Der WWF möchte die Beschleunigung der Energiewende durch den Bezug von Ökostrom unterstützen und empfiehlt die hier dokumentierten Qualitätsmerkmale bei der Beschaffung von Ökostrom. Sie sind Teil des Beschaffungsleitfadens für Großverbrauchende.
Nach welchen Kriterien sollte Ökostrom beschafft werden, um in besonderem Maße die Energiewende zu fördern?
Intention der Empfehlung ist die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien zusätzlich zu den bestehenden Fördersystemen. Der Fokus soll hierbei auf dem Ausbau von Windenergie und Photovoltaik liegen. Wasserkraft und Bioenergie spielen zukünftig eine nachgelagerte Rolle und sollten aufgrund ihrer vielfältigen ökologischen Belastungen nicht weiter ausgebaut und in ihrer Nutzung reduziert werden. Hingegen können Potenziale für Geothermie dort genutzt werden, wo dies technisch möglich erscheint. Nach diesen Kriterien beschafften Strom bezeichnet der WWF als Ökostrom next generation.
Die Kernelemente von Ökostrom next generation
Nach diesen Empfehlungen muss der Anteil an Ökostrom am Gesamtstrombedarf des Unternehmens/der Institution spätestens ab Lieferjahr 2025 80 Prozent und ab 2030 100 Prozent betragen.
- Ökostrom next generation soll zu möglichst hohen und alle zwei Jahre ansteigenden Anteilen aus Photovoltaik und/oder Windenergie stammen, wahlweise ergänzt um Strom aus Geothermie (im Folgenden bezeichnet als „Anteil next generation“).
- Der Anteil next generation besteht zu
- mindestens einem Drittel (33%) aus neu errichteten, aber nicht-geförderten Anlagen, die nicht vor mehr als 6 Jahren in Betrieb genommen wurden. Langfristige green PPAneu mit Neuanlagen werden für die gesamte Laufzeit des Abnahmevertrages als Neuanlage definiert (z.B. typische Laufzeit eines green PPAneu 10,12 oder 15 Jahre).
- maximal einem Drittel (33%) aus Anlagen, die staatlich gefördert werden UND nicht vor 2020 und ab 2026 nicht vor mehr als 6 Jahren in Betrieb genommen wurden UND deren erzielten Erlöse aus den Herkunftsnachweisen (HKN) demjenigen zugutekommen, der die Förderung finanziert, z.B. Steuerzahler oder Verbraucher über Umlagen (in Anlehnung an REDII; es sind derzeit nur sehr geringe Mengen für diese Kategorie zu erwarten).
- maximal 33% aus ausgeförderten Bestandsanlagen, die keine Anschlussförderung in Anspruch nehmen.
Anteil an Ökostrom next generation
Erläuterungen und Details
Energieträger
Der WWF erachtet Onshore-Windenergie, Offshore-Windenergie, Photovoltaik, Concentrated Solar Power (CSP) und Tiefengeothermie als besonders energiewendefreundlich. Wir grenzen diese Formen der erneuerbaren Energieumwandlung deutlich ab von Wasserkraft und Bioenergie. Die Wasserkraftwerke in Europa müssen ab 2027 die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie erfüllen. Das werden die meisten Kraftwerke absehbar nicht tun. Den Neubau von Wasserkraftwerken hält der WWF aufgrund vielfältiger ökologischer Belastungen für nicht verantwortbar. Jeder Bau von Energieerzeugungsanlagen ist ein schwerer Eingriff in die Natur. Wir halten jedoch den Ausbau der Windenergie und Photovoltaik für naturverträglich gestaltbar.
Vor diesem Hintergrund gehen wir bei der Wasserkraft von einem nicht größer werdenden Anteil am Stromerzeugungsmix aus. Derzeit liegt der Anteil der Wasserkraft in Europa (inkl. Schweiz und Norwegen) bei ca. 17 Prozent der Bruttostromerzeugung. Bei Annahme eines durch weitere Nutzungen steigenden Stromverbrauchs (z.B. Wärmepumpen, E-Mobilität) wird der Anteil an Wasserkraft bei keinem weiteren Ausbau in Europa sogar sinken. Wir sehen deshalb für Ökostrom next generation einen maximalen Wasserkraftanteil von zehn Prozent ab 2036 vor.
Bei der Bioenergienutzung sieht der WWF nur ein sehr begrenztes nachhaltiges energetisches Potenzial, das strikt auf Reststoffnutzung gemäß der Kaskadennutzung abstellt und vorrangig für die industrielle Wärmenutzung zur Verfügung stehen sollte. Biomasse muss strengen ökologischen Anforderungen1 entsprechen.
1Priorität bei einer Nutzung von angebauter Biomasse muss die Nutzung als Nahrungsmittel oder stofflicher Rohstoff darstellen. Eine energetische Nutzung des Abfallprodukts kann daran anschließen (Kaskadennutzung). Anlagen müssen somit auf Reststoffe aus der Landwirtschaft, biogene Abfallstoffe aus den Kommunen, der Gastronomie und der Lebensmittelverarbeitung abstellen. Der Anbau von Biomasse muss mit den Anforderungen des Naturschutzes, mit der Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft, Ernährungssicherheit einhergehen und die Verwendung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) ausschließen. Biomasse sollte nicht für eine energetisch Nutzung importiert werden.
Quoten
Für den ab 2021 bezogenen Ökostrom beträgt der Anteil Ökostrom next generation zunächst mindestens 20 Prozent aus Wind, Solar oder Geothermie. Ein Großverbrauchender, der 2023 einsteigt, muss bereits mindestens 30 Prozent aus Wind, Solar oder Geothermie beschaffen, usw.
Jedes zweite Jahr erhöht sich der Anteil an Ökostrom next generation um mindestens zehn Prozent, bis mindestens 90 Prozent erreicht sind. Ein Großabnehmer soll also ab dem siebten Jahr zu mindestens 50 Prozent seinen Ökostrombedarf aus Wind, Solar und Geothermie decken. Mindestens 80 Prozent sind nach 14 Jahren erreicht.
Da sowohl der Verbrauch als auch die Erzeugung schwanken und von der Prognose abweichen können, soll es möglich sein, Unterlieferungen im Folgejahr als Überlieferung auszugleichen.
„Ausgeförderte Anlagen“ (auch als Ü20-Anlagen bezeichnet) bezeichnet Anlagen, die aus einem staatlichen Fördersystem ausscheiden und keine Anschlussförderung in Anspruch nehmen.
Steigende Anteile aus Sonne, Wind und Geothermie
Freiraum und Planungssicherheit für greenPPAneu
Der sukzessive Anstieg der Quote von Ökostrom next generation lässt Freiraum bei der Beschaffung und ermöglicht Planungssicherheit hinsichtlich Power Purchase Agreements (PPA) mit Neuanlagen.
Volatile Erzeugung berücksichtigt
Um jährliche Schwankungen aufgrund der dargebotsabhängigen Produktion von Wind und Sonne auszugleichen, kann die Quote als Durchschnittswert über zwei bis drei Jahre erfüllt werden, d.h. eine Untererfüllung sollte im Folgejahr übererfüllt werden können. Dies wird der dargebotsabhängigen Produktion von Wind und Sonne gerecht.
Marktveränderungen im Blick
Der WWF behält sich vor, die Quoten zu einem späteren Zeitpunkt unter Beachtung regulatorischer Änderungen (bspw. EU Green Deal) und unter dem Aspekt der Planungs- und Investitionssicherheit für die Akteure anzupassen, wenn z.B. entsprechende Speicherkapazitäten zur Verfügung stehen oder umgekehrt die Erfüllung der Kriterien nicht realistisch darstellbar erscheint.
Umgang mit HKN aus neuen, geförderten Anlagen
Der WWF ist sich der Brisanz der Diskussion bewusst, ob geförderte Anlagen mit dem Verkauf der Ökostromeigenschaft einen weiteren Erlös erzielen dürfen sollen oder nicht. Der WWF lehnt einen zusätzlichen Erlös für den Betreiber der geförderten Anlage ab. Ein zusätzlich zur Förderung erzielter Mehrerlös durch den Verkauf der Ökostromeigenschaft sollte nur dann akzeptiert werden, wenn der Erlös dem/der Finanzierenden zugutekommt und dessen Budget entlastet bzw. die Fördermittel erhöht. Die Ökostromeigenschaft darf nur einmal vermarktet werden und würde mit dem Verkauf des Herkunftsnachweises dessen Empfänger gehören.
Zudem möchte der WWF den Impuls ausschließlich auf neue Anlagen lenken und akzeptiert Strom aus geförderten Anlagen frühestens ab 2020. Ab 2026 soll eine neue geförderte Anlage nicht älter als sechs Jahre sein.
In Deutschland ist der Verkauf von HKN aus EEG-geförderten Anlagen nicht möglich (sog. Doppelvermarktungsverbot). Aber das kann sich ändern, vor allem wenn zunehmend Finanzierungskosten des EEG vom Steuerzahler und damit dem staatlichen Haushalt getragen und nicht mehr auf den Verbraucher umgelegt werden. Der WWF wird die Veränderung von Rahmenbedingungen beobachten und ggfs. seine Empfehlungen anpassen.
Umgang mit HKN aus neuen, nicht-geförderten Anlagen
Diese Kategorie ist die wertvollste für die Energiewende. Anlagen, die aufgrund eines langfristigen Abnahmevertrages ohne weitere finanzielle staatliche Förderung finanziert werden, schaffen finanziellen Spielraum für die Förderung möglichst vieler Standorte, die noch nicht zu aktuellen Marktpreisen erzeugen können. Zentrale Voraussetzung ist dabei, dass die so errichteten und finanzierten Anlagen zusätzlich zu den nationalen Ausbauzielen angerechnet werden. Eine Forderung an die Politik, die der WWF klar und nachdrücklich kommunizieren wird.
Nicht-geförderte Anlagen werden auch länger als sechs Jahre anerkannt, wenn sie vom Großverbrauchenden von Anbeginn mittels eines PPA initial (mit)-finanziert werden. Wer sich also direkt oder mittels eines Dienstleisters Strom zur Abnahme aus einer neu errichteten Anlage für z.B. zehn oder 15 Jahre verpflichtet, kann diese Anlage über die volle Laufzeit der Liefervereinbarung als Neuanlage werten lassen.
Umgang mit HKN aus nicht mehr-förderfähigen Anlagen
Ausgeförderte Anlagen (z.B. Post-EEG-Anlagen) leisten einen wichtigen Beitrag zur Energiewende, weil sie günstige erneuerbare Energie liefern. Deshalb sollte ihr wirtschaftliches Auskommen gesichert werden. Dafür eignen sich kurzläufige green PPAalt von z.B. drei Jahren. Wichtig ist, dass die Anlagen keine Anschlussförderung in Anspruch nehmen.
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Startseite: Was ist Ökostrom next generation? Immer mehr Unternehmen und Institutionen setzen auf Ökostrom. Das ist grundsätzlich eine gute Nachricht. Weiterlesen...