verändert.
Vielfältige Maßnahmen zum Schutz der Schneeleoparden
Der WWF und seine Partner arbeiten seit zwei Jahrzehnten daran, die scheuen Großkatzen und ihren Lebensraum zu retten. Im russischen Verbreitungsgebiet werden freiwillige Ranger:innen ausgebildet und mit Ausrüstung unterstützt. Sie halten Kontakt zur lokalen Bevölkerung und berichten über mögliche Wilderei-Fälle.
Seit vergangenem Jahr wird auf Initiative des WWF ein Grenzzaun aus Stacheldraht zwischen der Mongolei und Russland systematisch abgebaut, damit die Beutetiere des Schneeleoparden, Sibirische Steinböcke und Argali Wildschafe, ungehindert die Grenze auf angestammten Wildwechseln passieren können.
Außerdem baut der WWF in besonderen Hotspots für die lokalen Hirten Schneeloparden-sichere Korrals für deren Vieh. Die Bestände der Schneeleoparden und ihrer Beutetiere werden systematisch untersucht und Vorschläge zur Erweiterung von Schutzgebieten erstellt.
Dass Khorgai und Guta bereits so alt werden konnten zeigt, dass die Schutzbemühungen wirken. Es geht ihnen gut. Und damit auch ihrem Lebensraum.
- Leoparden und Schneeleoparden