Eine zentrale Säule der Energiewende ist die Photovoltaik (PV). Neben großen Freiflächenanlagen gibt es bereits viele Gebäude, bei denen PV-Anlagen auf den Dächern installiert sind. Allerdings herrscht bei Mehrfamilienhäusern in deutschen Innenstädten oft noch gähnende Leere. Das muss sich ändern. Damit die Energiewende auch Einzug in unsere Städte hält, fordern wir die Einführung eines bundesweit einheitlichen „Solarstandards“.

Was ist der „Solarstandard“?

Haus mit Solardach © Kristina D. / privat
Haus mit Solardach © Kristina D. / privat

Das Potential ungenutzter Dachflächen für die Solarenergie in Deutschland ist enorm. Der Ausbau von Solarenergie-Anlagen – also Photovoltaik-Anlagen zur Stromgewinnung und Solarthermie-Anlagen zur Wärmeerzeugung – birgt daher viele Chancen.

Im Zuge der Umsetzung der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) muss die Bundesregierung einen Solarstandard etablieren. Viele Bundesländer haben bereits Vorgaben und Regelungen zur Nutzung von Solarenergie auf Dächern – allerdings sind diese oft weder ausreichend noch im Sinne der EU-Vorgaben ausgestaltet und müssen daher an vielen Stellen nachgeschärft werden.

Die Einführung eines bundesweit einheitlichen Solarstandards bietet deshalb die Chance einer systematischen Erschließung dieser ungenutzten Potentiale – und zwar indem es zum gesetzlichen Standard wird, die geeigneten Dachflächen stufenweise mit Solarenergieanlagen auszurüsten. Er garantiert dabei einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen, Planungssicherheit für Handwerk und Gewerbe sowie eine geordnete Transformation durch einen zeitlichen Ablauf, der nach Gebäudetypen in mehrere Phasen gegliedert ist. Nacheinander werden so zunächst öffentliche und gewerblich genutzte Gebäude und schlussendlich Wohngebäude – sofern sie grundlegend saniert werden – Gegenstand des Solarstandards.

Welche Vorteile bringt der Solarstandard?

Aus vielerlei Hinsicht ist die Nutzung kostenloser Sonnenergie sinnvoll. Ein bundesweiter Solarstandard würde es ermöglichen, dass viele dieser Vorteile auch von denjenigen genutzt werden können, die bisher nicht direkt selbst an der Energiewende teilhaben konnten. Für uns stehen dabei insbesondere drei Gründe in den Vordergrund.

Für den Klima- und Artenschutz

Nach Angaben des Umweltministeriums wurden zwischen 2019 bis 2022 im Schnitt jeden Tag in Deutschland 52 Hektar Land versiegelt und der Natur entzogen. Das vorhandene und bisher zumeist ungenutzte Potential von Dachflächen kann dabei helfen, Flächenkonkurrenz an anderen Stellen zu reduzieren und so Konflikten mit dem Arten- und Naturschutz entgegenwirken: Installieren dort, wo schon versiegelt ist, lautet die Devise.

Solarenergie ist zudem erneuerbar, günstig in ihren Stromgestehungskosten (Levelized Cost of Electricity, LCOE setzen die Kosten für die Errichtung und den Betrieb eines Kraftwerks ins Verhältnis zur Stromerzeugungsmenge über seine gesamte Lebensdauer) und drängt so fossile Energieträger aus dem Energiemix. Solarenergie ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil der Energiewende zum Klimaschutz.

Für Mieter:innen und Vermieter:innen

Bisher profitieren vor allem Eigenheimbesitzer:innen im ländlichen Raum von günstiger Solarenergie vom eigenen Dach. Wieso? Weil Solaranlagen nicht nur gut für das Klima, sondern auch gut für das eigene Portemonnaie sind.

Der Solarstandard würde schrittweise auch in Städten ermöglichen, dass Mieter:innen ebenfalls besser von günstigen Strompreisen der Marke Eigenproduktion und einer lokaleren Energieversorgung profitieren – ein wichtiger Schritt zu einer sozialverträglichen Energiewende, an dem möglichst viele teilhaben sollten. Gerade angesichts teurer Preise für fossile Energieträger kann so eine Entlastung geschaffen werden.

Für die Energiewende und mehr Souveränität

Mit einer dezentralen Energieversorgung auf Basis von Solarenergie wird die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen sowie deren Importe verringert. Dadurch wird die Energiesouveränität gefördert und das Energiesystem langfristig gestärkt. Stadt und Land können so gleichermaßen von der Energiewende profitieren und die Auswirkungen stark schwankender fossiler Energiepreise werden reduziert.

Um diese Vorteile nutzbar zu machen, fordert der WWF daher die Einführung eines bundesweit einheitlichen Solarstandards

Energieeffizienz Rating © neirfy / Getty Images
Energieeffizienz Rating © neirfy / Getty Images

Schluss mit dem föderalen Flickenteppich: Um Planungssicherheit für Industrie und Handwerk zu gewährleisten und den Hochlauf des Solarausbaus anzukurbeln braucht es einen bundeseinheitlichen Standard. Für Neubauten soll der Standard möglichst sofort gelten, für Bestandsgebäude soll der Solarstandard phasenweise bei grundlegenden Sanierungen eingeführt werden. Öffentliche Gebäude des Bundes und der Länder sollen eine Vorreiterrolle einnehmen und mit gutem Vorbild voranschreiten.

14 von 16 Bundesländern haben bereits Regelungen und stellen Anforderungen zur solaren Dachnutzung – allerdings sind diese oftmals zu lasch. Damit dieser Flickenteppich langfristig vermieden wird, braucht es klare und einheitliche politische Rahmenbedingungen. Einheitliche Regelungen, sozial austarierte Förderprogramme und ein zentrales Dachkataster können die Planung erleichtern und helfen die beste Dachfläche auszuwählen.

Weitere Synergien ergeben sich. Denn wird der Solarstandard mit der Umstellung auf erneuerbare Heizsysteme, wie etwa Wärmepumpen, kombiniert, können weitere Kosten nachhaltig gespart werden. Darüber hinaus steigt der Gebäudewert und bestehende Gebäude werden zukunftsfähig gemacht. Das gesamte System kann so effizienter gestaltet werden. Nur, wenn Gebäude ganzheitlich betrachtet werden – also die Kombination aus energetischen Sanierungsmaßnahmen, Umstellung auf erneuerbare Heizungen und die Integration Erneuerbare Energien integrieren – schaffen wir es, bis spätestens 2045 klimaneutral zu werden.

WWF Solarstandard Übersichtsgrafik © WWF
WWF Solarstandard Übersichtsgrafik © WWF

Der WWF legt einen Gesetzesentwurf vor

Der WWF hat zusammen mit Rechtsanwälten der Kanzlei Günther einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, wie die Vorgaben aus der EPBD ambitioniert umgesetzt werden können. Die zentralen Leitplanken des Gesetzentwurfs lauten wie folgt:

  1. Unser Vorschlag nimmt v.a. Neubauten und Bestandsgebäude im Zuge größerer Sanierungen in den Blick. Auch Parkplätze sollen zur Energieproduktion künftig einen Beitrag leisten. Wichtig ist uns, dass eine Anlassbezogenheit herrscht. 

  2. Die öffentliche Hand hat eine Vorreiterrolle, um mit gutem Vorbild voranzugehen. 

  3. Der Solarstandard greift nur, wenn er technisch umsetzbar und wirtschaftlich darstellbar ist. 

  4. Ausnahme- und Härtefallregelungen sind vorgesehen. Somit sorgt ein klarer Rahmen für Passgenauigkeit.  

  5. Damit alle den Standard umsetzen können, braucht es weitere Förderprogramme und Finanzierungsmöglichkeiten. 

Der Solarstandard bietet die Chance, Klimaschutz und Energieversorgung zukunftsfähig zu gestalten – ohne zusätzlichen Flächenverbrauch und mit direktem Nutzen für die Menschen vor Ort. Wir konnten bereits an anderer Stelle zusammen mit dem Fraunhofer ISE darlegen, dass der Solarstandard sowohl für Vermietende als auch Mietende langfristig finanzielle Vorteile bietet.

Der WWF appelliert an die Bundesregierung, dieses Potenzial zu nutzen und gemeinsam den Weg für eine sozial-gerechte Klimapolitik der Zukunft zu ebnen. Machen wir Deutschlands Dächer zukunftsfähig.

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