Eine gehörige Portion kritische Wachsamkeit beim Blick auf die zahlreichen Label ist immer angebracht. Ist das Siegel staatlich geschützt und kontrolliert? Welche Interessen stehen dahinter? Denn es macht einen Unterschied, ob zum Beispiel ein Siegel für Tierwohl von der Fleischindustrie oder von einer staatlichen Kontrollbehörde vergeben wird.
Siegel auf Lebensmitteln bieten im besten Fall Hilfestellung beim nachhaltigen Einkauf, im schlechtesten Fall sorgen sie für noch mehr Verwirrung oder sind reines Greenwashing. Wir schaffen Durchblick im Siegel-Dschungel, stellen die häufigsten Siegel für Lebensmittel vor und bieten eine Entscheidungshilfe für Ihren umweltfreundlichen Einkauf.
Alles öko, oder?
Nachhaltigkeit ist längst ein Marktvorteil. Deshalb bewerben viele Firmen neben Siegeln und Labels ihre Produkte auch mit umweltfreundlich klingenden Begriffen oder verpassen der Verpackung einen Öko-Look. Dabei ist Vorsicht geboten: Nur die Worte „Bio/biologisch“ und „Öko/ökologisch“ und daran angelehnte Begriffe sind geschützt! Formulierungen wie „aus kontrolliertem Anbau“, „integrierte Landwirtschaft“, „ungespritzt“ oder „aus umweltschonendem Anbau“ klingen klingt zwar gut, sind aber in der Regel von den Kriterien eines echten Bio-Siegels weit entfernt.
Klimaneutral-Siegel: Gern genutzt, aber nicht geschützt
Genauso verhält sich mit allen Siegeln, die Klima- oder CO2-Neutralität auf der Pizza, dem Hähnchenfilet oder dem Käse versprechen. Auch diese Begriffe sind nicht geschützt, oft irreführend oder schlicht falsch.
„Viele Unternehmen kaufen CO2-Zertifikate, mit denen sie dann ihre Emissionen „neutral“ rechnen. Damit ist aber noch kein Klimaschutz geschehen, keine Emissionen reduziert und schon gar kein klimaneutrales Produkt hergestellt worden.“
Vorsicht ist vor allem geboten, wenn tierische Produkte als vermeintlich klimaneutral ausgezeichnet sind. Denn Fleisch, Milch und Käse sind in der Regel klimaschädlicher als rein pflanzliche Lebensmittel. 2021 wurde ein als klimaneutral gekennzeichnetes Hähnchenfilet von der Verbraucherschutzorganisation foodwatch sogar zur Werbelüge des Jahres gekürt.
Staatliches Bio-Siegel
Die häufigsten Bio-Siegel im Supermarkt sind das EU-Bio-Logo, ein Blatt aus weißen Euro-Sternen auf hellgrünem Grund, sowie das sechseckige deutsche Bio-Siegel. Das Sechseck wird gern zusätzlich zum EU-Bio-Logo aufgedruckt, weil es bekannter ist. Inhaltlich gibt es zwischen den Siegeln aber keinen Unterschied. Erzeuger:innen, deren Produkte diese Siegel tragen, müssen die Bestimmungen der EG-Öko-Verordnung einhalten und werden mindestens einmal pro Jahr kontrolliert.
Danach dürfen Lebensmittel nicht gentechnisch verändert sein, synthetische Pestizide sind tabu, ebenso leicht-lösliche mineralische Düngemittel. Auf tierischen Produkten darf das Siegel nur erscheinen, wenn die Haltung der Tiere nach gesetzlich festgelegten ökologischen Kriterien erfolgt, sie zum Beispiel mehr Platz und Auslauf haben und das Tierfutter ökologisch produziert wurde. Antibiotika dürfen nicht präventiv, sondern nur zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden. Erfüllt ein Produkt die Bedingungen der EU-Öko-Verordnung zu 95 Prozent, darf es sich „biologisch“ oder „ökologisch“ nennen und das Bio-Siegel tragen.
Die Siegel der Bio-Verbände
Neben den staatlichen Siegeln gibt es die Siegel der Bio-Verbände, wie zum Beispiel Bioland, demeter, Naturland und Biokreis. Das sind Zusammenschlüsse ökologisch wirtschaftender Höfe mit mehr als 1.000 Mitgliedern, die selbst für die Einhaltung der Kriterien einstehen.
Diese gehen über die Vorgaben der staatlichen Siegel hinaus, müssen zum Beispiel für den ganzen Betrieb gelten und nicht nur für einen Teil des Hofes. Gerade beim Tierwohl sind die Verbände strenger und lassen den Schweinen, Kühen und Hühnern zum Beispiel mehr Platz im Stall.
Kleinere Bio-Verbände mit weniger als 1.000 Mitgliedern sind Biopark aus Mecklenburg-Vorpommern und Gäa mit Schwerpunkt in den ostdeutschen Bundesländern. Die Kriterien ähneln denen der großen und bekannteren Verbände.
Siegel für Fische und Meeresfrüchte
Ein staatlich kontrolliertes Siegel für nachhaltig gefangenen Fisch mit transparenten Anforderungen und unabhängigen Kontrollen gibt es leider nicht. Bei der Wahl eines Fischproduktes, das die Umwelt möglichst wenig belastet, hilft der WWF-Fischratgeber weiter, am besten in Kombination mit einem Bio-Siegel.
Tierwohl-Labels: Was ist „besseres“ Fleisch?
Die beiden Goldenen Regeln des WWF lauten: Weniger und dafür besseres Fleisch. Doch wieviel weniger ist wenig genug? Und wie definiert man „besseres Fleisch“? Tolle Tipps gibt es hier.
Die oben genannten Bioverbände haben schon jetzt die strengsten Tierwohlkriterien, achten auf Platz und Auslauf und verwenden nur ökologisches, gentechnikfreies Futter. Auch die Tiertransporte sind zeitlich und räumlich begrenzt.
Initiative Ökologische Tierzucht
Bioland und demeter haben darüber hinaus die Initiative Ökologische Tierzucht (ÖTZ) gestartet, die sich derzeit noch auf die Haltung von Legehennen beschränkt, aber auf andere Tierarten ausgedehnt werden soll. Das ÖTZ-Siegel steht unter anderem für die Aufzucht von Bruderhähnen und die Zucht von sogenannten Zweinutzungshühnern, die sowohl Eier legen, als auch zu Fleisch verarbeitet werden können.
Initiative Tierwohl
Die „Initiative Tierwohl“ ist das freiwillige Siegel der Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und des Lebensmitteleinzelhandels. Das Siegel auf der Fleischverpackung sagt aber nichts darüber aus, wie das Tier tatsächlich gehalten wurde. Die teilnehmenden Betriebe erhalten Geld aus einem Fonds, mit dem sie Verbesserungen in der Tierhaltung finanzieren.
Das Siegel „Haltungsform“
Außerdem findet man mittlerweile auf einigen Fleischprodukten das vierstufige Label „Haltungsform“ mehrerer Supermarktketten. In der höchsten Haltungsstufe „Premium“ finden sich die Biostandards. Auf der Website haltungsform.de wird dargestellt, wie die anderen Siegel sich in die vier Haltungsstufen einordnen.
Siegel QS
Das QS-Prüfzeichen steht vor allem für die kontrollierte Qualitätssicherung frischer Lebensmittel, etwa in Sachen Hygiene. Es macht Vorgaben zur Tierhaltung und den Futtermitteln und erfordert eine rückverfolgbare Lieferkette vom Landwirt bis zum Produkt. Zertifiziert werden Fleisch, Obst, Gemüse und Kartoffeln. Kriterien für Nachhaltigkeit beinhaltet das Siegel bisher allerdings nicht.
Ohne Gentechnik
Der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e.V. (VLOG) vergibt für Lebensmittel das Label „Ohne Gentechnik“, welches Produkte ohne gentechnisch veränderte Organismen ausweist. Bei tierischen Lebensmitteln ist dies vor allem ein Hinweis, dass die Tiere gentechnikfrei gefüttert wurden.
Regionalsiegel und die geschützte Herkunftsbezeichnung
Es gibt in Deutschland mehrere Regionalsiegel, die die Regionalität von Produkten ausweisen. Sie unterscheiden sich nach der Definition der jeweiligen Region, ihrem Anteil der Rohprodukte aus der Region bei zusammengesetzten Produkten, das Zertifizierungs- und Kontrollsystem sowie weitere verbindliche Standards.
Es gibt einige Regionalsiegel auch in Verbindung mit dem EU-Bio Siegel.
Auf EU-Ebene gibt es außerdem noch die „geschützte Ursprungsbezeichnung“, bei der Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung eines Produkts in einer Region erfolgen muss (wie zum Beispiel beim Parmaschinken) und die „geschützte geographische Angabe“, bei der lediglich eine Herstellungsstufe in einer Region erfolgt.
DLG-prämiert
Das „DLG-prämiert“-Siegel ist eine Auszeichnung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). Die Qualität des jeweiligen Lebensmittels wird mit Bronze, Silber oder Gold bewertet. Schwerpunkte der Prüfung sind Geschmack, Aussehen, Geruch und Konsistenz. Um ökologische Aspekte geht es dabei nicht.
Siegel für vegane und vegetarische Produkte
Das sogenannte V-Label kennzeichnet vegetarische beziehungsweise vegane Produkte und wird in Deutschland von dem gemeinnützigen Verein ProVeg vergeben. Gerade bei verarbeiteten Produkten sind die Siegel für alle, die sich ganz oder teilweise pflanzlich ernähren, eine gute Hilfestellung. So muss man nicht erst die Zutatenliste studieren.
Das V-Label sagt aber nichts über die ökologische Nachhaltigkeit des Produktes aus. Auch der als vegetarisch gekennzeichnete Brotaufstrich kann Milch aus Massentierhaltung enthalten und die vegane Lasagne kann mit pestizidbelastetem Getreide hergestellt worden sein. Wer vegane Lebensmittel aus ökologischem Anbau bevorzugt, achtet auf das Label „Eco Veg“ oder das Bio-Label.
Siegel für sozialverträglichen Handel
Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe an Siegeln, deren Fokus auf den Arbeitsbedingungen liegt. Teilweise stellen diese Siegel außerdem Anforderungen an die Produktion.
Das Fairtrade Siegel
Faire Preise und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Landwirt:innen und die Beschäftigten auf den Feldern und Plantagen – dafür steht das Fairtrade Siegel. Die meisten Produkte, die dieses Siegel tragen, werden von Kleinbauernkooperativen getragen, die stabilere Preise und langfristige Handelsbeziehungen sichern sollen. Kinderarbeit ist verboten, gewerkschaftliche Organisation wird gefördert und ein Teil des Geldes geht in Gemeinschaftsprojekte. Faitrade Produkte müssen außerdem ökologische Anforderungen erfüllen, die über dem gesetzlichen Standard liegen, aber nicht dem Bio-Siegel entsprechen.
GEPA – Firma für faire Produkte
Die GEPA ist eigentlich kein Siegel, sondern eine Firma, die ausschließlich fair gehandelte Produkte vertreibt. Faire Bezahlung vor allem für auf dem Weltmarkt benachteiligte Produzierende im Globalen Süden gehören hier zum Unternehmenszweck. Die Lebensmittel sind gentechnikfrei. Rund 80 Prozent der Produkte stammen nach Angaben der GEPA außerdem aus biologischem Anbau.
Naturland Fair
Das Naturland Fair Siegel vereint Bio-Produktion und faire Arbeitsbedingungen.
Das WWF-Logo auf Lebensmitteln
Das WWF-Logo auf einem Lebensmittel ist kein Label, sondern das eingetragene Warenzeichen des WWF. Es dient dazu, die nachhaltigeren Produkte in einer größeren Auswahl schneller zu finden.
Lebensmittel mit dem WWF-Logo entsprechen unseren hohen ökologischen Ansprüchen und sind von unabhängigen Organisationen geprüft und zertifiziert worden.
Sie tragen also schon mindestens eines der oben genannten Bio- oder Fisch-Siegel.
- Tipps für ein nachhaltiges Leben: Ernährung und Einkauf
- Ernährung & Konsum: Nachhaltigere Lebensweisen
- Tipps für den Alltag