Dort, wo die Weser in die Nordsee mündet, hat sich über Jahrtausende ein Ästuar gebildet. Das sind von Ebbe und Flut beeinflusste Lebensräume zwischen Land und Meer – einzigartige Lebensräume mit einer hohen Artenvielfalt. Doch wie die anderen heimischen Ästuare an Elbe und Ems ist auch das Weserästuar bedroht.

Ästuarlebensräume sind etwas Besonderes, weil sich hier das Süßwasser des Flusses mit dem Salzwasser des Meeres mischt und die Gezeiten bis in die Süßwasserzone reichen. Typisch für die Süßwasserzone sind Süßwasserwatten, Röhrichte und Tideauwälder. Die Tiere und Pflanzen des Ästuars haben sich an die besonderen Lebensbedingungen, den zweimal täglich schwankenden Wasserstand und Salzgehalt, angepasst. Einige Arten kommen nur hier vor.

Ausgflugsschiff Wega II in der Wesermündung © Imago / Zoonar / Jürgen Wackenhut
Ausgflugsschiff Wega II in der Wesermündung © Imago / Zoonar / Jürgen Wackenhut

Brack- und Süßwassserwatten beherbergen eine Vielzahl wirbelloser Tierarten. Diese bilden die unverzichtbare Nahrungsgrundlage für charakteristische Vogelarten wie Säbelschnäbler, Rotschenkel und viele andere. Die Vorländer und Nebenarme der Weser haben daher eine hohe Bedeutung für Brut- und Rastvögel. Auch für ästuarine Fischarten wie die Finte und die wandernden Fluss- und Meerneunaugen hat das Weserästuar trotz stark dezimierter Flachwasserbereiche in der Unterweser heute noch eine hohe Bedeutung.

Die Unterweser

Die Unterweser ist der innere Teil des Weserästuars. Sie beginnt mit dem Ende des Einflusses von Ebbe und Flut im Landesinneren am Bremer Wehr und geht bei Bremerhaven in die Außenweser über. Sie fließt durch die Bundesländer Bremen und Niedersachsen. Aufgrund ihrer wertvollen und naturnahen Biotope ist die Unterweser in weiten Teilen als „Besonderes Schutzgebiet“ nach der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesen und damit Bestandteil des europäischen ökologischen Netzes Natura 2000, das dem Erhalt der biologischen Vielfalt an Arten und Lebensräumen in Europa dient.

Die Außenweser

Die Außenweser ist Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer und des Naturschutzgebietes Tideweser. In diesen Schutzgebieten gehen die Flachwasserzonen in Sandbänke, in ausgedehnte Schlick-, Sand- und Mischwattflächen über, in denen eine Vielzahl von Organismen lebt. Diese Besonderheit macht das Wattenmeer zu einem der produktivsten Ökosysteme der Erde. In den flachen Küstenbereichen mit ihren Sandbänken und Riffen finden viele Arten einen geeigneten Lebensraum, darunter Schweinswal und  Seehund.

Gefährdung der biologischen Vielfalt

Das Weserästuar befindet sich aufgrund von Ausbauten für die Schifffahrt (die Unterweser wurde dreimal und die Außenweser viermal vertieft) und Vordeichungen bereits heute in einem ökologisch beeinträchtigten Zustand. Dieser darf sich nach den Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie und der FFH-Richtlinie nicht noch weiter verschlechtern. Im Gegenteil! Es besteht die Verpflichtung, ein ökologisch intaktes Ästuar wiederherzustellen und die dafür notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Dennoch sollen sowohl Unter- als auch Außenweser erneut vertieft werden – Maßnahmen, die verheerende Folgen für das gesamte Ökosystem hätten.

Warum soll die Weser vertieft werden?

Containerschiff © Evren Kalinbacak / Getty Images / iStockphoto
Containerschiff © Evren Kalinbacak / Getty Images / iStockphoto

Mit der Außenweservertiefung soll die Zufahrt zum Container-Terminal Bremerhaven erweitert werden, damit moderne Megacarrier Bremerhaven mit höherer Ladung anlaufen bzw. verlassen können. Dies soll durch die Ausbaggerung der Flusssohle auf 50 Kilometer Länge von heute ca. minus 14 Meter Seekartennull (SKN) auf eine neue Solltiefe von minus 15 Meter SKN ermöglicht werden. Zusätzlich soll die Fahrrinne der Außenweser auf einer Länge von 30 Kilometern verbreitert und auf einer Länge von 10 Kilometern um 240 Meter verschwenkt werden.

Zwischen Bremerhaven (Weser-Kilometer 65) und Brake (Weser-Kilometer 40) soll die Fahrrinne der Unterweser ausgebaut werden. Durch eine Vertiefung der Fahrrinnensohle zwischen Brake und Nordenham um bis zu einem Meter soll der Hafen Brake für einlaufende Schiffe mit einem Abladetiefgang von maximal 12,80 Metern tideabhängig möglich werden. Derzeit können Schiffe mit einem Abladetiefgang von 11,90 m den Seehafen Brake anlaufen.

Welche Folgen hätte eine Vertiefung?

Die ökologischen Folgen dieser Ausbaumaßnahmen wären immens: Der Tidenhub, also die Differenz zwischen Tidehochwasser und Tideniedrigwasser, würde stark ansteigen und ökologisch wertvolle Flachwasserbereiche zerstören.

Die Strömungsgeschwindigkeiten in der Fahrrinne würden zunehmen. Mit immer kürzeren Laufzeiten der Sturmfluten von der Nordsee ins Binnenland wäre ebenso zu rechnen wie mit der Verschlickung von Nebenarmen, Stränden und Bootshäfen. Dadurch würden Seitenräume und Nebenarme verlanden und wertvolle Flachwasserzonen verloren gehen, in denen Fische laichen, aufwachsen und Nahrung finden.

Die salzhaltige Brackwasserzone würde sich flussaufwärts schieben und dabei wertvolle Süßwasserlebensräume zerstören und mit dem Bewässerungssystem in die Marschebene eindringen.

Die Auswirkungen würden bis in die Nebenflüsse reichen und dort zu verstärkter Ufererosion und zum Verlust wertvoller Lebensräume wie Röhrichte und Tideauwälder führen. Charakteristische und geschützte Tier- und Pflanzenarten wären die Leidtragenden der Weservertiefung.

Vertiefungen sind überflüssig

Ökologische Katastrophen, die nicht riskiert werden müssten. Zu diesem Ergebnis kommt der WWF in seinen Hintergrundpapieren zur Vertiefung der Außenweser und zur Vertiefung der Unterweser.

Eine Auswertung der tatsächlichen Tiefgänge der Seeschiffe, die 2023 den Hafen Brake verlassen haben, zeigt, dass der heute schon mögliche Tiefgang von 11,60 Metern nicht genutzt wird. Auch an der Außenweser zeigt sich, dass bereits heute einlaufende Schiffe mit einem Tiefgang von 15,5 Metern Bremerhaven tideabhängig anlaufen und auslaufende Schiffe mit einem Tiefgang von 15,3 Metern Bremerhaven verlassen können. Eine Auswertung der tatsächlichen Tiefgänge der Schiffe mit einem Konstruktionstiefgang von 13,5 Metern bis 16,6 Metern, die Bremerhaven im Zeitraum vom 01.02.23 bis 31.12.23 angelaufen haben, zeigt, dass von den möglichen Maximaltiefgängen kein Gebrauch gemacht wird.

Die immer wieder geforderten Maßnahmen zur Vertiefung der Weser sind daher unnötig. Notwendig ist vielmehr der Erhalt und die Wiederherstellung naturnaher Lebensräume im Weserästuar.

„Mit dem Verzicht auf die Vertiefungen von Unter- und Außenweser würde Deutschland seiner Verantwortung für die europäischen Naturschutzgebiete und dem Erhalt der biolgischen Vielfalt gerecht werden, die Menschen vor einer Erhöhung des Hochwasserrisikos bewahren und zugleich den Steuerzahler entlasten, ohne dass dadurch die Hafenstandorte in Brake und Bremerhaven gefährdet werden.“

Beatrice Claus, Expertin für Ästuare beim WWF Deutschland

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