Je besser der Ausbau der Offshore-Windenergie, die Adressierung weiterer Belastungen und die Verbesserung des Naturschutzes miteinander gekoppelt sind, desto eher kann ein Ausbau im Einklang mit der Natur gelingen. Das größtmögliche Maß an Naturverträglichkeit muss die Norm beim Bau und Betrieb von Offshore-Windkraft sein – angefangen bei dem Design, den Gründungsverfahren und Minderungsmaßnahmen. Was es aus Sicht des WWF hierfür noch braucht:
Wer bereits einmal auf dem offenen Meer unterwegs war, weiß, dass der Wind dort draußen ziemlich beständig und oft auch deutlich stärker weht als an Land. Die rauen Bedingungen auf See geben zu verstehen: in Wind und Wellen steckt Energie.
Offshore-Windenergie zur Reduktion von Treibhausgasemissionen

Es ist nicht verwunderlich, dass das Meer im Zuge der Transformation unseres Energiesystems zunehmend ins Zentrum rückt. Der Ausbau der Windenergie auf See soll schon in wenigen Jahren so weit vorangeschritten sein, dass ein wesentlicher Anteil – etwa ein Drittel – der Stromerzeugung in Deutschland aus Windenergieanlagen stammt, die im Meer errichtet wurden. Das ist notwendig, um Deutschlands internationalen und nationalen Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen nachzukommen. Auf der Grundlage des Pariser Klimaabkommens wurden diese auch im deutschen Klimaschutzgesetz definiert. Zudem benötigt der Industriestandort Deutschland genügend Strom aus Erneuerbaren, um Produktionsprozesse weitestgehend zu elektrifizieren und somit keine weiteren CO2-Emissionen in die Atmosphäre zu pusten.
Ende des Jahres 2024 waren in Nord- und Ostsee insgesamt etwa 9,2 Gigawatt (GW) Offshore-Windenergieleistung installiert. Bis zum Jahr 2030 soll die Leistung auf 30 GW und dann bis 2045 auf mindestens 70 GW gesteigert werden. Dies gibt das Windenergie-auf-See-Gesetz vor. Ein so starker Ausbau ist ein Kraftakt für die Natur und die Industrie, der aber mit Blick auf zukunftsfähige Arbeitsplätze und industrielle Wertschöpfung auch Chancen bietet.
Planerisch geregelt wird der Ausbau der Windenergie auf See im sogenannten Flächenentwicklungsplan. Dieser wird vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in regelmäßigen Abständen aktualisiert und legt jene Flächen in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) fest, die mit Windenergie bebaut werden sollen.
Ausbau der Offshore-Windenergie muss naturverträglich erfolgen

Innerhalb der nächsten 20 Jahre soll die Leistung der Windenergie auf See fast verachtfacht werden, sodass fast 25 Prozent der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) für die Windenergie genutzt werden. Der Ausbau ist bereits jetzt ein enormer infrastruktureller Eingriff in die Natur, der die Meere, Lebensräume und Arten auf unterschiedliche Weise belastet.
Es gibt aber Maßnahmen, die diese Belastung reduzieren können. Meere sind sensible Ökosysteme und bereits jetzt durch Rohstoffabbau, Schifffahrt, Tourismus und die Öl- und Gasförderung massiv überbeansprucht. Der Umweltzustand von Nord- und Ostsee ist seit Jahren schlecht, wichtige verbindliche Ziele zum Meeresschutz – wie die der Meeresstrategie-Rahmenrichtline – wurden nicht erreicht.
Klar ist: nur ein zu 100 Prozent erneuerbares Energiesystem bewahrt uns vor den verheerenden Konsequenzen einer ungebremsten Erderhitzung, die auch den Meeren massiv schadet. Klar ist aber auch: ein so umfangreicher Ausbau der Windenergie auf See braucht hohe Umweltstandards. Diese müssen von der Politik eingefordert und durch Gesetzgebung verbindlich sichergestellt werden.
Der WWF hat sich deshalb etwa im Zuge der Umsetzung der EU Erneuerbare-Energien-Richtlinie im Jahr 2024 vehement dafür eingesetzt, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung in sogenannten Beschleunigungsgebieten für die Offshore-Windenergie nicht entfällt und Schutzstandards nicht abgebaut werden.
Ja, die Energiewende muss zügig umgesetzt werden. Entsprechende Maßnahmen gilt es jedoch mit Augenmaß zu implementieren. Das heißt: keine Schnellschüsse, die Schutzstandards abbauen und am Ende nicht einmal zu Beschleunigung führen würden. Auch Unternehmen der Offshore-Windenergiebranche haben sich diesem Appell angeschlossen, denn wichtige und milliardenschwere Investitionen in ein zukunftsfähiges Energiesystem brauchen vor allem auch Rechts- und Investitionssicherheit. Die Umweltverträglichkeitsprüfung schafft dies.
"Klar ist: nur ein zu 100 Prozent erneuerbares Energiesystem bewahrt uns vor den verheerenden Konsequenzen einer ungebremsten Erderhitzung, die auch den Meeren massiv schadet. Klar ist aber auch: ein so umfangreicher Ausbau der Windenergie auf See braucht hohe Umweltstandards."
Viviane Raddatz, Leitung Klima- und Energiebereich des WWF Deutschland
Klima- und Meeresschutz sind zwei Seiten derselben Medaille

Zusammengenommen ist das Ausmaß der menschlichen Aktivitäten schädlich für die Meere und führt zu einem rasanten Verlust der marinen Artenvielfalt. Die Konfliktlinie verläuft dabei aber nicht zwischen Klima- und Meeresschutz, sondern sie hängt sich an der industriellen Überbeanspruchung insgesamt auf, die sich seit Jahrzehnten abzeichnet.
Geschädigte Meere sind auch aus Klimaschutzperspektive ein Problem, denn die Meere sind im Kampf gegen die Klimakrise unverzichtbare Verbündete. So speicherten sie bislang einen Großteil des durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern verursachten Kohlenstoffdioxids.
Doch das hat einen hohen Preis: die Meere versauern, was schwere Folgen für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten mit sich bringt. Hinzu kommen die steigenden Durchschnittstemperaturen: Das Meer erhitzt sich und der Meeresspiegel steigt. Auch diese Entwicklungen verändern das Gleichgewicht in diesem für uns Menschen so wichtigen Ökosystem.
Zweifelsohne muss der Ausbau der Windenergie auf See daher auch zwingend mit der Reduktion der vorhandenen Überlastungen einhergehen: Die Verschmutzung der Meere mit Mikroplastik und Schadstoffen, die stark frequentierten Schifffahrtsrouten, die Öl- und Gasförderung, die Überfischung, der Abbau von Rohstoffen – die Belastungen aus diesen Nutzungen müssen reduziert werden, um den Umweltzustand der Meere wieder zu verbessern. In Verbindung mit weiteren Anstrengungen für einen wirksameren Schutz der besonders sensiblen Gebiete sowie der Wiederherstellung natürlicher Lebensräume, kann der Ausbau der Windenergie auf See naturverträglich gestaltet werden.
Leitlinien für den Ausbau der Offshore-Windenergie
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Die Standortwahl ist entscheidend. Durch die Vermeidung von sensiblen Gebieten z.B. für Seevögel oder den Schweinswal, lassen sich bereits bei der Planung wesentliche Konflikte mit dem Naturschutz vermeiden. Hierfür ist eine ökosystembasierte marine Raumordnung entscheidend.
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Die Meeresschutzgebiete in Nord- und Ostsee inkl. des Wattenmeeres sind als Rückgrat des marinen Biodiversitätsschutzes von der Bebauung mit Windenergieanlagen freizuhalten. Diese Gebiete sind zentral für die Erreichung der Natura-2000-Ziele wie auch der Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie.
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Eingriffe in die Meeresnatur durch Bau und Betrieb von Offshore-Windparks müssen auf hohem Anspruchsniveau begrenzt bzw. verringert werden. Das bedeutet, es braucht z.B. Maßnahmen zum Schallschutz bei den Rammungen, zum Schutz des Vogelzuges lokale Abschaltungen bei Massenzug und geringstmögliche Beleuchtung, Bündelung der Netzanschlüsse zur Begrenzung von Schäden im Wattenmeer und schonende Bau-, Wartungs- und Serviceverkehre.
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Es gibt eine starke Realkompensation im Meer. Dies bedeutet, dass ein realer Ausgleich für den Bau von Windparks, Konvertern und Kabeln zu Gunsten der Meeresnatur erfolgen muss.
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Es bedarf zudem einer Begleitung des Ausbaus der Windenergie durch Forschung & Monitoring mit offen verfügbaren Daten und dem Anspruch, den weiteren Ausbau mit neuen Erkenntnissen anzureichern – technologisch und ökologisch.
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Der Ausbau muss im Einklang mit nationalem und internationalem Umwelt- und Naturschutzrecht stattfinden
Bau und Betrieb von Offshore-Windparks sind mit massiven Auswirkungen auf die Meeresnatur verbunden
Offshore-Windparks haben vielfältige Auswirkungen auf die Meeresnatur – sowohl unter als auch über Wasser.
Dabei variieren die Auswirkungen und deren Schwere von Art zu Art und sind auch zwischen den unterschiedlichen Phasen des „Windparklebens“ sehr unterschiedlich. Hinzu kommt das Zusammenspiel von Auswirkungen der Offshore-Windkraft und anderer Nutzungen im Meer.
Daher spielen aus naturschutzfachlicher Sicht die Standortwahl, die technische Ausgestaltung der Parks und sorgfältige wissenschaftliche Untersuchungen im Vorfeld eine wichtige Rolle, um diese Auswirkungen zu minimieren.
Die Auswirkungen
Ökosystem Meer: Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass Offshore-Windparks – vor allem in der Dimension, wie sie in den nächsten Jahrzehnten geplant sind – zu großräumigen Veränderungen in der Nordsee führen. Diese betreffen z.B. Strömungen und die Schichtung innerhalb der Wassersäule und die Veränderung der Lebensräume durch das Einbringen von viel Hartsubstrat.
Was dies allerdings für Folgen für die Natur hat, ist noch nicht bekannt. Hier bedarf es weiterer Untersuchungen und eine wissenschaftliche Begleitung des weiteren Ausbaus der Offshore-Windenergie.
- Vogelzug: Wenn Windkraftanlagen in Gebieten stehen, in denen Vogelzug vorherrscht, können sie negative Auswirkungen auf Vögel haben. Vor allem sind Kollisionen beim Zusammentreffen von nächtlichem Massenzug und Schlechtwetterereignissen wahrscheinlich. Hier besteht zwar noch Forschungsbedarf, es zeichnet sich aber schon heute ab, dass zum Schutz der Vögel die Anlagen so wenig wie nur möglich beleuchtet werden sollten. Es sollten zudem zuverlässige Abschaltmechanismen etabliert werden, die dafür sorgen, dass die Windräder bei drohenden Kollisionen während Massenzugereignissen in dem betroffenen Windpark gestoppt werden. So können Kollisionen verhindert werden. Dies in großem Maßstab zu installieren, wird zwar eine Herausforderung, aber zwingend nötig sein.
- Seevögel: Viele Seevogelarten wie die Trottellumme oder Seetaucher meiden Offshore-Windparks weiträumig und verlieren dadurch einen Teil ihres Lebensraumes. Dies ist vor allem aufgrund der Vielzahl der geplanten Windparks und in der Nähe von Schutzgebieten ein großes Problem. So entsteht ein Konflikt zwischen Offshore-Windparks und dem Artenschutz – insbesondere im Norden der deutschen Nordsee. Hier hilft insbesondere eine kluge Standortwahl, die Gebiete mit großen Konzentrationen von gefährdeten Seevögeln meidet.
- Schweinswale: Bei der Errichtung von Windparks werden die Fundamente der Windkraftanlagen in den Meeresboden gerammt, was zu einer massiven Schallbelastung insbesondere von Schweinswalen führt. Ohne entsprechende Minimierungsmaßnahmen kann der Rammschall eine temporäre Schwerhörigkeit verursachen, was die Tiere vor allem bei der Nahrungssuche beeinträchtigt, oder schwerwiegende Verletzungen hervorrufen. Außerdem treten verstärkt Stress- und Verhaltensreaktionen auf, die u.a. dazu führen, dass Schweinswale Gebiete großräumig meiden. Zwar liegen bereits seit einigen Jahren ein Schallschutzkonzept und technische Maßnahmen vor, die die Ausbreitung des Schalls unter Wasser und dadurch auch die Auswirkungen auf die Tiere verringern. Die immer größer werdenden Fundamente der Windkraftanlagen stellen diese Systeme allerdings vor neue Herausforderungen.
- Wattenmeer: Der Ausbau der Offshore-Windenergie findet in eher küstenfernen Gebieten statt. Allerdings muss der dort produzierte Strom an Land befördert werden, sodass auch das als Nationalpark geschützte und als UNESCO-Weltnaturerbe anerkannte Wattenmeer betroffen ist. Um die negativen Auswirkungen des Kabelbaus so gering wie möglich zu halten, wird es notwendig sein, die Kabel auf möglichst wenigen Trassen zu bündeln, sodass nur Teile des Wattenmeeres von den erheblichen Schäden bei Verlegung und Wartung der Kabel betroffen sind.
Weitere Informationen
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Erneuerbare und fossile Energien
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Klimaschutz und Energiewende in Deutschland