De facto wissen wir also seit Jahrzehnten, dass sich das Meer verändert, mittlerweile und in Zukunft sogar dramatisch – aber wir tun zu wenig, um diese Entwicklung aufzuhalten. Wir wissen, dass die Ressourcen nicht unendlich zur Verfügung stehen, wenn wir weiter so leben und wirtschaften wie bisher. Aber dennoch tun wir es. Bei all den halbherzigen Beschlüssen, die auf politischen Konferenzen gefasst wurden, bei all den Erfahrungen, die ich gemacht habe, kann ich es nicht anders sagen: Die Weltgemeinschaft hat sich dazu entschlossen, die brachialen Einschnitte in das Ökosystem Meer durch Überfischung, Verschmutzung und Erhitzung zu akzeptieren und die Katastrophe geschehen zu lassen.
30 Prozent aller kommerziell genutzten Fischarten sind massiv überfischt, 60 Prozent befinden sich am Rande des Tragbaren – doch wir denken nur an das mit ausreichend Fisch gefüllte Eisfach im Supermarkt. Wichtige Lebensräume wie Mangroven, Seegraswiesen, Salzmarschen, die so vielen Meerestieren als Kinderstube dienen und mittlerweile bekannt sind als Kohlenstoffbinder, sind bis zu 50 Prozent zurückgegangen – wir aber bebauen weiter die Küsten und befischen sensible Lebensräume, die das nicht vertragen. Pro Stunde landen bis zu 400 Tonnen Plastikmüll im Ozean, und dennoch soll die Plastikproduktion, so die Hersteller, in den nächsten Jahren noch gesteigert werden – allen Protesten und No-Plastic-Initiativen zum Trotz.
Korallenriffe, in denen zahllose Fischarten und Schalentiere groß werden, sterben, weil die Meere zu warm werden, versauern und sich dadurch die Kalkskelette auflösen. Vor vier Jahren ist durch eine Hitzewelle im Meer fast die Hälfte des Great Barrier Reefs abgestorben, das größte von lebenden Organismen errichtete Bauwerk der Erde – und wir widmen dem Thema gerade mal zwei, drei Tage in den Nachrichten. Es gibt mittlerweile zahlreiche große Gebiete im Meer, die völlig frei von Sauerstoff sind, sogenannte Todeszonen. Sie breiten sich immer weiter aus und sind ein beängstigendes Symptom dafür, wie schlecht es dem Meer geht. Eine der größten existiert übrigens in der Ostsee, gar nicht so weit weg. Aber diese Todeszonen befinden sich ja irgendwo da unten im tiefen Wasser – wir sehen sie nicht ...