Berlin, 16.06.21: Zur Grillsaison wirbt der Einzelhandel mit Steaks oder Grillwürstchen vom Schwein mit einem Preis von durchschnittlich 6,36 Euro pro Kilo. Die Tofuwurst und der Sojaburger schlagen im Angebot mit einem Kilopreis von durchschnittlich 13,79 Euro zu Buche – und sind damit mehr als doppelt so teuer. Das sind Ergebnisse einer Rabattanalyse, die der WWF Deutschland zum Beginn der Grillsaison bei acht deutschen Lebensmitteleinzelhändlern durchgeführt hat. „Mit Billigfleisch wird der Amazonas verramscht“, kritisiert Tanja Dräger de Teran, Ernährungsreferentin beim WWF Deutschland. „Damit Fleisch zu günstigen Knallerpreisen angeboten werden kann, muss massenhaft Vieh gehalten und im großen Stil Futtermittel, vor allem Soja, importiert werden. Das heizt das Klima an und treibt die Zerstörung wertvoller Lebensräume wie etwa Regenwälder und Savannen in Lateinamerika voran.“
Durchgeführt wurde die WWF-Analyse vom 26. April bis 22. Mai 2021. Insgesamt wurden 922 Grillfleisch-Angebote in den Werbeprospekten von acht deutschen Supermarktketten erfasst. Die ausgewiesenen Rabatte betrugen zwischen 6 und 56 Prozent. Im Schnitt waren 85 Prozent des rabattierten Grillfleisches billiger als pflanzliche Alternativen. Erst im April 2021 hatte ein WWF-Report aufgedeckt, dass die EU nach China der größte Importeuer von Tropenwaldzerstörung ist. 16 Prozent der globalen Tropenabholzung im Zusammenhang mit dem internationalen Handel gehen demnach auf das Konto Europas. Zwischen 2005 und 2017 wurden für deutsche Importe von Agrargütern im Schnitt mehr als 43.700 Hektar Tropenwald pro Jahr vernichtet.
„Derzeit ist Fleisch für preisbewusste Käufer attraktiver als die umweltfreundlicheren, vegetarischen Grill-Produkte“, kritisiert Dräger de Teran. „Nachhaltige Ernährung wird dadurch zu einer sozialen Frage. Gerade wer beim Einkauf aufs Geld achten muss, wird quasi dazu gezwungen zum billigen Schweinenackensteak zu greifen, anstatt zum höherpreisigen Tofu-Würstchen.” Neben der Preispolitik des Handels kritisiert sie auch die aktuelle Landwirtschaftspolitik. „Die nächste Bundesregierung muss bis 2022 eine ressortübergreifende Ernährungsstrategie auf den Weg bringen, deren Maßstab die ökologischen Grenzen der Erde sind.” Künftig müsse die einfache Wahl auch die gesunde und nachhaltige Wahl sein. Dazu solle die Bundesregierung ab 2023 eine Lenkungssteuer für tierische Lebensmittel einführen, die sich an Nachhaltigkeitskriterien orientiert und Produkte aus der ökologischen Landwirtschaft weniger belastet.
Nur bei zwei Prozent der untersuchten Angebote handelte es sich zudem um Bioprodukte. „Wir können also davon ausgehen, dass 98 Prozent des rabattierten Grillfleischs nur die gesetzlichen Mindestkriterien beziehungsweise minimale Zusatzanforderungen erfüllt”, bilanziert Dräger de Teran. Nachhaltige Fütterung und Haltung scheinen in der Grillsaison keine Rolle zu spielen.
„Immer mehr Deutsche ernähren sich vegetarisch oder vegan. Pflanzenbasierte Produkte sollten daher in der Vermarktung bevorzugt und künftig keine Lockangebote mehr auf Fleisch- und Wurstwaren ausgewiesen werden”, so die WWF-Expertin. Davon ausgenommen seien Angebotspreise kurz vor Ablauf des Verbrauchsdatums.
Hintergrund: Methodik der Analyse
In der Stichproben-Analyse wurden die rabattierten Angebote von Grillfleisch und fleischlosen Grillprodukten von acht deutschen Lebensmitteleinzelhändlern untersucht (Aldi Nord, Aldi Süd, EDEKA, LIDL, Netto, Norma, Kaufland und REWE). Vom 26. April bis 22. Mai 2021 wurden dabei insgesamt 56 Angebotsprospekte ausgewertet. Neben den Preisen und Rabatten auf Grillfleisch wurden die Angebote für Grillkäse, Feta, Baguette, Barbecue-Soße und grillbare Fleischersatzprodukte erhoben und verglichen. Als Fleischersatzprodukt wurden pflanzliche Produkte begriffen, die wie Fleisch aussehen und schmecken sollen sowie zur Zubereitung auf dem Grill gedacht sind. Dazu zählen etwa Burger oder Würstchen auf Basis von Erbsenprotein, Soja oder Tofu.
Hintergrund: Ernährungsstudie
Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des WWF könnten jährlich 56 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden, indem alle Deutschen ihren Fleischkonsum auf 470 Gramm pro Wache halbieren und stattdessen mehr Gemüse und Hülsenfrüchte verzehren. Das entspricht fast den gesamten Emissionen der deutschen Landwirtschaft (66 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente).