Nach Einschätzung des WWF Deutschland ist 2020 ein weiteres „heißes Katastrophenjahr“ für die arktischen Ökosysteme. Der Grund: Das arktische Meereis ist laut Zahlen des Alfred-Wegener-Institut für Polar und Meeresforschung (AWI) in diesem Sommer auf die zweitkleinste Fläche seit Beginn der Satellitenmessungen zusammengeschrumpft. Mitte September betrug die Eisfläche demnach nur noch 3,8 Millionen Quadratkilometer und lag damit nur 0,5 Millionen Quadratkilometer über dem Negativrekord aus 2012. Die Folgen seien nicht nur für den Eisbären und die Menschen in der Arktis spürbar, sondern auch in Deutschland, so der WWF.
„Der arktische Sommer neigt sich seinem Ende entgegen und anstatt des weißen Meereises überwiegt dieses Jahr erneut das Blau des Ozeans. Das ist eine katastrophale Entwicklung, deren Folgen wir auch in Deutschland zu spüren bekommen“, warnt Sybille Klenzendorf, Arktis-Expertin beim WWF Deutschland. So würden Extremwettereignisse wie Sturmfluten oder Trockenperioden in Mitteleuropa durch die Veränderungen in der Arktis begünstigt. Zudem verändern Fische aufgrund veränderter Meerestemperaturen und Strömungen ihr Wanderverhalten. Ganze Bestände könnten verschwinden und Fischereien zusammenbrechen.
„Nirgends erwärmt sich die Erde so schnell wie in der Arktis“, warnt Klenzendorf. Selbst pessimistische Prognosen zur Entwicklung des Packeises um den Nordpol mussten korrigiert werden: Das Eis schmilzt so schnell, dass die Arktis voraussichtlich nicht 2050, sondern schon ab 2035 im Sommer komplett eisfrei sein wird. Während sich die durchschnittliche Temperatur auf der Erde im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um etwa ein Grad Celsius erhöht hat, ist es in der Arktis schon um fünf Grad wärmer geworden. Dabei sei gerade dieses hochempfindliche und extrem spezialisierte Ökosystem nur sehr schlecht in der Lage auf derart schnelle Veränderungen zu reagieren. „Menschen nutzen das Eis als Verkehrsweg und leben in Häusern, die auf Permafrostböden stehen. Eisbären machen vom Eis aus Jagd auf Robben. Rentiere überqueren vereiste Flüsse auf der Wanderung zu ihren Nahrungsgründen“, so Klenzendorf.
Für die WWF-Expertin gibt es daher nur einen Ausweg: „Wir müssen daher die Klimakrise stoppen und die Erderhitzung auf 1,5° Grad begrenzen, wenn die Arktis und mit ihr Tierarten wie der Eisbär, sowie Millionen Menschen in der ganzen Welt noch eine Chance haben soll.“ Dafür müsse die Menschheit allerdings bis spätestens 2050 an einem Netto-Nullpunkt bei Treibhausgasemissionen angelangt sein. Im Moment ist die Welt auf dem Kurs zu einer 3°C Erwärmung. Alle Vertragsstaaten des Pariser Abkommens sind aufgerufen ihre Anstrengungen beim Klimaschutz zu verstärken. Um Europa auf einen, den Pariser Gipfelbeschlüssen entsprechenden Klimapfad zu bringen, braucht es eine Anhebung des europäischen Klimaziels. Nötig sei eine Emissionsreduzierung von 65 Prozent gegenüber 1990. Der WWF fordert die Bundesregierung daher auf, im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft dafür zu sorgen, dass die EU diese Zielerhöhung beschließt.