Hinter der Einigung auf das 1,5-Grad-Limit in Paris stand die Sorge, dass höhere Temperaturanstiege sehr ernste Konsequenzen für Mensch und Natur mit sich bringen. Vor allem kleine Inselstaaten fürchten um ihr Überleben. Schon jetzt sind solche Klimafolgen bei der derzeitigen durchschnittlichen weltweiten Erderhitzung um ca. 1 Grad Celsius deutlich zu spüren und messbar. Extremwetterereignisse nehmen in Ausmaß und Häufigkeit schon jetzt zu. Wird es noch wärmer, werden die Folgen nur noch schlimmer.
Mit der Klimakonferenz COP21 in Paris ging ein Auftrag an den Weltklimarat IPCC: Die Wissenschaftler sollten bis 2018 in einem Sonderbericht erörtern, welche Folgen eine durchschnittliche Erderhitzung von 1,5 Grad im Vergleich zu 2 Grad haben würde.
Schon jetzt sind Klimaauswirkungen spürbar
Jedes Zehntelgrad zählt
Der Bericht vom UN-Weltklimarat bestätigt eindrücklich die Konsequenzen auf die verschiedenen Ökosysteme, die ein Anstieg von 2 Grad gegenüber einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad hätte. So würde bei geringerem Temperaturanstieg das Aussterben von Arten, auch in den Ozeanen, deutlicher geringer ausfallen.
Der Meeresspiegelanstieg würde bei 1,5 Grad 10cm geringer ausfallen als bei 2 Grad, was bedeuten würde, dass etwa 10 Millionen Menschen weniger von Landverlust, Überflutungen und anderen Effekten betroffen wären. Allerdings ist auch bei 1,5 Grad die Gefahr, die ein Abschmelzen der Arktis mit sich bringen würde, keineswegs gebannt.
Auch das Auftauen von Permafrostböden in den nördlichen Erdregionen würden bei 1,5 Grad Temperaturanstieg gegenüber 2 Grad um 2 Mio km2 begrenzt werden, was für die Temperaturentwicklung wesentlich wäre. Denn die Böden speichern riesige Mengen an Kohlenstoff, die beim Abtauen in die Atmosphäre gelangen und diese sich dann weiter aufheizt.
Auch die Folgen für das Meereis wären bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad nicht ganz so fatal wie bei einem höheren Temperaturanstieg: Die Arktis wäre dann nur einmal im Jahrhundert im Sommer eisfrei. Bei einem 2 Grad Szenario gehen die Forscher davon aus, dass dies mit hoher Sicherheit mindestens einmal im Jahrzehnt der Fall sein wird.
Außerdem zeigt der Bericht, dass bei einer Erderhitzung um 2 Grad praktisch alle Korallenriffe sterben würden - bei einer geringeren Ozeanerwärmung in einer 1,5 Grad-Welt dagegen "nur" 70 bis 90 Prozent. Auch für die Bevölkerung würden sich die resultierenden Anstrengungen, das ambitioniertere Klimaziel zu halten, auszahlen: Das Dürre- und Überflutungsrisiko sinkt, es gibt weniger Starkregen und andere Extremwetterereignisse als bei 2 Grad. Die Einhaltung der globalen Entwicklungsziele kann sich positiv mit Klimaschutz ergänzen, wenn wir jetzt schnell handeln.
Deutschland zieht sich aus internationaler Verantwortung zurück
Noch ist die Begrenzung auf 1,5 Grad machbar, aber dafür muss jetzt schnell und effektiv gehandelt werden. Um das 1,5 Grad Limit einzuhalten, müssen die Emissionen weltweit bis 2050 auf Netto-Null gesenkt werden. Lange Zeit galt Deutschland als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Doch in letzter Zeit blieb Deutschland auffallend still, wenn es darum ging, mutig mit anderen Staaten voranzugehen, um wichtige Klimaziele zu erreichen.
Hierzulande sind die Treibhausgasemissionen seit 2009 nicht gesunken. Das bedeutet, dass sowohl das nationale Minderungsziel von -40 Prozent (auf Basis 1990) bis 2020 als auch das schwache EU Minderungsziel von -14 Prozent (auf Basis 2005) bis 2020 in den Sektoren, die dem Emissionshandel nicht unterliegen (also Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, und Abfall), verfehlt werden. Es gibt eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Zusagen Deutschlands auf internationale Ebene und die Umsetzung in konkreten Minderungsmaßnahmen.
Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland, fasst die aktuelle Situation zusammen: "Im letzten Jahr hat sich Deutschland auf erschreckende Weise von der internationalen klimapolitischen Debatte abgekoppelt. Kein Gehör fanden bei der Bundesregierung die Initiative der EU-Kommission, den EU-Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen zu erhöhen, die Forderung des Global Climate Action Summit, die Klimaschutz-Maßnahmen bis 2020 zu verstärken, und die eindringlichen Appelle des UN-Generalsekretärs António Guterres an die Staaten, den Kampf gegen die Erderhitzung zu verstärken. Die Bundesregierung darf wichtige Klimaschutzmaßnahmen nicht länger blockieren."
Forderungen an die Bundesregierung
- Wir erwarten von der Bundesregierung eine Reaktion auf die Erkenntnisse des IPCC-Berichts: Erhebliche zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren sind erforderlich.
- Auf EU-Ebene muss die Erhöhung des NDC im Einklang mit den Pariser Klimazielen bis 2020 gemeinsam mit den ambitionierten Mitgliedsstaaten verfolgt und durchgesetzt werden. Die Bundesregierung darf nicht weiterhin auf der Seite der Bremser stehen.
- Der schnelle Kohleausstieg in Deutschland, bei dem die ältesten und dreckigsten Meiler so bald wie möglich vom Netz gehen, ist ein erster wichtiger Schritt, das Klimaziel von 40 Prozent bis 2020 noch einhalten zu können. Die Kohlekommission muss hier ihren Auftrag so verstehen, mit dem Kohleausstieg die Gesamtemissionen Deutschlands bis 2020 - spätestens aber 2022 - tatsächlich um 40 Prozent zu senken.
- Außerdem geht es in den nächsten Monaten darum, die Rahmensetzung für die Transformation der Industrie-, Verkehrs- und Landwirtschaftssektoren zu beschließen, damit die Pariser Klimaziele in Deutschland in Reichweite kommen.
- Um die Einhaltung von Klimazielen auch langfristig sicherzustellen, muss das geplante Klimaschutzgesetz Ziele verbindlich festschreiben, überprüfbar machen und ggf. eine Nachsteuerung vorschreiben.
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