Eine Dracheneidechse (Laodracon carsticola). Ein Igel (Hylomys macarong) mit weichem Fell und scharfen Reißzähnen – und dementsprechend benannt nach dem vietnamesischen Wort „Ma ca rong“ für Vampir. Eine elegante grün-schwarze Grubenotter (Trimeresurus ciliaris), deren Marmorierung wirkt, als habe sie lange Wimpern: Das sind nur drei skurrile Vertreter der über 230 Tier- und Pflanzenarten, die im letzten Jahr in der Mekong-Region neu entdeckt wurden.

Der neue WWF-Bericht dokumentiert die Arbeit von Hunderten von Wissenschaftler:innen. In rund zwölf Monaten haben sie 173 Pflanzen-, 26 Reptilien-, 17 Amphibien-, 15 Fisch- und drei neue Säugetierarten in Kambodscha, Laos, Myanmar, Thailand und Vietnam gefunden. Damit steigt die Zahl der seit 1997 in der Mekong-Region neubeschriebenen Arten auf 3.623. „Obwohl diese Arten erst im vergangenen Jahr von der Wissenschaft beschrieben wurden, leben sie schon seit vielen Jahrtausenden in den einzigartigen Lebensräumen der Mekong-Region“, erklärt Asien-Experte Dr. Stefan Ziegler vom WWF Deutschland. „In der Mekong-Region gibt es vermutlich noch unzählige Arten, die die Wissenschaft nicht kennt.“

Der Mekong – eine besondere Schatzkammer der Evolution

Die Region rund um den Mekong ist wegen ihrer biologischen Vielfalt eine Schatzkammer der Biodiversität. Ein ausgeprägtes Relief mit Gebirgsketten, die über 5.000 Meter Meereshöhe reichen, Trockenwälder, Feuchtgebiete und Mangroven sowie hohe Jahresniederschläge und feuchtheißes Klima haben die Evolution hier über die letzten Millionen Jahren einzigartig angekurbelt.

Die „Greater Mekong Region“ steht jedoch unter starkem Druck durch intensive forst- und landwirtschaftliche Nutzung, Lebensraumverlust und -verschlechterung, Raubbau, illegalen Wildtierhandel, Klimakrise, Verschmutzung und invasive Arten. Seit den 1970er Jahren wurden Millionen Hektar Wald abgeholzt. Gleichzeitig sind im Mekong und seinen Nebenflüssen bereits viele Wasserkraftanlagen in Betrieb; rund 150 weitere Anlagen sind geplant, die den Lebensraum zahlreicher Wasserlebewesen irreversibel zu zerstören drohen. „Es könnten Tier- und Pflanzenarten für immer ausgelöscht werden, bevor wir überhaupt von deren Existenz erfahren", gibt Ziegler zu Bedenken. „Unser Ziel muss es sein, die biologisch wertvollen Gebiete am Mekong grenzüberschreitend und dauerhaft zu schützen sowie die natürlichen Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Gesunde und intakte Ökosysteme kommen dabei auch der lokalen Bevölkerung zugute.

Den ganzen Report lesen:

Wie werden neue Tiere und Pflanzen entdeckt?

Arten werden auf ganz unterschiedliche Weise entdeckt. Einige werden bei Feldbesuchen gesammelt und lagern jahrelang – manchmal jahrzehntelang – in Naturkundemuseen und botanischen Gärten, bevor sie analysiert und identifiziert werden. Gernot Vogel, einer der Forscher, die zu den im Bericht erwähnten Entdeckungen beigetragen haben, betont die Bedeutung dieser Sammlungen und bezeichnet sie als das „Gedächtnis des Lebens auf unserem Planeten“. Manchmal werden Arten im Handel gefunden, wie es bei vielen Orchideen- und Aquarienfischarten der Fall ist. „Wir müssen dafür sorgen, dass diese Arten beschrieben und verstanden werden, damit sie nicht durch Raubbau verloren gehen, bevor sie überhaupt in freier Wildbahn beschrieben sind“, sagte Jedsada Taweekan, WWF-Regionalprogrammleiter für illegalen Wildtierhandel im Großraum Mekong.

  • Dawei Road © WWF - Myanmar / Hkun Lat Mekong-Region

    Der Mekong ist mit etwa 4.500 Kilometern Länge der zehntgrößte Fluss der Welt und seine Artenvielfalt ist fast so gewaltig wie die des Amazonas. Weiterlesen ...