Nashörner gibt es seit etwa 50 Millionen Jahren. Die Vorfahren der heute lebenden Rhinozerosse waren in vielen Arten weit über die Erde verteilt. Heute ist von dieser Vielfalt nicht mehr viel übrig: Java-Nashorn, Sumatra-Nashorn und Panzernashorn in Asien sowie Spitz- und Breitmaulnashorn in Afrika sind noch übrig. Drei der fünf Arten sind vom Aussterben bedroht.
Es steht für Wohlstand, Macht und Erfolg: Nashorn-Horn wird hauptsächlich aus gesellschaftlichen Gründen und als vermeintliche, extrem hochpreisige Medizin konsumiert. Dabei ist der kommerzielle internationale Handel von Nashornderivaten seit dem Jahr 1977 für alle Arten verboten. Obwohl die Gesetzgebung eindeutig ist, floriert der Schwarzmarkt für Nashorn-Produkte nach wie vor.
Wo die Nashorn-Wilderer wüten
In Südafrika leben mit Abstand die meisten Nashörner auf diesem Planeten. Dort finden sich knapp 70 Prozent der afrikanischen Bestände, beim Breitmaulnashorn sogar gut 80 Prozent. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden hier die letzten Vertreter des südlichen Breitmaulnashorns gefunden. Weniger als 100 Tiere lebten damals noch. Aus diesem Bestand wurde die Unterart in mühevoller Naturschutzarbeit über die vergangenen 100 Jahre wieder aufgebaut. Mit Erfolg: 2012 gab es afrikaweit wieder mehr als 21.000 Tiere.
Doch die seit vielen Jahren heftig wütende Wilderei macht diesen hart erkämpften Erfolg in Teilen wieder zunichte. Zehn Jahre lang befanden sich die Bestände des Breitmaulnashorns im Sinkflug: von den gut 21.000 Tieren waren 2021 nur noch knapp 16.000 übrig. Doch die gute Nachricht ist: Dank konzentrierter Bemühungen, die Wilderei einzudämmen, konnten sich die Bestände langsam wieder erholen. Im Herbst 2023 meldete die Weltnaturschutzunion (IUCN) das erste Mal in zehn Jahren wachsende Bestände: geschätzte 16.800 Breitmaulnashörner gab es Ende 2022 wieder.
Auch das vom Aussterben bedrohte Spitzmaulnashorn leidet unter der anhaltenden Wilderei. Nachdem in nur 20 Jahren erschreckende 96 Prozent seiner Bestände vernichtet wurden, gab es Mitte der 1990er-Jahre nur noch rund 2.500 Tiere. Seitdem wird versucht, die letzten Populationen wieder zu vermehren. Mit Erfolg: 2018 gab es in Afrika schon wieder rund 5.500 Spitzmaulnashörner, 2022 waren es sogar fast 6.500 Tiere. Dieser Erfolg schafft zumindest ein wenig Zuversicht beim Nashorn-Schutz.
Die Nashorn-Wilderei flammt wieder auf
Südafrika musste in den vergangenen Jahren die Hauptlast der Wilderei tragen: Rund neun von zehn in Afrika gewilderten Nashörnern wurden hier getötet. 2014 hielt bisher den traurigen Rekord: Mehr als 1.200 gewilderte Nashörner wurden in diesem Jahr dort gezählt.
In großen Schutzgebieten wie dem Krüger-Nationalpark geht man sogar von noch höheren Verlusten aus, da einige Kadaver schlicht unentdeckt bleiben. 2021 hat der wohl berühmteste Park Südafrikas und Heimat der größten Nashornbestände der Welt die letzte Zählung veröffentlicht – mit einem sehr schlechten Ergebnis. In weniger als zehn Jahren fiel die Zahl der Nashörner von gut 10.600 um 75 Prozent auf rund 2.600 Tiere.
Nach einem leichten Rückgang im Jahr 2020, der vermutlich auch den Ausgangsbeschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie geschuldet war, meldete Südafrika 2021 wieder 451 Wildereivorfälle. Allein im Dezember 2021 gab es Meldungen, wonach Wilderer in Südafrika in nur zwei Wochen 24 Tiere getötet haben.
Auch 2022 fielen laut dem südafrikanischen Ministerium für Forstwirtschaft, Fischerei und Umwelt (DFFE) wieder 448 Nashörner der illegalen Jagd in Südafrika zum Opfer.
2023 wieder Anstieg der gewilderten Tiere
2023 zeigt nun leider wieder einen klar ansteigenden Wildereitrend, das belegen Zahlen des südafrikanischen Umweltministeriums, die im Februar 2024 veröffentlicht wurden: 2023 wurden in Südafrika 499 Nashörner gewildert – ein Anstieg um 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Besonders betroffen ist die Region in der Provinz KwaZulu-Natal. Hier wurden 2023 325 Fälle illegaler Nashorntötungen registriert. 307 allein im Hluhluwe-iMfolozi Park. Dies entspricht 65 Prozent der Gesamtzahl der Nashörner, die im vergangenen Jahr in Südafrika gewildert wurden und einem provinzweiten Anstieg von 33 Prozent. Der WWF arbeitet seit vielen Jahren in der Provinz. Mit Unterstützung für Ranger:innen und Schutzgebiete vor Ort helfen wir dabei, eine noch schlimmere Eskalation zu verhindern.
„Vor allem die angestiegenen Wildereizahlen in KwaZulu-Natal machen uns große Sorge. Sie zeigen: Selbst wenn die Wilderei einige Jahre zurückgeht, sie kann jederzeit wieder aufflammen, solange die Nachfrage nicht merklich und nachhaltig eingedämmt ist. Südafrika beherbergt mit Abstand die meisten Nashörner auf dem afrikanischen Kontinent und ist deshalb am stärksten von Wilderei betroffen. Die Anstiegt der Wilderei zeigt, dass die Situation der afrikanischen Nashörner weiterhin brenzlig ist.“
Was treibt die Nashorn-Wilderei an?
Nashörner werden ihres Hornes wegen gewildert. Es gilt bei vielen Menschen auch heute noch als medizinisches Heilmittel und prestigeträchtiges Luxusprodukt. Ihm werden medizinische Wunderwirkungen nachgesagt. So wird auf exklusiven Partys beispielsweise Wein, gemischt mit gemahlenem Nashorn, getrunken oder nach einer durchzechten Nacht gegen den Kater eingenommen.
Fatalerweise verbreiteten sich in der Vergangenheit Gerüchte über die vermeintliche Heilung eines vietnamesischen Regierungsbeamten von Krebs nach der Einnahme von Rhinohorn. Ob und inwieweit diese Behauptungen zur Eskalation der Nashornwilderei beigetragen haben, ist nicht belegt. Jedoch führte die rapide steigende Nachfrage nach den Hörnern zu massiven Preisanstiegen und somit auch zu verstärkter Wilderei.
Diese zugesprochenen Heilwirkungen lassen sich wissenschaftlich nicht nachweisen. Nashorn besteht zum Großteil aus Keratin, vergleichbar mit Haaren oder Nägeln. Gleichzeitig halten sich Überzeugungen und Glauben, dass sich der teure Preis lohne für die vermeintliche heilende Wirkung.
Das Horn der Nashörner ist heute eines der teuersten illegalen Wildtierprodukte der Welt. Nicht zuletzt deswegen entstand eine zweite Konsument:innen-Gruppe, die Rhinohorn als Statussymbol und Luxusobjekt schätzt, um damit den eigenen Wohlstand zur Schau zu stellen. Es wird als teures Geschenk für Geschäftspartner:innen und Freund:innen präsentiert und ist mittlerweile für manche sogar Investitionsobjekt.
Wie kommt Nashorn von Afrika nach Asien?
Die größte Nachfrage für Nashorn kommt aus Vietnam und China. Anders als Elfenbein wird Nashorn nicht tonnenweise aus Afrika nach Asien verschifft, sondern zumeist im Fluggepäck von Einzelpersonen auf bestimmten Flugrouten geschmuggelt. Laut TRAFFIC können die Wildereibanden das Horn eines gewilderten Nashorns innerhalb von nur 48 Stunden auf den Schwarzmarkt in Hanoi bringen. Hauptaus- und -einfuhrpunkte für die unzähligen Schmuggelversuche der letzten Jahre sind Südafrika, Vietnam und China.
Der Import, Handel und Besitz von Nashorn ist in Vietnam illegal und kann laut dem Gesetz mit mehreren Jahren Haft bestraft werden. „Allerdings mangelt es an ernstzunehmender Bemühung und Strafverfolgung, um den illegalen Handel einzustellen“, sagt Katharina Hennemuth, Expertin für Wilderei und illegalen Wildtierhandel beim WWF Deutschland.
Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES regelt den internationalen Handel mit wild lebenden Tier- und Pflanzenarten. Der kommerzielle internationale Handel von Nashornderivaten ist seit dem Jahr 1977 für alle Nashornarten verboten. Dieses Abkommen wurde 1994 von Vietnam unterschrieben. Obwohl die nationale Gesetzgebung eindeutig den Handel und Besitz von Nashorn verbietet, floriert der Schwarzmarkt in kleinen Einzelhandelsgeschäften und im Internet.
Was macht der WWF im Kampf gegen Nashorn-Wilderei?
Zwei der wichtigsten Gründe, warum sich Menschen der Wilderei und dem illegalen Handel mit Wildtierprodukten widmen, sind Armut und fehlende Einkommensperspektiven. Aber auch Korruption, fehlender politischer Wille und unzureichende Kapazitäten bei den Strafverfolgungsbehörden entlang der gesamten Ermittlungskette machen die Wilderei zu einem lukrativen Geschäft mit noch immer vergleichsweise geringem Risiko.
Hinzu kommt das Problem vieler Schutzgebiete, in denen Wildtiere nicht ausreichend geschützt werden können. Es mangelt an Ausrüstung, Technologie und vor allem an Wildhüter:innen. Für sie braucht es ein sicheres Arbeitsumfeld, angemessene Ausbildung und das passende Equipment, damit sie professionell und erfolgreich ihre Arbeit machen können.
Genau bei diesen Problemen setzt der WWF mit seiner Arbeit an. Seit Jahren unterstützt der WWF die Arbeit vor Ort, stellt Mittel zum Kauf von Ausrüstung und Training für Wildhüter:innen zur Verfügung und fördert den Wissensaustausch und die Koordination zwischen den Büros im Südlichen Afrika. Denn Wilderei ist ein grenzübergreifendes Problem.
Die Ärzte von morgen erreichen
Ein weiterer wichtiger Baustein im Kampf gegen die Wilderei ist es, die Nachfrage zu senken. In Vietnam und China fördert der WWF deshalb die Arbeit mit Akteuren der traditionellen Medizin, wie Universitäten oder offiziellen Verbänden. Der WWF will diese und die nächste Generation Ärzt:innen erreichen, damit sie künftig kein Rhinohorn mehr als Behandlungsmethode empfiehlt.
Durch Aktivitäten wie Online-Workshops, Wettbewerbe und Aktionen in den Ausbildungsstätten wurden bereits mehr als 13.000 Studierende und Lehrkräfte angesprochen. Eine Befragung vor und nach Kampagnen zeigte, dass 85 Prozent der Befragten in Zukunft keine Produkte aus gefährdeten Wildtieren mehr empfehlen werden. Davor waren es nur 68 Prozent. Das heißt: Die Aufklärungsarbeit wirkt.
Wichtig sind außerdem die Zusammenarbeit und der Dialog mit politischen Akteur:innen, Kliniken für traditionelle Medizin und der Pharmaindustrie. Damit will der WWF erreichen, dass bestehende Gesetze effektiv durchgesetzt werden und dass sich politische Akteur:innen und Geschäftsleute nicht am illegalen Geschäft beteiligen. Hierzu wurde zum Beispiel gemeinsam mit dem vietnamesischen Gesundheitsministerium ein Leitfaden für Kliniken entwickelt, der aufzeigt, wie der Konsum und die Verschreibung von Rhinohorn und anderen illegalen Wildtierprodukten eingedämmt werden kann.
Rund 5.000 Ärzte, 3.000 Geschäftsleute und Vertreter von 60 Verbänden der traditionellen Medizin sowie 50.000 Menschen der allgemeinen Bevölkerung haben wir bislang erreicht.
Ein zähes Ringen um die verbleibenden Rhinos
Bei aller Projektarbeit behält der WWF mit seiner Arbeit zugleich das große Ganze im Blick: die illegale Rhinohorn-Handelskette, die sich um den halben Globus zieht. An allen Schaltstellen dieses kriminellen Förderbands – vom Schutzgebiet in Südafrika bis zum Konsumenten bzw. zur Konsumentin in Vietnam oder China – setzen wir an, um dieses tödliche Geschäft weiter einzudämmen.
Die Arbeit an beiden Enden der Handelskette muss unbedingt aufrechterhalten werden, denn langfristig kann nur ein Nachlassen des wichtigsten Treibers – die Nachfrage nach Nashorn-Horn – zu einer Entspannung der Lage führen. Bis es so weit ist, müssen dringend auch weiterhin Schutzgebiete und Strafverfolgungsbehörden bei ihrer Arbeit bestmöglich unterstützt werden“, sagt Katharina Hennemuth.
Es ist ein zähes Ringen um die Nashörner Afrikas.
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