Die Mehrwegangebotspflicht ist seit einem Monat in Kraft, doch auf welche Realität trifft sie in der Praxis? Der Mehrweganteil in der deutschen Take-Away-Gastronomie war 2022 nur mikroskopisch klein – der Gesamtanteil liegt deutlich unter einem Prozent (0,7 %). Dies geht aus einer heute vom WWF veröffentlichten Analyse hervor, die erstmals Mehrweganteile im der deutschen Gastronomie-, Catering- und Hotelsektor beziffert. Die Analyse zeigt die Ausgangslage im Jahr 2022, an der sich der praktische Effekt der gesetzlichen Mehrwegangebotspflicht in den kommenden Jahren messen lassen muss. Weil die Zahlen die gelebte Praxis wiedergeben, dürften sie weiterhin als aussagekräftig für den tatsächlichen Einsatz gelten.
Demnach wurden 2022 rund 4 Prozent der to-go-Getränke in wiederverwendbaren Behältern ausgegeben, bei Speisen waren es sogar nur 0,1 Prozent. Dabei verursacht der Speisebereich mit Pizzakartons, Tellern, Schalen, To-go-Boxen, Saucendöschen etc. fast 80 Prozent des gastronomischen Verpackungsaufkommens. Die Verpackungsflut erreicht ein beachtliches Ausmaß: Insgesamt 13,3 Milliarden Einwegverpackungen wurden 2022 in der deutschen Gastronomie für Speisen und Getränke vertrieben, das entspricht 254.000 Tonnen Verpackungsmüll. Dem gegenüber stehen lediglich 134 Tonnen wiederverwendbarer Verpackungen im Gastronomiesektor.
„Die Ausgangslage ist: In der deutschen Take-Away-Gastronomie hat Mehrweg bisher keine Marktrelevanz. Unsere Bestandsaufnahme zeigt, wie groß die Kluft zwischen Alltagsgewohnheiten und künftigen Mehrwegzielen ist. Damit Deutschland die derzeit diskutierten EU-Ziele erfüllt, muss sich der Anteil von in Mehrweggefäßen verpackten Speisen in sieben Jahren verhundertfachen“, sagt Laura Griestop, Expertin für Verpackungen beim WWF Deutschland. Denn laut Vorschlag der EU-Kommission zur Verpackungs-Verordnung müssen im Hotel-, Restaurant- und Cateringsektor ab dem 1. Januar 2030 zehn Prozent der Speisen zum Mitnehmen in wieder verwendbaren Verpackungen bereitgestellt werden.
In der Mehrwegangebotspflicht sieht der WWF einen richtigen Impuls, doch das Gesetz greift noch zu kurz. “Es fehlen klare Anreize für Verbraucher:innen, Jahrzehnte der Einwegroutine zu durchbrechen. Mehrweg muss günstiger sein als Einweg”, fordert Griestop. Mit einer materialübergreifenden Abgabe auf Einwegverpackungen sollte der Gesetzgeber diesen Ansporn schaffen. „Bei Speisen bezieht sich das Gesetz nur auf Einwegverpackungen aus Kunststoff. Diese Gesetzeslücke muss geschlossen werden, damit keine Verschiebung zu Einwegverpackungen aus Papier oder Aluminium stattfindet“, so Griestop weiter. Vor allem müssen die Behörden sicherstellen, dass die neuen Regeln eingehalten werden. Es braucht Kontrolle und Fortschritts-Monitoring, denn ein Gesetz ist nur so gut wie seine Umsetzung.
Unabdingbar für den Erfolg ist laut WWF eine einheitliche und unkomplizierte Rückgabelogistik, in der man Behälter nach Gebrauch überall zurückgeben kann. „Rückgabekomfort ist wichtig, denn der Kurswechsel findet erst statt, wenn die Verbraucher:innen Mehrweggefäße bei Restaurants, Cafes und Lieferdiensten nachfragen und nutzen. Damit Mehrweg in der Gastronomie zum Standard wird, braucht es Veränderungswillen bei allen Beteiligten“, so Laura Griestop.
Um die Wende zu Mehrweglösungen zu unterstützen, hat der WWF gemeinsam mit dem Mehrwegverband Deutschland und ProjectTogether die Umsetzungsallianz www.mehrweg-einfach-machen.de ins Leben gerufen. Hier arbeiten Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik, Kommunen und Mehrweg-Pionier:innen gemeinsam daran praktische Hürden etwa bei Logistik, Hygiene oder Kundenakzeptanz zu überwinden.