Während die Schulmedizin in Europa vorwiegend pflanzliche oder synthetische Substanzen einsetzt, vertraut die traditionelle Medizin insbesondere in Ost- und Südost-Asien nach wie vor auch auf die Heilwirkung tierischer Substanzen. Besonders in der so genannten Traditionellen Asiatischen Medizin, die synonym häufig auch als Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) bezeichnet wird, ist dies weit verbreitet: Etwa 750 verschiedene Tierarten, aber auch mehr als 3.000 Pflanzenarten finden hier Verwendung.

Der Begriff „Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)“ wird in der westlichen Literatur im 18. Jahrhundert erstmals erwähnt. Ihre Ursprünge gehen jedoch viel weiter zurück: Entstanden ist sie vor mehr als 4.000 Jahren in der Xia-Dynastie in China.

Die TCM basiert auf einer Philosophie, die versucht, Geist, Körper und Gesundheit durch verschiedene Praktiken und Behandlungsmethoden zu kurieren, sie dient aber auch der Krankheitsprävention.

Die Traditionelle Asiatische Medizin geht davon aus, dass die sogenannte Lebensenergie (Qi) im Körper ungehindert fließen können muss, damit ein Mensch gesund ist. Ebenso müssen die Yin- und Yang-Kräfte (kalt und heiß, passiv und aktiv) im Gleichgewicht sein.

Die fünf Säulen der TCM

Shop für chinesische Medizin in Bangkok © Anton Vorauer / WWF
Shop für chinesische Medizin in Bangkok © Anton Vorauer / WWF

Die TCM gliedert sich in fünf Säulen: Akupunktur, Qigong (Bewegungstherapie), Tuina (Massage-Therapie), Diätetik (Einordnung von Lebensmitteln nach Heilwirkung) sowie die Arzneimitteltherapie. In der Arzneimitteltherapie der TCM werden Patient:innen mit natürlichen Substanzen pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ursprungs behandelt.

Dazu werden zum Beispiel die Schalen von Muscheln und Panzer von Krebsen genutzt, aber auch Skorpione (in gemahlenem Zustand) finden beispielsweise als Schmerzmittel Anwendung. Besonders spektakulär ist die Verwendung von Organen oder speziellen Körperteilen von Säugetieren wie etwa Bärengalle, Schuppentier-Schuppen oder Tigerknochen.

Viele Tierarten werden nicht zuletzt aufgrund der starken Nachfrage seitens der Traditionellen Chinesischen Medizin im großen Stil bejagt und stehen mittlerweile als „vom Aussterben bedroht“ auf der Internationalen Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN).

Tigertee und Stinkholzdragees

Wie groß der globale Markt für TCM-Arzneien ist, lässt sich nur schätzen – vermutlich liegt der Umsatz im zweistelligen Milliardenbereich –, denn es gibt neben national und international regulierten Märkten mindestens einen ebenso großen Schwarzmarkt. Der Handel mit TCM-Produkten ist ein lukratives Geschäft, etwa 3.000 Pflanzenarten werden international gehandelt. Für 800 dieser Arten gibt es internationale Handelsbeschränkungen.

Die Nachfrage wächst weltweit und der Warenwert für Pflanzenprodukte hat sich seit 1998 verdreifacht – mit dramatischen Folgen für die Artenvielfalt. Denn viele Tier- und Pflanzenarten lassen sich nicht züchten und werden der Natur entnommen werden. Selbst wenn Tiere oder Pflanzen auch gezüchtet werden könnten, ist es oft billiger, in der freien Natur zu wildern bzw. illegal zu sammeln. Oft ziehen die Konsument:innen auch die Produkte aus der Natur solchen aus Zuchtbetrieben vor.

Naturmedizin © Hartmut Jungius / WWF
Naturmedizin © Hartmut Jungius / WWF

So werden immer mehr Wildpflanzenarten nicht nachhaltig und unkontrolliert geerntet und gehandelt: Frühlingsadonisröschen, Ginseng und afrikanisches Stinkholz sind nur einige Beispiele für durch Übernutzung und Handel akut gefährdete Heilpflanzen.

Bei den für medizinische Zwecke genutzten Tierarten sieht es nicht anders aus: Tiger und alle Nashorn-Arten sind durch Wilderei gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht; einige Populationen sind bereits lokal ausgestorben.

Die illegale, nicht nachhaltige Jagd auf das in Asien heimische Moschustier ist die Hauptbedrohung für den Lieferant des natürlichen Moschus-Duftstoffes.

Besonders gefährdete Tierarten und wozu sie verwendet werden

Das macht der WWF

Gemeinsam mit Partner:innen versucht der WWF gegen diese Trends zu steuern, indem er Druck auf die am Handel beteiligten Länder und Handelspartner ausübt und Strategien für eine nachhaltige Wildnutzung entwickelt, die sowohl der Natur helfen als auch den meist einkommensschwachen Sammler:innen eine Lebensgrundlage bieten.

Gleichzeitig setzen der WWF und seine Partner:innen auch auf gezielte Aufklärung der Anwender:innen und Nutzer:innen und damit einhergehende Verhaltensänderungen. An TCM-Universitäten in Vietnam arbeitet der WWF zusammen mit Multiplikator:innen beispielsweise daran, dass mittel- und langfristig weniger Produkte aus bedrohten Tierarten verschrieben und konsumiert werden. Das betrifft zum Beispiel Rhinozeroshorn, aber auch Tiger-Produkte.

Auch bei CITES setzt sich der WWF gemeinsam mit TRAFFIC zur Reduktion der Nachfrage nach illegalen Wildtieren und Wildpflanzen ein – sowohl was Traditionelle Chinesische Medizin angeht, als auch außerhalb dieses Nutzungsfeldes. In China zum Beispiel arbeitet der WWF mit Mitteln der deutschen Bundesregierung daran, dass die Nachfrage nach dem in China mittlerweile nur noch illegal erhältlichen Elefanten-Elfenbein weiter zurückgeht. Dort geht es zwar nicht um die Nutzung für medizinische Zwecke, sondern vor allem um gesellschaftliches Prestige, Elfenbeinprodukte zu besitzen. Dennoch: der Ansatz der Nachfragereduktion, der schließlich zu mehr Artenschutz führt, ist derselbe.

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