Vor 50 Jahren erschien „The Limits to Growth“ zu Deutsch „Die Grenzen des Wachstums“. Die Studie war eine Art Weckruf für ein damals noch eher zart entwickeltes Umweltbewusstsein. Die Autoren hielten der Welt den Spiegel vor und prophezeiten, dass ein Festhalten am Wachstumsfetisch der Wirtschaftswunderjahre über kurz oder lang zum Zusammenbruch führe.
Der Ökoklassiker „Die Grenzen des Wachstums“ wird am 2. März 2022 50 Jahre alt. Es ist eigentlich eine eher dröge Lektüre, doch jede:r, der oder die sich in den 1970er und frühen 1980er Jahren für einigermaßen progressiv hielt, hatte das schmale Bändchen damals im Regal. Irgendwo zwischen Hermann Hesse und Carlos Castaneda …
Handfeste Vorhersage
Die Analyse war aber kein philosophisches Manifest, sondern basierte auf computergestützten mathematischen Modellrechnungen. Die damals verfügbaren Daten zu Rohstoffverbrauch, Bevölkerungswachstum, Nahrungsmittelbedarf und industrieller Entwicklung wurden zusammengetragen und miteinander in Wechselwirkung gesetzt.
Heraus kamen neun Szenarien, von denen acht unweigerlich zum Kollaps des westlichen Lebensstils führen würden. Keine leichte Kost und nicht gerade optimistisch! Dennoch, das Buch traf den Nerv der Zeit und wurde 30 Millionen Mal verkauft.
„Club of Rome“, eine Gruppe von zukunftsorientierten Männern
Beauftragt hatte das Werk der einige Jahre zuvor gegründete „Club of Rome“ um den italienischen Industriellen Aurelio Peccei. Es war eine Art Debattierclub von Managern, Wissenschaftlern und aufgeschlossenen Politikern.
Einer aus diesem Kreis, der deutsche Ingenieur und spätere CDU-Politiker, Eduard Pestel, hatte sich eine Untersuchung „Zur Problematik der Menschheit“ zum Geburtstag gewünscht. Ein nicht ganz billiges Geschenk, aber die Volkswagen Stiftung erfüllte dem niedersächsischen Professor seinen Wunsch und stellte tatsächlich eine Million D-Mark für eine solche Untersuchung bereit.
Düstere Prognose der Wissenschaft
Der Auftrag ging dann an eine Gruppe junger Wissenschaftler:innen am Massachusetts Institute for Technology. Hauptautor:innen: Dennis und Donella Meadows, Jörgen Randers Jay Forrester und William Behrens.
Ihre Hauptbotschaft: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“
Die Hälfte dieser Zeit ist um, doch der Abschied vom ewigen Wachstum fällt noch immer schwer. Und auch, wenn das Autor:innenteam bei einigen ihrer Berechnungen daneben lag, die Richtung stimmte. Ablesen lässt sich dies beispielsweise an den prognostizierten Zahlen zum Bevölkerungswachstum.
Für 2030 rechnete man mit fast 15 Milliarden Menschen. Aktuell liegt die Zahl bei knapp acht Milliarden. Aber auch die brauchen Nahrung, Wasser, Energie und ein Dach über dem Kopf.
Die Zukunft der Rohstoffförderung
Unter dem Eindruck der Ölkrise der 1970er Jahre sorgte insbesondere die Warnung, dass viele Rohstoffe schon bald zur Neige gehen könnten, für Aufsehen. Inzwischen wissen wir, dass Ressourcen wie Kohle, Öl oder Gas sehr viel länger reichen würden. Das Problem besteht heute darin, dass wir all diese Reserven gar nicht mehr fördern dürfen, wenn wir die Klimakrise noch halbwegs in den Griff bekommen wollen.
Den Autor:innen ging es letztlich nicht darum, mit einem Blick in die Glaskugel möglichst exakte Vorhersagen zu treffen. Sie wollten vielmehr Entwicklungspfade, Wechselwirkungen und Möglichkeiten aufzuzeigen. Dieses Ziel haben sie zweifellos erreicht.
Der inzwischen 80-jährige Dennis Meadows klingt in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung dennoch ein wenig desillusioniert: „Ich hatte naiverweise gehofft, dass die Leute durch unsere Daten zu einem neuen Verständnis kommen würden.“ Hierauf wartet er bis heute vergebens. „Wenn man sich die praktische Politik anschaut, hat sich eigentlich nichts verändert“, stellt Meadows ernüchternd fest.
„Wir brauchen einen Perspektivwechsel, weg vom sinnlosen Kampf um den Erhalt des Status quo hin zu einem Klima, das Lust macht auf Veränderung. Jeder und jede steht in der Pflicht, niemand kann sich wegducken.“
Der Weg zu einem Perspektivwechsel
Eine Einschätzung, die von den heute im „Club of Rome“-Verantwortlichen nicht unbedingt geteilt wird. Sie beschäftigen sich noch immer mit den planetaren Grenzen und setzten auf Veränderung: „Wir brauchen einen Perspektivwechsel, weg vom sinnlosen Kampf um den Erhalt des Status quo hin zu einem Klima, das Lust macht auf Veränderung. Jeder und jede steht in der Pflicht, niemand kann sich wegducken.“, schreibt beispielsweise der Klimaforscher Mojib Latif, Präsident der Deutschen Gesellschaft des „Club of Rome”.
Ähnlich sahen, dass auch schon die Autor:innen von damals in ihrem neunten Szenario. Allerdings ist eine radikale Transformation von der westlichen Zivilisation seit damals mit Sicherheit auch nicht einfacher geworden.
Hören Sie den WWF-Podcast ÜberLeben zum Club of Rome
Wie soll das Leben und Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen gelingen?
Ganz entscheidend ist die Rolle der Unternehmen, deren Aufgabe es ist, neben finanziellem auch ökologisches und soziales Kapital aufzubauen, anstatt es zu vernichten.
Politische Vorgaben sollten zudem nicht nur mit Zielen, „sondern auch mit Verantwortlichkeiten verbunden werden”. Denn auch 50 Jahre nach der Veröffentlichung von „Die Grenzen des Wachstums“ brennt die Frage noch immer auf den Nägeln, wie wir Leben und Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen hinbekommen.
Eine Herausforderung, die viele kluge Köpfe wohl auch noch die nächsten 50 Jahre beschäftigen wird.