Das Gesetzespaket der EU-Kommission für mehr Klimaschutz in Europa ist ein umfassender Aufschlag für die Umsetzung des 55-Prozent-Ziels bis 2030. „Die Kommission hat ein Paket mit vielen richtigen Inhalten geschnürt. Allerdings sind sie teilweise etwas unklar und unterdimensioniert”, sagt Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. „Auch wenn die EU mit ihren Vorschlägen nun gegensteuert, um der Klimakatastrophe noch zu entgehen, reicht die Ambition nicht aus, um sie auf einen Pfad zu führen, die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen und die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen.“ In den nun folgenden Diskussionen mit Rat und Parlament muss laut WWF daher das Paket robuster werden.
So führt der Vorschlag zum Emissionshandel (ETS) nicht zu der Knappheit an Zertifikaten, die die nötige Wirkung entfalten würde. Das Reduktionsziel für den ETS müsste bei 70 Prozent liegen, wird aber im Kommissionsvorschlag nur bei 61 Prozent angesetzt. Die Kommission schlägt vor, ein sogenanntes Rebasing des Caps vorzunehmen, also eine einmalige Senkung der Obergrenze, die aber nicht quantifiziert ist. Notwendig ist ein Rebasing um etwa 350 Millionen Zertifikate bis 2023. Positiv ist die Entnahmerate der Zertifikate vom Markt von mindestens 24 Prozent bis 2030 und der lineare Reduktionsfaktor von 4,2 Prozent.
„Die Reform des ETS greift noch zu kurz, um ihn langfristig wirksam zu machen, insbesondere das Zielniveau und Stellschrauben wie das Rebasing benötigen eine Anpassung. Positiv ist aber die neue Vorgabe, dass 100 Prozent der Einnahmen in den Klimaschutz gehen sollen - dies muss nun aber mit klaren und wasserfesten Kriterien unterlegt werden”, sagt Raddatz. “ Der Elefant im Raum beim ETS ist die kostenlose Zuteilung im Industriesektor, die abgebaut werden muss, um im Sektor stärkere Redukionen zu zeitigen. Insbesondere wenn ein Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) kommt, kann dieser nur alternativ zur kostenlosen Zuteilung sein. Im Vorschlag setzt die Kommission ein schwaches Signal, dass die kostenlose Zuteilung erstmals konditioniert werden soll, die Ausgestaltung ist allerdings sehr unklar.”
Bei der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED) hat es die Kommission verpasst, ein angemessenes Ausbauziel von mindestens 50 Prozent bis 2030 zu setzen. Außerdem wird der Begriff „erneuerbar“ zu weit ausgelegt – mit gefährlichen Konsequenzen für Klimaschutz und Biodiversität. „Wälder zu fällen für Biomassenutzung ist nicht nachhaltig. Und beeinflusst in negativem Maße, wie viel Kohlenstoff natürliche Senken aufnehmen können. Mit Wind und Sonne stehen uns kostengünstige und nachhaltige Optionen zur Verfügung, auf deren Förderung und Vermarktung der Fokus gelegt werden muss“, fordert Raddatz.
Die Nutzung von primärer Biomasse steht in direktem Widerspruch zum Ziel einer weiteren Verordnung aus dem Paket zu Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF): „Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, muss die Senkenleistung von Wäldern und Böden auf 600 Millionen Tonnen Co2-Äquivalente pro Jahr erhöht werden.“ Wichtig ist dabei: Da die Speicherfunktion wegen Schwankungen unsicher ist und bleiben wird, sind diese Negativemissionen nicht eins zu eins mit Emissionsreduktionen vergleich- oder anrechenbar – das Ziel für die Senken sollte daher separat sein.”
Ein wichtiges Element der EU-Klimapolitik ist die Aufteilung der Beiträge der einzelnen Mitgliedsstaaten in der Effort Sharing Regulation (ESR). “Das Effort Sharing für die Sektoren Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfall bietet mit seinen verbindlichen nationalen Zielen einen wirksamen Hebel für Klimaschutz, der gestärkt werden muss. Wir begrüßen, dass die Ziele in diesen Sektoren angehoben wurden und jeder Mitgliedsstaat nun verpflichtende Reduktionsziele hat”, so Raddatz.
„Trotz teils eklatanter Mängel vor allem bei der Gesamtambition: Die EU-Kommission hat mit dem Fit for 55-Paket einen ausgewogenen Policy-Mix und damit einen wichtigen Beitrag geliefert, Europa klimafreundlicher aufzustellen. Nun muss auch Deutschland liefern. Die Bundesregierung ist aufgerufen, mit konstruktiver Position zum Paket und passenden Maßnahmen – vor und nach der Bundestagswahl! – dafür Sorge zu tragen, dass hierzulande wie in ganz Europa die Begrenzung der Erderhitzung Priorität bekommt. Die 2020er müssen mit umfassender klimapolitischer Umsetzung das Zeitalter des Handelns einläuten“, sagt Raddatz