Die nationalen Klimabeiträge (nationally determined contributions – NDCs) sind die Bausteine, aus denen sich die Klimaambitionen im Pariser Abkommen zusammensetzen. Der WWF möchte die Ambitionen im NDC-Prozess insgesamt erhöhen: Was hat sich seit 2015 in den Staaten und bei internationalen Trends getan; und wie kann das in die NDCs einbezogen werden, Best Practices fördern, die wichtigsten Herausforderungen identifizieren und Defizite benennen. Hierzu bewerten wir die neu eingereichten NDCs anhand einer eigens entwickelten, breit angelegten Checkliste: der #NDCsWeWant-Checkliste.

Auswirkungen der Pandemie auf die internationalen Klimaverhandlungen

Indigener mit Maske © Ricardo Oliviera / AFP
Corona betrifft alle Menschen weltweit © Ricardo Oliviera / AFP

Die COVID-19-Pandemie hat die Fortschritte in der Klimapolitik unweigerlich verlangsamt – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Die Regierungen weltweit waren verständlicherweise gezwungen, sich zunächst auf diese beispiellose Gesundheitskrise zu konzentrieren. 

Die UN-Klimakonferenz 2020 (COP26) wurde auf November 2021 verschoben. Dies hat sich auf den Zeitplan für das Einreichen überarbeiteter nationaler Klimapläne und Emissionsziele (NDCs) ausgewirkt, die die Länder als Teil ihrer Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen bis 2020 vorlegen müssen.  

Gleichzeitig bieten sowohl die COVID-19-Krise als auch die Verzögerung bei der COP26 jetzt aber auch die Gelegenheit, über ehrgeizigere Klimazusagen nachzudenken und die Finanzhilfen und Konjunkturpakete zur Förderung nationaler Klimaschutzmaßnahmen zu nutzen. Wir brauchen klimafreundliche Wirtschaftsförderungsprogramme, die verhindern, dass weiterhin in den Ausbau fossiler Energieträger oder veralteter Technologien investiert wird.

Der ultimative Test für einen NDC: er muss das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens erfüllen. Der WWF unterstützt dieses Ziel voll und ganz.

148 Länder oder Parteien haben bereits einen ersten Entwurf ihrer NDCs eingereicht

Bis Mitte 2020 haben nur zehn Regierungen NDCs eingereicht

Bis Juni 2020 haben nur zehn Regierungen die Arbeit an ihren überarbeiteten NDCs vorangetrieben. Sie kamen aus Ländern, auf die weniger als fünf Prozent der weltweiten Emissionen entfallen. Die überarbeiteten NDCs sollen ehrgeiziger sein als die ersten NDCs, die vor den Pariser Gesprächen im Jahr 2015 erstellt wurden und Fortschritte in der Klimaforschung berücksichtigen. Die bisherigen Vorschläge haben diese Erwartung nicht erfüllt

Erst seit dem Amtseintritt Joe Bidens Anfang 2021, mit dem die USA wieder in das Pariser Klimaabkommen eingetreten sind, gibt es wieder kleine Hoffnungen auf Fortschritte. Doch damit sich diese Hoffnungen auch bewahrheiten braucht es jetzt schnelles und konkretes Handeln von allen Staaten.

 

NDCs müssen in COVID-19-Konjunkturpakete einbezogen werden

Das Hauptgebäude der Vereinten Nationen in New York © Mariha Kitchen / iStock / Getty Images
Nur gemeinsam können die Ziele erreicht werden © Mariha Kitchen / iStock / Getty Images

Die Pandemie hat uns gezeigt, dass ein systemischer Übergang nicht etwa Thema für zukünftige Diskussionen und Entscheidungen ist – er muss jetzt beginnen! Wir glauben, dass die NDCs in den Mittelpunkt dieser Diskussionen gerückt werden müssen. Zwischen beiden Planungsprozessen bestehen große Gemeinsamkeiten, und ein ganzheitlicher Ansatz bringt viele Vorteile mit sich: Impulse für die richtigen Sektoren, Aufbau der Widerstandsfähigkeit von Natur und Menschen, Verbesserung der Lebensqualität und die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze – um nur einige zu nennen. 

In diesem Zusammenhang kommt der Transparenz, Klarheit und der Verständlichkeit der NDCs eine noch größere Bedeutung zu. Wir möchten zeigen, wo mehr Ambition möglich ist, Best Practices fördern, die wichtigsten Herausforderungen identifizieren und Defizite benennen. Das Ziel: die Ambitionen im NDC-Prozess insgesamt erhöhen. 

Erfahren Sie mehr über die amerikanischen NDCs in unserem Podcast

  • Aufbau einer Solaranlage © Appfind / iStock / Getty Images WWF-Podcast: ÜberLeben: Folge 53: Nach Trump die Sintflut?

    Wir sprechen mit Miranda Schreurs über den Wandel in der US-Klimapolitik. Sie ist Professorin für Umwel Weiterlesen...

Die WWF #NDCsWeWant Checkliste

Auf der Website #NDCsWeWant vergleichen wir die neuen, überarbeiteten NDCs sobald sie vorliegen mit den bisherigen NDCs der Länder anhand einer eigens entwickelten NDCsWeWant-Checkliste. Dazu nutzen wir zwanzig überwiegend qualitative Faktoren, die in fünf Abschnitte unterteilt sind: 

  • Ambitionen: Haben die Länder ihre Ziele verstärkt? Sind die jeweiligen Klimaziele auf eine 1,5 Grad-Welt ausgerichtet? Sind sie auf eine langfristige Netto-Null-Strategie ausgerichtet? Enthält das NDC Anpassungsziele und Finanzziele? 
  • Förderung des Systemwandels: Setzt das NDC einen Rahmen und Ziele, um Sektoren und Systeme auf eine kohlenstoffarme Zukunft auszurichten? Gewährleistet es einen gerechten Übergang für Arbeitnehmer:innen und Kommunen in kohlenstoffintensiven Sektoren? Umfasst er Aspekte wie Bildung, Gesundheit und soziale Entwicklung? 
  • Einbeziehung und Mitwirkung: Gibt es Mechanismen, die sicherstellen, dass die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft, der Finanzsektor, die regionalen Regierungen sowie die Bürger:innen in den NDC-Revisionsprozess einbezogen werden? Ist eine Führungsstruktur geplant oder vorhanden? 
    Anmerkung: Wir wissen, dass dieses Kriterium im aktuellen COVID-19-Krisenszenario eine besondere Herausforderung darstellen wird. Wir erwarten von den Regierungen, dass sie Technologie und innovative Lösungen in vollem Umfang nutzen. Wir fordern auch die entwickelten Länder und Geber auf, solche Prozesse zu unterstützen. 
  • Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung: Stellt das NDC Verbindungen zu den Zielen der nachhaltigen Entwicklung her? Nutzt es natürliche Lösungen für den Klimawandel als Ergänzung (und nicht anstelle von ehrgeizigen Emissionsreduktionen)? 
  • Verfolgen des Fortschritts: Enthält das NDC ein nationales System oder den Vorschlag für ein System, das es ermöglicht, den Fortschritt zu verfolgen und zu verifizieren sowie den Beitrag des breiten Spektrums der handelnden Akteure (Zivilgesellschaft, Wirtschaft, regionale Regierungen, andere Institutionen und Bürger:innen)? 

Wahrscheinlich werden die meisten NDCs, die in diesem Zyklus eingereicht werden, noch nicht so weit sein. Das bedeutet aber nicht, dass keine Fortschritte erzielt wurden. Unser Ziel ist es, einen klaren und konstruktiven Maßstab für einen schrittweisen, aber raschen Fortschritt auf dem Weg zu diesem Ziel zu setzen. Es werden einige der Prozess- und Strukturelemente und Rahmenbedingungen bewertet, die die richtigen Grundlagen für eine wirksame langfristige Reaktion auf die Klimakrise schaffen. 

Wir glauben, dass wir mit Hilfe der Checkliste die Gespräche mit Regierungen und anderen Interessengruppen über Schlüsselaspekte der NDCs fortsetzen können. Aspekte, die nicht bewertet würden, wenn die 1,5 Grad-Ausrichtung unser einziges Kriterium wäre. Diese Gespräche können dazu beitragen, innerhalb der Regierungen Kapazitäten und Vertrauen aufzubauen, um die NDCs zu verbessern und ihre Klimaambitionen zu erhöhen. 

Wir laden alle Länder ein, sie bei ihren Revisionsprozessen im Jahr 2020 voll auszuschöpfen.

Was beinhaltet ein NDC?

Jedes Land muss in seinem NDC einen Plan skizzieren, der Maßnahmen zur Senkung der Emissionen in verschiedenen Bereichen enthält. Er erklärt genau, was das Land zur Bekämpfung der Klimakrise unternehmen wird.

Welche Inhalte sollten NDCs abdecken?

Energiewende

Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und Streichen von Subventionen für fossile Brennstoffe
Um sicherzustellen, dass wir auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Welt sind, muss die Nutzung fossiler Brennstoffe und ihrer Nebenprodukte schrittweise eingestellt werden. Fossile Brennstoffe sind begrenzte Ressourcen und haben dem Planeten immensen Schaden zugefügt. Deshalb muss jedes Land deutlich machen, wie es von fossilen Brennstoffen weg und hin zu erneuerbaren Energiequellen gelangen will.

Erneuerbare Energie
Die NDCs müssen zeigen wie ein Land erneuerbare Energiequellen entwickeln und in sie investieren will. Sonnen- und Windkraft sind die am weitesten verbreiteten Formen erneuerbarer Energien, die zudem die Umwelt nicht schädigen.

Natürliche Lösungen (Nature-Based Solutions)

Geschützte Gebiete
Dies sind Gebiete, die zum Schutz der natürlichen Ressourcen eingerichtet wurden. Sie erhalten Lebensräume, bieten Zuflucht, ermöglichen Tier-Wanderungen und sorgen dafür, dass sich die Landschaft natürlich entwickeln kann. Und nicht nur das, Schutzgebiete sichern auch das Wohlergehen der Menschheit selbst. Die NDCs müssen Pläne zur Schaffung und Erhaltung von Schutzgebieten enthalten.

Wälder
Wälder sind eine wichtige Ressource für viele Arten auf der Erde – auch für den Menschen. Und Wälder sind riesige natürliche Kohlenstoffspeicher. Sie entziehen der Atmosphäre CO2, verbessern die Qualität von Luft und Wasser und verringern die Bodenerosion. Die Zahlen zeigen deutlich: eine Eindämmung des Klimawandels ist ohne Wälder nicht möglich. Wir müssen die Umwandlung der Wälder stoppen, Waldkohlenstoffsenken erhalten und die Wälder wiederherstellen. Hier liegt enormes Potential: etwa 30 Prozent der globalen Emissionen könnten so vermieden werden. Mit Hilfe der Wälder könnten wird die Klimaziele durch ehrgeizige NDCs erhöhen. NDCs, die auf die nationale Politik abgestimmt, klar, quantifizierbar und wissenschaftlich fundiert sind.

Ozeane
Der Erhalt der marinen Ökosysteme ist für den Menschen von entscheidender Bedeutung. Dazu zählen auch Ökosysteme wie Mangroven und Seegraswiesen, die Kohlenstoff speichern. Um sie zu erhalten, müssen wir Meeresschutzgebiete und Küstenregulierungszonen schaffen und dafür sorgen, dass nachhaltige Fischereipraktiken eingeführt werden.

Landwirtschaft
Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen wird die Bevölkerung bis 2050 auf neun Milliarden Menschen anwachsen. Die Nachfrage nach Nahrungsmitteln wird sich bis dahin verdoppelt haben. Die wachsende Bevölkerung wird den Boden und die Landwirtschaft stärker belasten – Überbewirtschaftung und nährstoffarme Böden können die Folge sein. Die NDCs müssen Maßnahmen enthalten, die die Landwirtschaft regulieren und die Bewirtschaftung des Ackerlandes einbeziehen. 

Wasser
Nur drei Prozent des Wassers auf der Erde ist trinkbares, frisches Wasser – es ist lebenswichtig für alles Leben auf der Erde. Diese endliche Ressource ist durch Zersiedelung, Verschmutzung und die Klimakrise bedroht. Es müssen Wassermanagementsysteme eingerichtet werden, um sicherzustellen, dass für Menschen und Ökosysteme gleichermaßen ausreichend Wasser zur Verfügung steht. Die NDCs müssen darlegen, welche Strategien und Verfahren eingeführt werden, um die Wassersicherheit zu gewährleisten.

Umfassende Zusammenarbeit / Innovative Partnerschaften

Internationale Zusammenarbeit
Das Pariser Abkommen gibt einen Rahmen vor, der sicherstellt, dass alle Länder zusammenarbeiten, um die langfristige Begrenzung einzuhalten. Ohne internationale Zusammenarbeit können wir die 1,5 Grad-Begrenzung nicht erreichen!

Nichtstaatliche Akteure
Nicht nur Regierungen spielen in den NDCs eine Rolle – auch nichtstaatliche Akteure wie Unternehmen, Städte, Investoren und sogar Bürger:innen leisten wichtige Arbeit. Um die langfristigen Ziele des Abkommens zu erreichen und den Klimaschutz zu beschleunigen, müssen nichtstaatliche Akteure mit ihren Regierungen zusammenarbeiten.

Anpassung
Sowohl Menschen als auch ganze Ökosysteme müssen sich an das sich rasch verändernde Klima anpassen. Jedes NDC muss Pläne enthalten wie sich das Land an die sich verändernde Umwelt anpassen möchte. 

Städte
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten. Städte sind für mehr als 70 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Das bedeutet, dass das Leben in den Städten umweltfreundlicher werden muss – und zwar schnell. Die NDCs müssen nachhaltige Lösungen für Städte enthalten.

Klimabedingte Schäden und Verluste
Es bleibt noch viel zu tun, um den klimabedingten Schaden, der an unserem Planeten entsteht, zu verlangsamen. Der Schaden ist schon jetzt erheblich, viele Arten sind bereits verloren gegangen. Der Meeresspiegel steigt, die Gletscher schmelzen und jeden Tag ereignen sich immer heftigere Katastrophen wie Taifune und Sturzfluten. Wenn wir die Ziele des Pariser Abkommens erreichen möchten, müssen wir unbedingt politische Maßnahmen zur Bewältigung der durch den Klimawandel verursachten Schäden und Verluste einführen.

Wissenschaftlich fundierte Ziele
Die Initiative „Science Based Targets“ ermutigt große Unternehmen, die Ergebnisse der Klimaforschung zu nutzen, um ihre Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen festzulegen. Ein nachhaltiges Unternehmen zu führen ist nur mit Zielen und Maßnahmen möglich, die mit der Art und Weise wie sich die Welt dreht im Einklang stehen. Die Verpflichtung auf wissenschaftlich fundierte Ziele gibt Unternehmen eine starke Handlungsempfehlung und ermutigt sie, über gute Absichten hinauszugehen.

Innovative Technologien
Wenn wir die Welt wirklich verändern möchten, müssen wir innovative Technologien entwickeln. Um sicherzustellen, dass alle Nationen auf eine grünere Zukunft hinarbeiten können, sind klimafreundliche und zukunftsorientierte Alternativen erforderlich.

Warum sind überarbeitete oder verbesserte NDCs so wichtig?
Wenn jedes Land die in seinen NDCs festgelegten Verpflichtungen vollständig umsetzt, wird allein in diesem Jahrhundert ein Anstieg der globalen Temperaturen zwischen 2,7 und 3,7 Grad Celsius erwartet. Das entspricht bei weitem nicht die Begrenzung auf 1,5 Grad, die im Pariser Abkommen festgelegt wurde. 2020 ist das Datum für den formellen Beginn des Ambitionsmechanismus – die Länder haben jetzt die Chance, ihre NDCs zu überprüfen und verbesserte vorzulegen.

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