Im Jahr des Tigers 2010 setzten sich Regierungsvertreter:innen der 13 Tigerstaaten Bangladesch, Bhutan, China, Indien, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Nepal, Russland, Thailand und Vietnam auf dem ersten internationalen Tigergipfel in St. Petersburg ein gemeinsames, ehrgeiziges Ziel: In nur zwölf Jahren, bis zum nächsten Jahr des Tigers, wollten sie die Zahlen der stark bedrohten Großkatze verdoppeln. Tx2 nannten sie dieses Projekt, also „Tiger mal zwei“.
Mut, Durchsetzungskraft und Optimismus – dafür steht der Tiger in der chinesischen Astrologie. Drei Eigenschaften, die auch Artenschützer:innen auf der ganzen Welt mehr denn je bei ihrem Einsatz gegen das Aussterben der letzten wilden Tiger antreiben.
Zu diesem Zeitpunkt wurde die Zahl der wild lebenden Tiger auf nur noch rund 3.200 weltweit geschätzt. Seit Jahrzehnten waren die Zahlen rückläufig. Trotzdem: 2022 sollte nicht nur nach dem chinesischen Kalender, sondern auch aus Sicht des Naturschutzes zum Jahr des Tigers werden.
Heute können wir sagen, dass die Konferenz in St. Petersburg im Jahr 2010 tatsächlich einen historischen Wendepunkt beim Tigerschutz markierte.
Erfahren Sie alles über die letzten Zählungen aus der Tigerstaaten
- Tiger-Zahlen: Historischer Erfolg in Thailand
Die Tigerschutz-Bilanz der letzten zwölf Jahre: Trendumkehr geschafft
Mit Jahresbeginn 2023 haben noch nicht alle Staaten ihre neuen Tigerzahlen bekanntgegeben. Covid-bedingt kam es in einigen Ländern auch zu zeitlichen Verschiebungen der Zählungen, Analysen und Auswertungen. Für das Jahr 2023 werden aktualisierte Tigerzahlen aus Indien und Bhutan erwartet. Auch Indonesien hat eine umfassende Analyse der Wildtiere auf Sumatra durchgeführt und Bangladesch beginnt gerade mit der neuen Zählung, deren Ergebnisse dann 2024 erwartet werden.
Dennoch ist jetzt am Ende des Chinesischen Jahr des Tigers klar, dass die Gesamtbilanz eine positive ist. Auch wenn die Verdoppelung nicht erreicht wurde, konnten viele entscheidende Schritte getan werden, die einen klaren Trend in Richtung wachsende Tigerbestände aufzeigen.
Mitte 2022 hat die Weltnaturschutzunion IUCN neue Zahlen veröffentlicht, wobei der Mittelwert der Schätzung bei etwa 4.500 Tieren lag, immerhin eine Steigerung von rund 40 Prozent gegenüber dem Jahr 2009.
Das Jahr des Tigers im Rückblick
Auf eine besondere Erfolgsgeschichte kann zu Recht Nepal stolz sein. Das Land, welches zu den ärmsten Nationen der Welt zählt, konnte die Zahl der Tiger in den letzten 13 Jahren von 120 Tieren auf 355 fast verdreifachen! Das ist ein großartiger Erfolg, der zeigt, was mit Engagement, verbindlichen politischen Maßnahmen und Einsatz von finanziellen und personellen Ressourcen möglich ist im internationalen Artenschutz.
Aber auch China und Russland haben neue, ermutigende Zahlen aus dem Fernen Osten veröffentlicht, wobei Russlands Tigerbestand seit 2010 nach eigenen Angaben um 60 Prozent auf 750 Tiere angewachsen ist (einschl. Jungtieren). Ähnlich erfreuliche Nachrichten erhofft man sich aus Indien und Bhutan im Laufe des Jahres 2023.
Die Sorgenkinder sind jedoch in Südostasien. Während in Laos, Vietnam und Kambodscha die Tiger bereits ausgestorben sind, gehen die Trends in Thailand, Myanmar, Indonesien und Malaysia leider nicht nach oben beziehungsweise stagnieren. In Malaysia hat es sogar einen dramatischen Einbruch gegeben. Mittlerweile schätzt man die Population auf der Malayischen Halbinsel auf weniger als 150 Tiere. Diese Zahlen wurden bereits zu Beginn des Jahres 2022 gemeldet. In Südostasien ist es vor allem die massive Wilderei mit Schlingen, die dem Tiger und seinen Beutetieren zusetzt. Hoffnung gibt es allein aus Thailand.
Tigerschutz braucht politischen Willen
Vorreiter beim Tigerschutz waren in den letzten Jahren vor allem Nepal, Indien, Bhutan, Russland und China. So verschieden diese Länder in sozialer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht auch sind, ihr erfolgreicher Tigerschutz zeigt einige Gemeinsamkeiten.
Da ist vor allem der politische Wille, konkrete Maßnahmen aus dem staatlichen Haushalt zu finanzieren, die sich an den hauptsächlichen Bedrohungen und Problematiken ausrichten, welche dem Tiger zusetzen. Es gilt die Wilderei und den illegalen Artenhandel durch gut ausgebildete und ausgestattete Ranger:innen und Vollzugsbehörden zu bekämpfen.
Um Lebensraum zu erhalten, wurden neue Tigerschutzgebiete ausgewiesen- hier waren Russland und China starke Vorreiter. Lösungen für Mensch-Tiger-Konflikte sind vor allem für die Landbevölkerung wichtig, die ihre Heimat mit der des Tigers teilt. Sie müssen mit konkreten Angeboten für die Verbesserung der Lebensqualität der lokalen Gemeinden kombiniert werden. Wichtig ist es auch die Zahl und Verbreitung der Tiger zu kennen, um die eigenen Schutzmaßnahmen zielgerichtet zu planen und ihren Erfolg (oder Misserfolg) einschätzen zu können.
Wie geht es weiter im Tigerschutz?
Der WWF und fünf weitere internationale Natur- und Artenschutzorganisationen haben sich 2021 zu einer Koalition zusammengeschlossen und eine Zukunftsvision für die nächsten zwölf Jahre und darüber hinaus formuliert. Dazu wurden drei übergeordnete strategische Ansätze vereinbart:
Durch Renaturierung, Schutz und Vernetzung sollen Tigergebiete gesichert und ökologisch aufgewertet werden. Der Schutz ihrer Habitate soll in nationale Entwicklungsstrategien integriert und die Kohlenstoffbindung von Tigerwäldern anerkannt werden. Wiederansiedlung in ausgewählten Gebieten, wo der Tiger ausgestorben ist.
2. Förderung Mensch-Tiger-KoexistenzDurch besseres Verständnis der Konflikte, der sozialen und wirtschaftlichen Belange der lokalen Bevölkerung und durch wechselseitige positive Effekte des Naturschutzes für Tier und Mensch.
3. Bekämpfung von Wilderei und ArtenschmuggelKeine Toleranz für illegalen Artenhandel mit Tigern und Tigerteilen, Zerschlagung von Schmuggelringen und Senkung der Nachfrage nach Tigerprodukten.
Tigerschutz braucht grenzüberschreitende Zusammenarbeit
In Indien und Nepal wurde gemeinsam gegen Wilderei und illegalen Wildtierhandel vorgegangen und bestehende Gesetze konsequent durchgesetzt.
Die Regierungen vieler Tigerländer arbeiten mit Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen an Lösungen, um die Akzeptanz und das Verständnis der lokalen Gemeinden für Tiger und ihre Lebensräume zu erhöhen. Denn mit den steigenden Tigerzahlen nehmen in den dicht besiedelten Ländern auch die Mensch-Wildtier-Konflikte zu.
Tigerschutz braucht Optimismus
Über zukünftige Erfolge, aber auch die Herausforderungen, die vor allem in den Ländern Südostasiens weiter beim Tigerschutz bestehen, wird der WWF weiterhin berichten. Wir beleuchten die Situation in den Tigerländern - von den tief verschneiten Wäldern Russlands bis zu den tropischen Dschungeln Thailands. Wir beleuchten WWF-Tigerschutzprojekte und stellen Menschen vor, die sich täglich für den Schutz der Tiger einsetzen.
„Der Tiger ist zu einem Symbol für Arten- und Naturschutz weltweit geworden. Wer den Tiger schützt, schützt so viel mehr.“
Warum die nächsten 12 Jahre so wichtig sind
Auf den Erfolgen der letzten zwölf Jahre dürfen wir uns nicht ausruhen. Die vergangenen Jahre haben auch gezeigt: Ohne Naturschutz kann der Tiger nicht überleben. Deshalb müssen wir unermüdlich weiter für die Akzeptanz der Großkatze werben, Mensch-Tiger-Konflikte entschärfen sowie die Tigerländer beim Kampf gegen Wilderei und Artenschmuggel und beim Schutz der letzten Tigerlebensräume unterstützen.
Wilde Tiger sind anspruchsvolle Spitzenprädatoren, die auf großräumige und intakte Landschaften mit ausreichend Beutetieren angewiesen sind. Stimmen diese Faktoren ist das Ökosystem gesund. Das bleibt es, wenn keine Schnellstraßen gebaut werden, wenn die Wälder nicht zugunsten von Plantagen abgeholzt und die Flüsse nicht vergiftet werden.
Daher bedeutet Tigerschutz auch den Schutz von großen Lebensräumen und anderen Tier- und Pflanzenarten. Für die Menschen, die dort leben, ist der Tiger nicht nur eine Bedrohung. Die ökologischen Leistungen dieser intakten Landschaften kommen Menschen und Wildtieren gleichermaßen zugute, in Form von sauberem Wasser, gesunden Böden, Waldprodukten und Platz für kleinbäuerliche Landwirtschaft. Nicht zuletzt, sind gesunde Graslandschaften und intakte Wälder große Kohlenstoffspeicher, die zum Schutz unseres Klimas beitragen.
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