Weiterhin bedroht der durch den Klimawandel beschleunigte Meeresspiegelanstieg die Salzwiesen, weil eine Verschiebung ins Binnenland durch die bestehende Deichlinie ohne Rückdeichung nicht möglich ist. Der Klimawandel wird voraussichtlich zur größten globalen Bedrohung für Mensch und Natur werden. Daher muss alles getan werden, um dessen Ausmaß einzudämmen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Nutzung regenerativer Energiequellen.
Durch Eindeichungen sind bereits etwa 90 Prozent der natürlichen Salzwiesen an der Küste verloren gegangen. Die unter Naturschutz stehenden restlichen Küstenlebensräume werden heute von zwei Seiten bedroht: Aus ökonomischen Gründen wollen die Deichbauer das Deichbaumaterial aus den Salzwiesen entnehmen.
Klimaschutz darf nicht auf Kosten der Natur umgesetzt werden.
Die Fehler, die in der Vergangenheit an Land gemacht wurden, dürfen sich bei der Etablierung der Offshore-Windenergie vor der Küste nicht wiederholen. Die deutsche Nordseeküste wurde in den 90er Jahren landseitig sehr stark mit Windkraftanlagen bebaut. Dabei wurde der Vogelschutz durch eine unzureichende Planung jedoch häufig ungenügend beachtet. Leider werden bei der heutigen Genehmigungspraxis von Offshore-Windparks auch die Belange des Meeresschutzes nicht ausreichend berücksichtigt.
Für den WWF hat der Schutz des menschlichen Lebens vor Sturmfluten an der Küste immer Vorrang vor anderen Anliegen. Doch es ist auch wichtig, wo und wie der Schutz vor den Fluten erreicht wird. Schon Ende der 70er Jahre kämpfte der WWF in den drei Wattenmeerstaaten gegen kilometerlange Eindeichungen quer durchs Wattenmeer. Ob Nordstrander Bucht oder Leybucht, die Planungen konnten Dank massiven Protests der Naturschützer bis auf ein Drittel des ursprünglich vorgesehenen Eingriffs reduziert werden.
Dennoch kam es zu bedeutenden Verlusten von wichtigen Wattenmeer-Lebensräumen. So verschwanden durch die Eindeichung der Nordstrander Bucht in Nordfriesland 35 Quadratkilometer wertvolle Wattflächen und Salzwiesen. In Ostfriesland verschwanden 740 Hektar Watt, Vorland und Sommerpolder hinter dem neuen Ostdeich, der so genannten „Leybuchtnase“. Die ehemals große Säbelschnäblerkolonie, die mit bis zu 1.500 Brutpaaren zu den bedeutendsten Brutplätzen des Säbelschnäblers in Mitteleuropa gehörte, hat dramatische Einbrüche erlitten. Heute brüten nur noch 254 Paare in der Leybucht.
Konzepte für den Küstenschutz von morgen
Von neuen Eindeichungen spricht heute niemand mehr. Das Wattenmeer mit seinem Nationalpark ist zu wertvoll, um weitere Teile von ihm abzuschneiden. Der Küstenschutz konzentriert sich auf Erhöhungen der bestehenden Küstenlinie durch Maßnahmen wie Vorlandarbeiten, Kantenbefestigung, Buhnen und Dämme.
Heute geht es vor allem darum, die Küstenregion vor immer neuen Eingriffen zu schützen. Zentral ist der Kampf gegen den Klimawandel. Die Erwärmung der Nordsee und ein höherer Meeresspiegel treffen Mensch und Natur an der Küste in besonderem Maße. Lag der Meeresspiegelanstieg im 20. Jahrhundert global noch bei 1,5 bis 2,0 Zentimeter im Durchschnitt pro Jahrzehnt, zeigen Satellitenmessungen von 1990 bis 2000 bereits einen Anstieg von drei Zentimeter.
Während noch bis vor kurzem die Wissenschaftler den beschleunigten Meeresspiegelanstieg auf 40 bis 80 Zentimeter in 100 Jahren schätzten, kamen Experten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung zu globalen Umweltveränderungen im Mai 2006 zu einer anderen Prognose: In einem Sondergutachten schätzen sie den Anstieg bis zum Jahr 2300 auf 2,5 bis 5,1 Meter, was einem Anstieg von 0,83 bis 1,7 Meter in 100 Jahren entspricht.
Der WWF warnt daher vor noch ungeahnten Überschwemmungskatastrophen rund um den Globus und fordert ein Nachdenken über neue Küstenschutzstrategien auch an der deutschen Küste.
Denn die Möglichkeiten, Deiche zu erhöhen und zu verstärken, sind begrenzt. Angesichts des steigenden Meeresspiegels ist eine enge Zusammenarbeit von Küsten- und Naturschützern nötig, um gemeinsam Lösungen zu finden. Ein zukunftsweisendes Küstenschutzkonzept muss Maßnahmen wie die Rückverlegung der Hauptdeichlinien, die Öffnung der Sommerpolder und die Gewinnung neuer Überflutungspolder prüfen. Zum Schutz der Menschen müssten mit dem Anstieg des Meeresspiegels die Überflutungsflächen vergrößert werden. Dafür benötigte Flächen dürfen dann nicht weiter besiedelt werden.
Mehr Raum erforderlich
Insbesondere die geplanten weiteren Vertiefungen von Elbe und Weser würden die Hochwassergefahr für Städte wie Bremen und Hamburg noch steigern. Die Kombination aus steigendem Meeresspiegel und Flussvertiefungen verstärkt das Risiko einer Flutkatastrophe an der Nordseeküste. Die Ausbauten und Vertiefungen der Flussmündungen an Elbe und Weser haben bereits in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Wasserstände bei Flut und insbesondere bei Sturmfluten angestiegen sind. An der Unterelbe, im Bereich des Hamburger Hafens, haben sich von 1950 bis 1980 die Wasserstände der hohen Sturmfluten um 50 bis 60 Zentimeter erhöht. Dieser Anstieg ist etwa zu einem Viertel auf Flussvertiefungen zurückzuführen. Seit 1980 haben die Ausbauten zu einer weiteren Erhöhung des Wasserstandes um 25 Zentimeter geführt. Ähnlich seien die Werte für die Außen- und Unterweser.
Dieser Trend droht sich durch die aktuellen Planungen für die weitere Vertiefung und den Ausbau der Unterläufe von Weser und Elbe fortzusetzen. Dies würde dazu führen, dass bei Sturmfluten noch größere Wassermassen in die Flüsse eindringen. Der WWF fordert deshalb den Stopp aller ökologisch und wirtschaftlich unsinnigen Ausbaupläne. Die unnötige Konkurrenz der Bundesländer in der Hafenpolitik ist ein Sicherheitsrisiko für Mensch und Natur. Der WWF fordert stattdessen ein nachhaltiges Hafenkonzept. Dessen zentralen Punkte: die Abfertigung großer Containerschiffe direkt an der Küste und der Verzicht auf weitere Flussvertiefungen.
Konkret will der WWF:
- sich für ein nationales, nachhaltiges Konzept für die deutschen Seehäfen engagieren;
- die Ausbaupläne für die Mündungen von Elbe, Weser und Ems reduzieren;
- in der deutschen "Ausschließlichen Wirtschaftszone" der Nordsee eine naturverträgliche Raumplanung etablieren und schutzwürdige Bereiche sichern;
- als Reaktion auf den Klimawandel und den damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels naturverträgliche Küstenschutzmaßnahmen durchsetzen und
- die Entwicklung der Windenergie offshore so mitgestalten, dass keine schützenswerten Lebensräume, Meerestiere und Vögel beeinträchtigt werden.