Am 14. Juli 2021 legte die Europäische Kommission im Rahmen des „Fit for 55“ Pakets eine umfassende Reihe von Rechtsvorschlägen vor, durch die der European Green Deal maßgeblich umgesetzt werden soll. Entscheidende Klimaschutzbemühungen der EU sollen dadurch verschärft werden.

Neben der Anhebung des europäischen Klimaziels sowie eine Verschärfung der bisherigen Klimaschutzinstrumente, wurden auch neue Maßnahmen präsentiert, die dazu beitragen sollen, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird. Gerade die Sektoren Gebäude und Verkehr sind große Emittenten klimaschädlicher Gase und befeuern die Klimakrise. Beide Sektoren haben in der Vergangenheit kaum nennenswerte Erfolge in der Emissionsreduktion erzielt. Neben des bereits existierenden Emissionshandelssystems (EU-ETS) für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, und Flugverkehr wurde nun ein zweites Europäisches Emissionshandelssystem (ETS 2) vorgeschlagen: ein europaweiter Emissionshandel für den Gebäude- und Verkehrssektor.

Die Einführung eines solchen Systems für den Gebäude- und Verkehrsbereich könnte die Emissionen in beiden Sektoren mindern und somit eine Chance auf den Weg zur Klimaneutralität darstellen. Allerdings birgt die Einführung des ETS 2 auch ein erhebliches soziales und politisches Konfliktpotential.

Um den Kommissionsvorschlag und die Folgen einer Einführung des ETS 2 besser abschätzen zu können, hat der WWF deshalb zusammen mit CAN-Europe, Germanwatch, und der Klima-Allianz Deutschland eine Studie in Auftrag gegeben. Diese Studie ist Grundlage und liefert wichtige Argumente für den weiteren Diskurs um eine sozialökologische Transformation in Europa. Es werden Kriterien aufgestellt, anhand derer der Vorschlag der EU-Kommission zum ETS 2 beurteilt wird.

Ökologische und soziale Kriterien berücksichtigen

Basierend auf den Erkenntnissen der Studie fordern die Organisationen die EU-Kommission dazu auf, im Falle einer Einführung des ETS 2 eine Reihe von belastbaren ökologischen und sozialen Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen:

  • Das neue ETS 2 darf nicht die einzige Triebkraft für die Dekarbonisierung in den jeweiligen Sektoren sein, sondern muss in einen breiten Policy-Mix eingebettet und durch starke national verbindliche Emissionsziele in den Mitgliedsstaaten ergänzt werden.
     
  • Die EU-Kommission muss Preiskontrollmechanismen einführen, um sicherzustellen, dass die CO2-Preisentwicklung im ETS 2 verlässlich und effektiv ist und nicht über ein sozialverträgliches Maß hinausgeht. 
     
  • Der klimapolitische Nutzen des neuen Emissionshandelssystems muss gesichert werden.
     
  • Das Verursacherprinzip muss dringend vollständig umgesetzt werden und ein Leitprinzip der EU-Klimapolitik bleiben. Bestehende Schlupflöcher und Ausnahmen für Großemittenten untergraben die Integrität dieses Prinzips, wie die kostenlose Vergabe von Verschmutzungsrechten an die Industrie. Sie sollten so schnell wie möglich beseitigt werden, insbesondere in den Sektoren, für die der CO2-Grenzausgleich (CBAM) gilt.
     
  • Angemessene, erschwingliche und klimafreundliche Alternativen für Mobilität und Wärme sollten auf breiter Basis zur Verfügung stehen, bevor die CO2-Preise auf ein signifikantes Niveau steigen. Dafür braucht es bessere Rahmenbedingungen und Investitionen, die den Weg für die CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Gebäude ebnen.
     
  • 100 Prozent der ETS 2-Einnahmen müssen für Investitionen in Klimaschutz und soziale Ausgleichszahlungen verwendet werden. Vulnerable Gruppen sollten identifiziert werden und ihre Unterstützung sollte in ganz Europa Vorrang haben. Die Investitionen aus dem ETS 2 sollten langfristigen Lösungen Vorrang geben, die den Strukturwandel hin zu Energieeffizienz und 100 Prozent erneuerbaren Energien vorantreiben.
     
  • Es sollte sichergestellt werden, dass in allen Mitgliedstaaten eine starke Klimagesetzgebung vorhanden ist und dass bei Investitions- und Entschädigungsregelungen ärmere Haushalte bevorzugt werden bzw. eine angemessene Unterstützung für sie gewährleistet ist.
     
  • Transparenz und Beteiligung der betroffenen Gruppen und der Zivilgesellschaft muss gewährleistet werden.
     
  • Es muss eine positive und gemeinsame Vision für die Umgestaltung des Gebäude- und Verkehrssektors geschaffen und vermittelt werden.
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