Die Welt steht vor immer größeren globalen Herausforderungen. Eine wegweisende, handlungsorientierte Studie zeigt nun, wie Naturschutzgebiete dazu beitragen können, diese Herausforderungen zu meistern. Und sie fordert Regierungen, Unternehmen und Gemeinden auf, flächenbezogene Naturschutzmaßnahmen in ihre Entwicklungspläne zu integrieren, um die Ziele der Agenda 2030 umzusetzen. Drei WWF-Projekte zeigen heute schon, wie das geht.

Ein historischer Beschluss

„Transforming our world“ – unter diesem Titel veröffentlichten die Vereinten Nationen im September 2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Kern des UN-Beschlusses: 17 globale nachhaltige Entwicklungsziele, auch bekannt als Sustainable Development Goals, kurz SDGs.

Armut und Hunger weltweit beenden, Ungleichheiten verringern, Frieden schaffen, nachhaltige Entwicklung fördern, Ökosysteme zu Land und zu Wasser wiederherstellen und schützen – das sind nur ein paar dieser 17 Ziele, die bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden sollen. Das Besondere daran: Die 17 Ziele decken nicht nur die Bereiche Soziales und Wirtschaft, sondern auch den Bereich Umwelt ab. Damit macht der UN-Beschluss unmissverständlich klar, dass der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen unabdingbar für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und den Kampf gegen Armut und Hunger ist.

Alle 193 Mitgliedsstaaten haben die Agenda 2030 unterzeichnet und sich damit verpflichtet, die Ziele im eigenen Land umzusetzen.

Schlüsselrolle der Schutzgebiete

Güeppi-Sekime National Park, Loreto, Peru © Diego Pérez / WWF Peru
Güeppi-Sekime National Park, Loreto, Peru © Diego Pérez / WWF Peru

Aber wie sollen diese äußerst ambitionierten Ziele in so kurzer Zeit umgesetzt werden?

Eine Schlüsselrolle bei der Verwirklichung der SDGs können Schutzgebiete spielen – das zeigt die Studie „Building on Nature. Area-based conservation as a key tool for deliverings SDGs“. Die Studie ist ein Gemeinschaftsprojekt des Institute for European Environmental Policy (IEEP), der Weltkommission der Schutzgebiete (WCPA), The Nature Conservancy (TNC), der Weltbank, des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), der Wildlife Conservation Society (WSC) und des WWF.

Ein Schutzgebiet ist laut Definition der Weltnaturschutzunion (IUCN) „ein geografisch eindeutig definiertes Gebiet, das durch gesetzliche oder andere effektive Maßnahmen verwaltet wird und dem langfristigen Schutz und dem Erhalt der biologischen Vielfalt und den damit verbundenen natürlichen und kulturellen Ressourcen gewidmet ist.“ Die Ausweisung und Verwaltung von Schutzgebieten nennt man auch flächenbezogene Naturschutzmaßnahme.

Auch Gebiete, deren primäre Aufgabe nicht der Erhalt der biologischen Vielfalt ist, können einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität leisten – beispielweise Korridore zwischen Schutzgebieten oder ehemalige militärische Sperrgebiete. In diesen Fällen spricht man von „weiteren effektiven flächenbezogenen Naturschutzmaßnahmen“, den sogenannten OECMs (englisch „other effective area-based conservation measures“).

Ökosysteme bewahren, UN-Ziele umsetzen

Intakte Ökosysteme bieten nicht nur Tieren und Pflanzen Lebensraum und Nahrung, auch für die Lebensqualität und die Gesundheit der Menschen sind sie elementar. Sie sorgen für den Erhalt der Biodiversität, schützen das Klima und tragen zur nachhaltigen Wasserversorgung und zur Ernährungssicherung bei. Eine Möglichkeit, diese sogenannten Ökosystemdienstleistungen zu bewahren, sind Schutzgebiete.

Werden flächenbezogene Naturschutzmaßnahmen effektiv eingesetzt, tragen sie also nicht nur zum Erreichen der UN-Ziele bei, die sich explizit auf den Schutz der Natur beziehen. Ihre Reichweite ist viel größer: Indem sie die Ökosystemdienstleistungen bewahren, unterstützen Schutzgebiete beispielweise auch die Armutsbekämpfung, sie reduzieren Ungleichheiten und befördern die Entwicklung und Wiederherstellung friedlicher, rechtstaatlicher und inklusiver Gesellschaften.

Wie das funktioniert, zeigt die Studie in 30 Projektbeispielen. Darüber hinaus stellt die Studie konkrete Leitlinien zur Verfügung, wie Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Schutzgebiete in ihre SDG-Strategie integrieren können. Drei dieser inklusiven Naturschutzprojekte stellen wir Ihnen hier vor.

Dzanga-Sangha, Zentralafrikanische Republik: Wie integratives Schutzgebietsmanagement Ungleichheiten verringert

Waldelefanten auf der Dzanga-Bai © Carlos Drews / WWF
Waldelefanten auf der Dzanga-Bai © Carlos Drews / WWF

Im Südwesten der Zentralafrikanischen Republik erstreckt sich über 4.500 Quadratkilometer das Dzanga-Sangha-Schutzgebiet, das zu den wichtigsten Ökoregionen der Welt zählt.

Es ist Heimat zahlreicher seltener und bedrohter Arten wie dem Afrikanischen Waldelefanten, dem Westlichen Flachlandgorilla, verschiedene Antilopenarten und vielen mehr. Wegen ihrer unersetzbaren Bedeutung für die Biodiversität wurde die Region 2012 zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt.

Terai Arc, Nepal: Wie Waldschutz die Lebensumstände von Frauen verbessert

Ein Tiger fotografiert mit einer Kamerafalle in Nepal © Emmanuel Rondeau / WWF-US
Ein Tiger fotografiert mit einer Kamerafalle in Nepal © Emmanuel Rondeau / WWF-US

Die Wälder und Grasländer des Terai Arc beherbergen so ikonische Tierarten wie den Asiatischen Elefanten und das Panzernashorn; und nirgendwo sonst auf der Erde gibt es mehr Tiger als in dieser Region, die sich entlang der Grenze zwischen Nepal und Nordwest-Indien auf 49.600 Quadratkilometern erstreckt.

Rund die Hälfte der Terai-Arc-Landschaft befindet sich in Nepal, dort leben ungefähr 7,5 Millionen Menschen. Ihre Haupteinkommensquellen sind Landwirtschaft, Tierhaltung, Angestelltenerwerbstätigkeit und Geldüberweisungen von Angehörigen, die im Ausland arbeiten.

Für die Haushalte in den ländlichen Gegenden dienen die Wälder als Sicherheitsnetz; vor allem arme Familien sind auf deren natürlichen Ressourcen angewiesen.

Alto Fragua Indiwasi, Kolumbien: Wie inklusiver Naturschutz den Frieden sichert

Blick auf den Fluss Caqueta im Amazonas © César David Martinez
Blick auf den Fluss Caqueta im Amazonas © César David Martinez

Der Alto-Fragua-Indiwasi-Nationalpark erstreckt sich im Departemento Caquetá über eine Fläche von 74.555 Hektar. Die Region gehört zu den wichtigsten Biodiversitätshotspots weltweit, treffen hier doch drei Epizentren der biologischen Vielfalt aufeinander – der Chocó, die Anden und der Amazonas.

Der Nationalpark umfasst außerdem Gebiete, die der indigenen Bevölkerung der Ingano heilig sind, da dort Heilpflanzen wie Yage und Yoco wachsen. Die Gründung des Nationalparks im Jahr 2002 war der erste Versuch in Kolumbien, auf angestammtem Land der indigenen Bevölkerung ein Schutzgebiet zu etablieren, das den Zusammenhang von biologischer und kultureller Vielfalt berücksichtig.

Während des jahrzehntelangen Bürgerkriegs in Kolumbien war das Departemento Caquetà Hauptschauplatz der gewalttätigen Auseinandersetzungen. Der bewaffnete Konflikt ist in dieser Region eng mit dem Kokaanbau und dem Drogenhandel verknüpft, der bis in die frühen 1980er-Jahre zurückreicht und viele verarmte Bäuer:innen aus anderen Teilen Kolumbiens in die abgelegene Grenzregion lockte. Die harten Drogenbekämpfungsmaßnahmen der kolumbianischen Regierung und der Vereinigten Staaten konnten wenig gegen die illegale Kokaindustrie in Caquetá ausrichten. Sowohl der illegale Kokaanbau als auch die Regierungsstrategien zu seiner Bekämpfung stellen eine große Bedrohung für den Schutz des Alto-Fragua-Indiwasi-Nationalparks dar.

  • Ranger in Kenia © Jonathan Caramanus / Green Renaissance / WWF-UK Menschen und Naturschutz

    Das sind die Herausforderungen in der Entwicklungszusammenarbeit und im Naturschutz. Weiterlesen ...