Ästuare sind die Mündungsbereiche großer Flüsse ins Meer. Sie sind der von Ebbe und Flut beeinflusste Übergang vom Süßwasser des Flusses ins Salzwasser des Meeres. Im Durchmischungsbereich von Süß- und Salzwasser, in der Brackwasserzone, leben zum Teil hoch spezialisierte Arten, die nur in diesem begrenzten Bereich überleben können.

Für viele Watt- und Wasservögel sind Ästuare bedeutende Brut- und Rastgebiete. Für viele Fischarten des Wattenmeeres, wie die Flunder, sind sie die Kinderstube. Sie sind aber auch Laich- und Aufwuchsgebiet typischer Ästuarfische wie Finte und Stint und Wanderweg für Wanderfischarten wie Aal, Neunaugen und früher für den Stör. Aufgrund ihrer hohen Bedeutung für den Schutz der biologischen Vielfalt in Europa, stehen Ästuare unter europäischem Naturschutz.

In Deutschland gibt es vier Ästuare, die Eider, Elbe, Weser und Ems. Sie sind als bevorzugte Siedlungs-, Hafen- und Wirtschaftsstandorte wie kaum ein anderer Teil der Küstenlandschaft besonders stark vom Menschen verändert worden. Der Konflikt zwischen dem Schutz der Natur und den Schutz- und Nutzungsinteressen des Menschen  ist hier besonders groß.

In den letzten hundert Jahren wurden vor allem die Weser und Elbe als seeseitige Zufahrten der großen internationalen Häfen Hamburg und Bremen/Bremerhaven systematisch begradigt und vertieft. Besonders durch das schnelle Wachstum der Containerschiffe hat sich diese Entwicklung in den letzten Jahren rasant beschleunigt.

Im Emsästuar, welches bis Anfang der 90iger Jahre im letzten Jahrhundert als die fischreichste Flussmündung in Deutschland galt, können heute über viele Monate im Jahr aufgrund der niedrigen Sauerstoffgehalte und der hohen Schlickbelastung keine Fische mehr leben. Die Ursache dafür sind die Flussausbauten in den letzten 25 Jahren für die Überführung großer Kreuzfahrtschiffe von Papenburg nach Emden. Das Eiderästuar hat 1973 durch den Bau des Eidersperrwerkes viel von seiner natürlichen Dynamik verloren.

Herausforderungen

Containerschiff an der Unterelbe © Sabine Vielmo
Containerschiff an der Unterelbe © Sabine Vielmo

Derzeit sind an den drei größten deutschen Ästuaren weitere Ausbaumaßnahmen geplant. Außenweser und das Elbeästuar sollen für Schiffe mit Tiefgängen bis zu 14,5 Meter befahrbar gemacht werden. Es wird weltweit nur wenige Großcontainerschiffe mit diesen extremen Tiefgängen geben. Hierfür würde ein Tiefwasserhafen an der deutschen Nordseeküste völlig ausreichen - mit Hamburg, Wilhelmshaven und Bremerhaven wurden jedoch drei geplant und genehmigt. Der weit überwiegende Teil der Containerschiffe wird auch ohne weitere Flussvertiefungen weiterhin Hamburg und Bremerhaven problemlos anlaufen können.

Aus Sicht des WWF sind die geplanten und genehmigten Flussvertiefungen volkswirtschaftlich nicht erforderlich. Sie bringen der Hafenwirtschaft nur wenige Vorteile, die in keinem angemessenen Verhältnis zu der damit verbundenen Naturzerstörung und zum finanziellen Aufwand an Steuergeldern stehen. Der WWF fordert deshalb ein standortübergreifendes, tiefgangsabhängiges Hafenkonzept.

Küstenseeschwalbe im Nationalpark Wattenmeer © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Küstenseeschwalbe im Nationalpark Wattenmeer © Hans-Ulrich Rösner / WWF

Die bisherigen Vertiefungen der Unter- und Außenelbe hatten erhebliche negative Auswirkungen auf den Naturhaushalt: Der Tidenhub (Unterschied zwischen Ebbe und Flut) hat sich in Hamburg von 50 auf ca. 350 Zentimeter erhöht – mit der Folge, dass bei Ebbe die ehemaligen Flachwasserbereiche trocken fallen und Wasserpflanzen mit der daran gebundenen Lebensgemeinschaft in der Unterelbe bereits ausgestorben sind. Im Rahmen des Aktionsbündnisses Lebendige Tideelbe arbeiten WWF, NABU und BUND an einer naturverträglichen Lösung für dieses Thema.

Zusätzlich soll in Wilhelmshaven der Jade-Weser-Port als Tiefwasserhafens in betrieb genommen werden. Auch die Unterweser und Außenems sollen weiter vertieft werden und bestehende Umweltauflagen für den Schutz der Gewässergüte im Emsästuar für die Überführungen der Kreuzfahrtschiffe von Papenburg nach Emden gelockert werden.

Neben der Leitung des Verbändeprojektes „Perspektive lebendige Unterems“, arbeitet der WWF in den Gremien zur Alternativenprüfung der möglichen Lösungsvorschläge für die Schlick- und Sauerstoffprobleme im Emsästuar mit. Erste Ergebnisse werden Ende 2012 vorliegen.

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Weitere Informationen

  • Tideems © Gerrit Denekas Ästuare – Verbindung zwischen Land und Meer

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