Deutsche Unternehmen sind in hohem Maße abhängig von Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland. Für die Herstellung unserer weltweit produzierten Konsumgüter braucht die deutsche Wirtschaft sauberes Wasser in großen Mengen. Doch Wasser ist vielerorts ein knappes Gut und Deutschland hat bei zahlreichen Waren ein besorgniserregendes „importiertes Wasserrisiko“.

Plastiktüte im Wasser © GettyImages
Plastiktüte im Wasser © GettyImages

Wasser ist Leben. Doch weltweit wird sauberes Wasser immer knapper. In den letzten hundert Jahren sind mehr als die Hälfte der Feuchtgebiete unserer Erde verschwunden. „Wir stehen vor einer globalen Wasserkrise und sind davon auch im wasserreichen Deutschland viel stärker betroffen, als mancher vielleicht annimmt“, sagt WWF Süßwasser-Experte Johannes Schmiester. Immer mehr Menschen verbrauchen immer mehr Wasser: Die wachsende Weltbevölkerung, ihr verändertes Konsumverhalten und der damit einhergehende, steigende Wasserverbrauch zur Produktion von Konsumgütern verschärfen die Wasserknappheit in vielen Teilen der Welt zunehmend. Dazu kommt der Klimawandel. Wasser ist kein Problem der Zukunft mehr und als drittgrößte Importnation der Welt müssen wir uns auch in Deutschland mit dem Thema auseinandersetzen.

Wasserrisiko: Unternehmen in der Pflicht

Ob Nahrungsmittel, Strom, Bekleidung oder andere Industriewaren: Die Privatwirtschaft ist der weltweit größte Wassernutzer. Fast alle Firmen benötigen in der Herstellung sauberes Wasser. Entnehmen sie zu viel aus Flüssen oder dem Grundwasser oder leiten sie verschmutzte Abwässer zurück, kann dies gravierende Folgen haben. Für die Menschen vor Ort wie für das ganze Ökosystem, aber auch für die Unternehmen selbst. „Immer häufiger sind Unternehmen von Wasserrisiken betroffen. Die spürbaren Folgen reichen von Preissteigerungen über Lieferausfälle bis hin zum Entzug von Wasserrechten und Boykotten“, sagt Johannes Schmiester vom WWF Deutschland.

Was genau bedeutet Wasserrisiko?

Totholz an der mittleren Elbe © Martin Becker / Boogaloo Graphics
Totholz an der mittleren Elbe © Martin Becker / Boogaloo Graphics

Wasserrisiken können vielfältig sein. Der Begriff beschreibt zunächst einmal eine Situation, in der Schäden in Zusammenhang mit Wasser in Zukunft wahrscheinlich sind. Durch mangelndes Wasser, verschmutztes Wasser, aber auch durch zu viel Wasser wie bei Überflutungen. Durch falsche Wassernutzung und mangelnde Gesetzgebung. Und durch Missachtung des Wassers als öffentliches Gut und Menschenrecht, sowie ungerechte Wasserverteilung.

Ein Wasserrisiko kann in einem Flussgebiet das gesamte Ökosystem einschließlich der hier lebenden Arten und die lokale Bevölkerung betreffen – aber eben auch die Unternehmen, die in der Region produzieren und gleichzeitig Verursacher und Betroffene sind. „Für Unternehmen sind Wasserrisiken die wichtigste Motivation, um Wasserressourcen aktiv zu schützen. Risiken zeigen Unternehmen ihren konkreten Handlungsbedarf auf“, erklärt WWF Süßwasser-Experte Johannes Schmiester. „Zum Schutz der Fluss- und Ökosysteme aber auch zum Schutz ihrer eigenen Produktion müssen sich Unternehmen mit der Situation in Flussgebieten und den dort ansässigen Wassernutzern auseinandersetzen und als größte Wassernutzer Verantwortung übernehmen.“

Die verschiedenen Wasserrisiken für Unternehmen

Plastikmüll im Wasser (Philippinen) © Jürgen Freund
Plastikmüll im Wasser (Philippinen) © Jürgen Freund

Ein hoher Wasserverbrauch muss nicht zwangsläufig ein erhöhtes Wasserrisiko bedeuten. Genauso wenig wie Wassersparen allein genügt, um das Risiko zu minimieren. Das Wasserrisiko eines Unternehmens setzt sich aus vielen Faktoren zusammen und umfasst

  • physische Risiken wie Wasserknappheit und schlechte Wasserqualität,
  • regulative Risiken wie mangelnde Gesetzgebung und ungerechte Wasserverteilung
  • und reputative Risiken wie Rufschädigung und Boykott durch die Verbraucher.

Die Risiken sind durch unterschiedliche klimatische, geologische und sozio-ökonomische Bedingungen regional verschieden. „Beim Thema Wasser ist es wichtig, dass Unternehmen über ihre traditionellen Grenzen hinausdenken und sich als Wassernutzer innerhalb von Flussgebieten verstehen. Oft sind Risiken, die die eigene Produktion beeinflussen, ein Resultat unterschiedlicher Wassernutzungen. Im Flussgebiet sitzen alle in einem Boot. Es braucht daher gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme“, so Schmiester.

WWF Water Risk Filter: Wie analysiert man Wasserrisiken?

Ein Unternehmen sollte sein Wasserrisiko an den verschiedenen Produktionsstandorten genau kennen. Nur so kann es im eigenen Interesse und im Interesse der Allgemeinheit nachhaltige Lösungen in betroffenen Flusseinzugsgebieten suchen.  Der WWF hat gemeinsam mit der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) ein führendes Instrument entwickelt, um schnell und einfach das Wasserrisiko für verschiedene Branchen und Länder zu analysieren: Der Wasserrisikofilter ist ein, kostenloses Online-Tool für Unternehmen und Investoren. Es bietet individuelle Risikoanalysen, zeigt Risiko-Hotspots der jeweiligen Standorte auf, bewertet die finanziellen Auswirkungen und leitet spezifisch zugeschnittene Reduktionsmaßnahmen ab.

In Anlehnung an die Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosure - TCFD enthält der WWF-Wasserrisikofilter nun Szenarien des Wasserrisikos für die Jahre 2030 und 2050 und integriert dabei klimatische und sozioökonomische Veränderungen. Die verschiedenen Szenarien (Optimistisch, Aktueller Trend und Pessimistisch) werden Unternehmen und Finanzinstitutionen dabei helfen, zukünftige Wasserrisiken und -chancen besser zu verstehen und angemessene Maßnahmen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit zu ergreifen.

Ein Hintergrundpapier dazu finden Sie hier.

Deutschland: Importiertes Wasserrisiko

90 Prozent der Unternehmen, die Deutschlands Wirtschaft stützen, sind Wasserrisiken ausgesetzt. Dazu gehören die Textil- und Bekleidungsindustrie, die Rohstoffindustrie, die Landwirtschaft und die Chemieindustrie – also beispielsweise Hersteller von Kunststoffen, Pflanzenspritzmitteln und Farbstoffen. Landwirtschaft, Textil- und Nahrungsmittelindustrie sind dabei besonders große Wasserverbraucher.

Lebensmittel

Markt in Dornbirn © Kari Schnellmann
Markt in Dornbirn © Kari Schnellmann

Ob Kaffee aus Vietnam, Zuckerrohr aus Indien oder Tomaten aus Südspanien: Ein großer Teil der in Deutschland konsumierten Lebensmittel wird aus dem Ausland importiert und mit ihm ein hohes Wasserrisiko, das Produzenten, Einzelhändler, Angestellte und Verbraucher betrifft.
Südspanien gilt als Gemüsegarten Nordeuropas. Obst bezieht Deutschland außerdem vermehrt aus Italien, Südafrika, Chile und Brasilien. In den Anbauländern ist Süßwasser meistens knapper, verschmutzter, schlechter reguliert und auch ungerechter verteilt als in Deutschland. Und in den Kaffee-Anbaugebieten in Vietnam führen sinkende Wasserspiegel durch Übernutzung und saisonale Trockenheit schon jetzt zu steigenden Kosten und Ernteverlusten.

Textilien

Textilfabrik in Shanghai © Charlotta Järnmark / WWF-Sweden
Textilfabrik in Shanghai © Charlotta Järnmark / WWF-Sweden

In der Textil- und Bekleidungsindustrie ist die Baumwollproduktion das wasserintensivste Segment. Da Baumwolle oft in Ländern mit Wasserknappheit angebaut wird, ergeben sich zwangsläufig Probleme. „Leider wissen viele führende Bekleidungsunternehmen nicht einmal, woher ihre Ware genau stammt. Das erschwert den Einsatz von Standards und Maßnahmen, um gemeinsam mit Lieferanten an Lösungen zu arbeiten“, kritisiert Johannes Schmiester.

Die mit Wasser verbundenen Probleme und Risiken zu ignorieren, wird sich für Unternehmen dauerhaft nicht auszahlen. Einen Wettbewerbsvorteil werden solche Unternehmen haben, die die Situation vor Ort analysieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Was muss passieren?

Deutschlands Unternehmen müssen jetzt handeln, um die Wasserrisiken der Zukunft zu senken. Sie müssen vollständige Transparenz über ihre Lieferketten gewährleisten, ihr Wasserrisiko analysieren und gemeinsam mit anderen Wassernutzern vor Ort wirksame Lösungen entwickeln und umsetzen.

Investoren und Finanzdienstleister müssen das Wasserrisiko in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen.

Regierungen müssen den Wert von Wasser in den Flussgebieten besser verstehen, nachhaltige Wassergesetzgebungen schaffen und diese umsetzen. Auf europäischer Ebene müssen verbindliche soziale, menschenrechtliche und ökologische Standards in EU-Handels-, Investitions- und Wirtschaftsabkommen festgelegt und weltweit wirksame Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden.

Die Staatengemeinschaft muss ihre Klimabeiträge deutlich erhöhen und dem Süßwasserschutz die nötige Bedeutung zukommen lassen.

Was kann ich selbst tun?

Verbraucher sollten sich über die Herkunft von Produkten informieren, mehr Transparenz einfordern und Kaufentscheidungen von einer nachhaltigen Herstellung abhängig machen. Wir alle können mit unserem Einkauf einen Unterschied machen, unter anderem durch eine regionale, saisonale und fleischarme Ernährung, eine möglichst lange Nutzung von Konsumartikeln wie Textilien oder Elektronikgeräten, sowie deren Reparatur und Recycling.

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