Die im Folgenden dargelegten Prinzipien dienen nicht als Empfehlungen für bestimmte Technologien des chemischen Recyclings. Sie definieren vielmehr Umsetzungsprinzipien zum Schutz von Mensch und Natur für den Fall, dass die Technologien in die Anwendung kommen. Die Prinzipien sollen als Entscheidungshilfe dienen und Akteure unterstützen, eine nachhaltige Kreislaufführung von Kunststoffen voranzutreiben.

Das chemische Recycling muss richtig eingeordnet werden

Haufenweise Plastikmüll © Yunaidi Joepoet / WWF
Haufenweise Plastikmüll © Yunaidi Joepoet / WWF

Produkte und Verpackungen, die man nicht braucht, sollten vermieden werden. Solche, die als Mehrweg funktionieren, sollten umgewandelt und immer und immer wieder genutzt werden. Für alle anderen Produkte und Verpackungen sollte sichergestellt werden, dass sie mechanisch recyclingfähig sind und zu einem größtmöglichen Prozentsatz schon aus alten, recycelten Materialien bestehen. Das chemische Recycling könnte da ins Spiel kommen, wo die anderen Ansätze nachweislich nicht funktionieren. Beim chemischen Recycling werden Kunststoffabfälle teilweise oder komplett in ihre chemischen Bausteine zurückverwandelt, da sie sonst verbrannt werden müssten.

Auf der positiven Seite können diese Bausteine dann teilweise wieder zur Produktion von neuen Kunststoffen genutzt werden. Auf der negativen Seite verbraucht dieser Prozess – je nach gewählter Technologie – viel Energie, verursacht Emissionen, benötigt zusätzliche Chemie oder hinterlässt Rückstände.

Wichtig: Grundsätzlich versteht der WWF unter dem „Chemischen Recycling“ ausschließlich solche Prozesse, bei denen die gewonnenen Ressourcen wieder zu Produkten werden und dem Stoffkreislauf​​​​​​​ erhalten bleiben. Wenn das Ziel ausschließlich die Gewinnung von Energieträgern ist, ist dies aus Sicht des WWF kein Recyclingverfahren.

Was versprechen sich Befürworter:innen vom chemischen Recycling? Was sind die Gefahren?

Fürs Recycling gesammelte Plastikflaschen © Jason Houston / WWF US
Fürs Recycling gesammelte Plastikflaschen © Jason Houston / WWF US

Das chemische Recycling wird von Befürwortern als mögliche Lösung für zwei elementare Probleme gesehen: 1. Um die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu reduzieren und die globale Plastikverschmutzungskrise aufzuhalten. Denn theoretisch könnte das chemische Recycling den Bedarf an Kunststoffneuware verringern und Abfallströme aufwerten. 2. Betonen die Befürworter des chemischen Recyclings das Potenzial der Technologie, die Lücke im derzeitigen Recycling zu schließen und Materialien und Produkte wie Textilien, Elektronik und andere Güter wieder nutzbar zu machen.

Trotz des theoretischen Potenzials chemischer Recyclingtechnologien ist dieses in der Praxis bisher nicht erwiesen. Es mangelt an Transparenz und einer soliden Daten- und Beweisgrundlage, die zur Überprüfung der Behauptungen einer höheren Umweltfreundlichkeit und eines besseren ökologischen Fußabdrucks nötig wäre. Durch chemisches Recycling müssen Treibhausgasemissionen reduziert und Ressourcen geschont werden, sonst bieten die Technologien keinen Mehrwert. Geht man von den derzeit verfügbaren Daten aus, gibt es Bedenken mit Blick auf die benötigte Energie, auf die Risiken für die menschliche Gesundheit und ob das chemische Recycling einen zusätzlichen Beitrag jenseits des werkstofflichen Recyclings leisten kann.

Schlimmstenfalls könnte die Technologie die derzeitige Recyclinginfrastruktur untergraben und die erzielten Fortschritte auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft – einschließlich der Verringerung der Kunststoffproduktion – zunichtemachen. Sie könnte die Aufmerksamkeit auf vorgelagerte Lösungen – wie Design for Recycling – schmälern und einen Anreiz dafür schaffen, weitere Kunststoffabfälle zu generieren, indem neue Lieferketten aufgebaut werden, die von diesen Abfällen als Inputstrom abhängig sind. Dies würde Investitionen in vorgelagerte Lösungen wie Reduktion und Wiederverwendung unattraktiv machen.

Zehn Prinzipien aus WWF- Sicht

Rezyklate - recycelte Kunststoffe © GettyImages
Rezyklate - recycelte Kunststoffe © GettyImages

Wenn das chemische Kunststoff-zu-Kunststoff-Recycling Bestandteil eines zukünftigen nachhaltigen Materialsystems sein soll, muss sein Nutzen für die Umwelt maximiert und potenzieller Schaden für Menschen minimiert werden

Die im Folgenden aufgestellten Grundsätze braucht es, um sicherzustellen, dass die neuen Technologien einen sinnvollen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten.

1. Durch chemisches Recycling dürfen keine Ressourcen aus bewährten Lösungsansätzen zur Bekämpfung der globalen Plastikverschmutzung abgezogen werden.

Investitionen müssen vorrangig und zuerst in bewährte Lösungen wie Vermeidung und Wiedernutzung fließen. Diese Strategien haben nicht nur in der Abfallhierarchie eine höhere Priorität. Alle Unternehmen, die im chemischen Recycling eine Lösung sehen, sollten zuerst in diese vorgelagerten Ansätze investieren.

2. Chemische Recyclingverfahren müssen einen niedrigeren CO2-Fußabdruck im Vergleich zu Neuprodukten aufweisen.

Bausteine, die aus chemischen Recyclingverfahren gewonnen werden, müssen nachweislich einen besseren CO2-Fußabdruck haben als fossiles Neumaterial.

3. Chemisches Recycling darf keine negativen Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung haben, und es muss nachgewiesen werden, dass keine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht.

Chemisches Recycling kann mit hoher Hitze, Druck und/oder der Nutzung chemischer Lösungsmittel einhergehen. Dabei können potenziell gefährliche Rückstände und Emissionen entstehen, welche die menschliche Gesundheit gefährden und deshalb sorgfältig kontrolliert werden müssen. Chemisches Recycling darf nicht in Kontexten eingesetzt werden, in denen eine wirksame, gut ausgestattete und unabhängige Regulierung fehlt.

4. Schutz der Natur – Chemisches Recycling darf unsere Luft, unser Wasser und unsere Umwelt nicht negativ beeinträchtigen.

Auch wenn chemisches Recycling ein Versuch ist, die Plastikmüllkrise anzugehen, besteht die Gefahr, neue Krisen zu schaffen. Wir dürfen ein Problem nicht gegen das nächste tauschen. Technologien des chemischen Recyclings sollten nur dann eingesetzt werden, wenn sie mit einem nachgewiesenen Nutzen für die Umwelt einhergehen.

5. Das chemische Recycling sollte die bestehenden Abfallmanagementsysteme ergänzen und nicht mit dem werkstofflichen Recycling um Rohstoffe konkurrieren.

Es gibt bereits erfolgreiche Sammlungs-, Verwertungs-, und Entsorgungssysteme, die ein hochwertiges Recycling von Kunststoffen ermöglichen. Diese Systeme müssen weiter genutzt und ausgebaut werden. Damit das chemische Recycling einen Mehrwert bietet, muss der Kunststoff, der diesen Prozess durchläuft, einen zusätzlichen Abfallstrom darstellen, mit Material, das sonst nicht recycelt worden wäre.

6. Kunststoffabfallströme sollten mithilfe der umweltfreundlichsten verfügbaren Technologie im Kreislauf geführt werden.

Jeder Abfallstrom sollte in das für das jeweilige Polymer/Format umweltfreundlichste Verfahren mit dem kleinstmöglichen ökologischen Fußabdruck gelenkt werden.

7. Nur Material-zu-Material-Anwendungen des chemischen Recyclings können zur Kreislaufwirtschaft beitragen.

Im Gegensatz dazu kann die Kunststoff-zu-Kraftstoff-Verwertung nicht als Recycling oder als Teil der Kreislaufwirtschaft angesehen werden, da der Kraftstoff bei der Nutzung CO2 freisetzt und danach für den weiteren Prozess verloren ist.

8. Durch das chemische Recycling sollten keine recyclingfähigen Materialien in nicht recyclingfähige Materialien umgewandelt werden.

Im Idealfall wird durch das chemische Recycling ein Ausgangsmaterial zu einem wertvolleren Material. Wenn ein in der Praxis recyclingfähiges Material in ein in der Praxis nicht mehr recyclingfähiges Material umgewandelt wird, ist das kein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft.

9. Behauptungen über das chemische Recycling sollten wahr, eindeutig und relevant sein.

Beispielsweise sollte der Rezyklatanteil nur auf Produkten genannt werden, die auch wieder recyclingfähig sind. Nur wenn neue, aus chemischem Recycling hergestellte Kunststoffe auch recyclingfähig sind, verhindern sie die Neuherstellung von Kunststoffen.

10. Bei Kunststoffen, die mit chemischen Recyclingtechnologien recycelt werden, braucht es einen Nachweis der Produktkette.

Da mit diesen Technologien recycelter Kunststoff für die Öffentlichkeit nicht vom fossilen Neuprodukt zu unterscheiden ist, braucht es eine Überprüfung der Lieferkette durch Dritte, um die Authentizität der Menge und Verteilung des chemisch recycelten Inhalts zu gewährleisten.

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