Der Albtraum hat einen Namen: COVID-19. Die weltweite Corona-Krise mit Tausenden Opfern und einer Vollbremsung des öffentlichen Lebens traf die meisten überraschend. Seuchen wie die Beulenpest im 14. Jahrhundert, die innerhalb von vier Jahren die halbe Bevölkerung Europas dahinraffte und selbst die Spanische Grippe mit bis zu 50 Millionen Toten schienen Plagen aus längst vergangenen Epochen. Ein tragischer Irrtum. Epidemiologen war das längst klar. Auch wenn wir hierzulande lange glimpflich davon gekommen sind, war die Bedrohung durch Epidemien immer präsent und sie nimmt zu.
Ebola, SARS, Dengue-Fieber, Malaria, das Nipah-Virus. Die Liste grausamer Erkrankungen ist lang. Die Weltgesundheitsorganisation zählt jedes Jahr rund 200 Ausbrüche von Viruserkrankungen, vor allem in Afrika. Viele dieser tödlichen Epidemien haben eines gemeinsam: Ihr Erreger kam aus der Natur. In 75 Prozent der Fälle gelang dem Erreger der Sprung über Artgrenzen hinweg und befiel die Menschen. Ein neuer Report des WWF macht deutlich, dass diese Gefahr zunimmt. Durch die Zerstörung natürlicher Ökosysteme, den Verlust biologischer Vielfalt und den illegalen Wildtierhandel ist nicht nur die Gesundheit unseres Planeten, sondern auch unsere eigene Gesundheit in Gefahr. Pandemien sind quasi Symptome eines kranken Planeten.
Vor diesem Hintergrund scheint die Corona-Krise wie eine Warnung. Inger Andersen, Chefin des UN-Umweltprogramms bringt es auf den Punkt: "Die Natur sendet uns eine Botschaft. Der Druck auf unsere natürlichen Systeme ist zu stark. Wenn wir uns nicht um die Natur kümmern, können wir uns nicht um uns selbst kümmern. Und während wir auf eine Bevölkerung von 10 Milliarden Menschen auf diesem Planeten zurasen, müssen wir mit der Natur als stärkstem Verbündeten bewaffnet in diese Zukunft gehen".
Schutz der biologischen Vielfalt und der letzten, großen Wälder
in Schlüsselfaktor im Kampf gegen die Viren und andere Infektionserreger ist der Schutz der biologischen Vielfalt und vitaler Ökosysteme, allen voran der letzten, großen Wälder. Wenn Lebensräume zerstört werden, fallen natürliche Barrieren weg. Das bringt Arten in Kontakt zueinander, die vorher nicht im Kontakt waren. Außerdem entsteht eine neue, räumliche Nähe zum Menschen. Das Zika-Virus zum Beispiel hat seinen Ursprung im gleichnamigen Wald in Uganda. Auch Dengue, Chikungunya oder Gelbfieber kamen wahrscheinlich aus den Wäldern. Keine Einzelfälle.
Eine brasilianische Studie aus dem Jahr 2010 zeigt: Die Abholzung von vier Prozent eines Waldes ging mit einer fast 50-prozentigen Zunahme der Malariafälle beim Menschen einher.
Ähnliches wurde in Afrika beobachtet: Durch den Bau von Staudämmen nahm die Population wandernder Süßwassershrimps drastisch ab. Dies führte dazu, dass sich die Beutetiere der Shrimps, bestimmte Schneckenarten, vermehrten. Die Schnecken wiederum sind Zwischenwirt des Bilharziose-Erregers. In der Folge kam es zu einer Zunahme der Erkrankung beim Menschen.
Generell scheinen vor allem jene robusten Arten Veränderungen zu überleben, die als Erreger-Reservoir fungieren. So können beispielsweise einige Nagetiere und Fledermausarten – die häufig mit Zoonosen in Zusammenhang gebracht werden – gut fortbestehen, auch wenn ihre natürlichen Lebensräume verschwunden sind. Das alles zeigt: Die Beziehungen zwischen den Tier- und Pflanzenarten in einem Ökosystem sind komplex. Infektionserreger sind Teil dieser Ökosysteme. Fallen einzelne Glieder weg, wird das System instabil. Und Krankheitserreger haben leichteres Spiel.
Märkte als Brutstätten für Zoonosen
Corona hat seinen Ursprung vermutlich auf einem asiatischen Wildtiermarkt. Viele Arten auf engem Raum und fehlende Hygiene machen solche Märkte zu einer idealen Brutstätte für Zoonosen und erlauben Viren den Sprung über Artgrenzen hinweg. Insbesondere der illegale Handel ist ein gewaltiges Problem. Nötig ist ein international konsequentes Vorgehen gegen den illegalen Wildtierhandel und eine bessere Regulierung des Handels mit legalen Produkten wie etwa bestimmten Wildfleischsorten. Ausschlaggebend wird sein, ob die Schließung in fünf asiatischen Ländern, wie etwa Thailand oder Vietnam, gelingt.
Deutschland muss in diesem Kontext seiner Verantwortung nachkommen und eine Vorreiterrolle übernehmen. Konkret braucht es Gesetze auf nationaler wie europäischer Ebene für entwaldungsfreie und nachhaltige Lieferketten. Auch die Finanzwirtschaft und die staatlichen Konjunkturprogramme müssen ökologischen und sozialen Kriterien folgen. Richtschnüre liefern das Klimaziel von Paris ebenso wie die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Auf internationaler Ebene muss Deutschland andere Länder bei der Eindämmung von Zoonosen-Risiken unterstützen, etwa durch ein konsequentes Vorgehen gegen illegalen Artenhandel.
Erfahren Sie mehr in unserem Hintergrundpapier zum „One-Health“-Ansatz, Biodiversitätsverlust und Infektionskrankheiten, Entwaldung und Umweltveränderungen sowie Wildtierhandel:
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