Auen gehören zu den artenreichsten Ökosystemen der Welt. Die natürlichen Überflutungsflächen von Flüssen oder Bächen sind von Wasser geprägte Lebensräume, die Landschaften miteinander verbinden. Doch überall auf der Welt sind Auen in Bedrängnis: Wir begradigen Flüsse, nehmen ihnen ihre Auen, wir legen Landschaften trocken. Das hat Folgen für das gesamte Ökosystem Fluss, für Tiere und Pflanzen – und am Ende auch für den Menschen.

Was sind Auen?

Sandbänke und Weichholzauen am Ufer der mittleren Elbe © Bernd Eichhorn / WWF
Sandbänke und Weichholzauen am Ufer der mittleren Elbe © Bernd Eichhorn / WWF

Auen sind die natürlichen Überflutungsflächen entlang von Flüssen oder Bächen, in denen sich hohe Wasserstände mit Niedrigwasserphasen abwechseln. Bei Hochwasser, wenn der Fluss über die Ufer tritt, werden die Auen überflutet, bei Niedrigwasser fallen sie wieder trocken. Flussauen können in allen geographischen Regionen und an verschiedenen Abschnitten entlang des Flusslaufes entstehen. Sie leben von der Dynamik des Flusses, die sie ständig verändert.

Im Rhythmus seiner Wasserführung dehnt sich der Fluss in die Aue aus, nimmt oder bringt Land, und zieht sich wieder in sein Bett zurück. So sind Auen geprägt von sich stetig wiederholender Abtragung und Ablagerung von Sedimenten. Sie bilden dadurch ein Mosaik unterschiedlichster Lebensräume aus, was die enorme Artenvielfalt in Auengebieten erklärt. 

Wo die Auen noch weitgehend naturbelassen sind, zeigt sich ihre volle Dynamik: Hier liegen Altarme, also vom Hauptfluss abgeschnittene Flussschlingen, neben dem Hauptstrom. Hier findet sich das Mosaik aus höher gelegenen, trockenen Kiesbänken, feuchten Senken, weiten Schlammbänken und vegetationsfreien Steilufern; dichte Auwälder entstehen und vergehen durch die landschaftsgestaltende Kraft des Flusses.

Welche Tier- und Pflanzenarten leben in Auen?

Seeadler © Ralph Frank / WWF
Seeadler © Ralph Frank / WWF

Flussauen zählen zu den biologisch produktivsten, vielfältigsten und artenreichsten Ökosystemen unserer Erde. Mit ihrer Vielzahl von mosaikartig verzahnten Lebensräumen beherbergen Flussauen eine faszinierende Artenvielfalt von fast tropischem Ausmaß. Etwa zwei Drittel aller Lebensgemeinschaften Mitteleuropas – also Gemeinschaften von Tieren, Pflanzen, Pilzen, Mikroorganismen etc. – kommen in Auen vor. Und das auf nur etwa sieben Prozent der Landfläche. Auen sind außerdem Kinderstube für Fische und Amphibien. Je mehr Auen es entlang eines Flusses gibt, desto fischreicher ist dieser. 

An die dynamischen Prozesse der Flussauen haben sich zahlreiche Tier- und Pflanzenarten angepasst. Eine typische Vegetationsform der Auen sind die Auwälder. Hier wachsen Baumarten, die längere Überflutungen gut aushalten. Die Silberweide beispielsweise – ein typischer Baum der sogenannten Weichholzauen Europas und Zentralasiens – ist optimal an ihren Lebensraum angepasst. Sie kann bis zu 300 Tage im Jahr im Nassen stehen. Zieht sich das Hochwasser zurück, keimen neue Weiden aus.

Hartholzauen werden viel seltener überflutet. Es sind strukturreiche Wälder, in denen stattliche Ulmen und Eschen wachsen und in denen Frühjahrsblüher Jahr für Jahr den Boden in ein wahres Blütenmeer verwandeln.

Auch für zahlreiche Vögel sind Auen essentiell, denn durch das hohe Vorkommen an Nährstoffen und Organismen finden viele Vogelarten, wie zum Beispiel Seeadler, einen geschützten Lebensraum und Brutplatz.

Wie wichtig sind Auen für den Menschen?

Dorfgemeinschaft nutzt das Barotse-Feuchtgebiet in Sambia © Jasper Doest / WWF
Dorfgemeinschaft nutzt das Barotse-Feuchtgebiet in Sambia © Jasper Doest / WWF

Auen helfen, Flüsse biologisch, physikalisch und chemisch stabil zu halten. Sie können beachtliche Wassermengen aufnehmen und helfen so, Hochwasserwellen abzuschwächen. So bieten intakte Flussauen einen natürlichen Schutz vor Hochwasser. 

Flussauen verbessern außerdem wesentlich die Wasserqualität: Einströmendes Wasser wird vor allem durch pflanzliches Plankton gereinigt, Nitrate aus der Landwirtschaft werden von Bakterien abgebaut. Gleichzeitig liefern Auen natürlichen Dünger für die Landwirtschaft: Die Sedimente, die der Fluss mitführt und die in den Auen abgelagert werden, führen dazu, dass sich Nährstoffe im Boden anreichern. 

Flussauen sind auch von großer kultureller und wirtschaftlicher Bedeutung: Die meisten frühen Zivilisationen entstanden in diesen fruchtbaren Überschwemmungsgebieten und im Laufe der Geschichte haben die Menschen gelernt, Auen zu kultivieren und ihre reichhaltigen Ressourcen zu nutzen. Als Kinderstube zahlreicher Fischarten sind Auen wichtiger Nahrungslieferant für viele Menschen, die am und vom Fluss leben.

Wie viele Auen gibt es und wie ist ihr Zustand?

Auen weltweit

Auengebiet am Rio Paraguay © Andrés Unterlasdtaetter / WWF Bolivien
Auengebiet am Rio Paraguay © Andrés Unterlasdtaetter / WWF Bolivien

Weltweit gibt es noch schätzungsweise 2.240.000 Quadratkilometer weitgehend intakter Flussauen. Das entspricht mehr als der sechsfachen Fläche Deutschlands und mag viel erscheinen. Es darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Flussauen zu den am stärksten gefährdeten Lebensräumen der Erde gehören. Die Auswertung von Satellitendaten ergab, dass sich die Flussauen ursprünglich weltweit über eine Fläche von knapp 13.400.000 Quadratkilometern erstreckten. Wir haben also bereits mehr als 80 Prozent dieser wertvollen Ökosysteme verloren.

Intensive Bewirtschaftung setzt Flussauen auch heute noch unter Druck und treibt ihr Verschwinden in rasantem Tempo voran. Am stärksten von der Landnutzung betroffen sind die Flusskorridore in Europa und in den dicht besiedelten Regionen Asiens, wo 60 bis fast 100 Prozent der Gebiete in landwirtschaftliche Nutzflächen oder Siedlungsgebiete umgewandelt wurden. Die größten verbliebenen Überschwemmungsgebiete liegen heute in Südamerika, zum Beispiel am Amazonas. Auch in Afrika gibt es noch große, relativ intakte Auengebiete, zum Beispiel im Kongo-Becken. Aber auch sie drohen zu verschwinden.

Wie schlecht es um die Flussauen in Europa bestellt ist, zeigt eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2020. Demnach sind 88 Prozent der auenspezifischen Lebensräume erheblich geschädigt bis vollständig zerstört und haben ihre natürlichen Funktionen weitgehend verloren.

Auen in Deutschland

Auch in Deutschland sieht es nicht besser aus: Der Auenzustandsbericht des Bundesamtes für Naturschutz aus dem Jahr 2021 attestiert, dass in Deutschland nur noch 9 Prozent der Flussauen sehr gering bis gering verändert sind (Auenzustandsklassen 1 und 2). Mehr als 90 Prozent unserer Flussauen sind erheblich bis sehr stark verändert (Auenzustandsklassen 3 bis 5). Vor allem Rhein, Elbe, Oder und Donau sowie die alpinen Donauzuflüsse weisen großflächige Verluste ihrer Überschwemmungsflächen auf.

Zentraler Indikator für den Schaden, den wir angerichtet haben, ist auch hier der dramatische Rückgang der Artenvielfalt im Süßwasser mit durchschnittlich 83 Bestandsverlusten in den vergangenen 50 Jahren.
 

Unsere Auen sind bedroht

Landwirtschaftliche Nutzfläche bedrängt Auengebiete © James Morgan / WWF
Landwirtschaftliche Nutzfläche bedrängt Auengebiete © James Morgan / WWF

Doch was bedroht unsere Auen und ihre Biodiversität so sehr, dass ihre Artenbestände dermaßen hohe Verluste aufweisen? Zurückzuführen ist das auf die Veränderung von Lebensräumen, Verschmutzung, Konkurrenz um Wasser, invasive Arten und Überfischung bzw. Übernutzung. Dabei ist der Landnutzungswandel zusammen mit der Veränderung des Abflussregimes die Hauptursache für das Artensterben. Hinter Landnutzungswandel verbirgt sich dabei die Umwandlung von Flächen in Landwirtschafts-, Siedlungs- und Industrieflächen. Zudem werden Flüsse begradigt, der Zu- und Abfluss des Wassers wird von Staustufen reguliert, durch Sand- und Kiesabbau fehlen Sedimente in den Auen.

Die Angst vor Hochwasser führt dazu, dass die Menschen eher auf technische Lösungen, wie das Eindeichen von Flüssen, setzen, anstatt dem natürlichen Hochwasserschutz Raum zu geben. Auen werden durch Deiche vom Flussbett entkoppelt, saisonale Überflutungen bleiben aus. In der Folge gräbt sich der Fluss oft tiefer in sein Bett ein, der Grundwasserspiegel sinkt und die Auenvegetation kann austrocknen und absterben kann. Dieser Effekt kann durch Wasserentnahmen für Landwirtschaft und Industrie noch verstärkt werden.

Darüber hinaus verschlechtert die Klimakrise den Zustand vieler Flussauen. Veränderte Niederschlags- und Abflussmuster – insbesondere regional intensivere und häufigere Dürreperioden – wirken als zusätzlicher Stressfaktor auf diese wasserabhängigen Ökosysteme.

WWF-Vision: Zurück zu gesunden Auen

Die Insel Krautsand © Claudia Nir / WWF
Die Insel Krautsand © Claudia Nir / WWF

Durch seine Arbeit will der WWF verlorene Flussauen wieder revitalisieren und die letzten natürlichen Auengebiete schützen

In Deutschland arbeitet der WWF zum Beispiel an der Elbe und im Naturschutzgroßprojekt Krautsand daran, natürliche Überflutungsflächen wiederherzustellen, Auenwälder wieder aufzubauen und die Landschaft wieder an den Fluss anzuschließen.

Ziel der WWF-Arbeit ist es, diese selten gewordenen Lebensräume zu entwickeln und langfristig zu schützen.

So können Sie uns bei der Arbeit für gesunde Auen helfen

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