An den deutschen Küsten hat die Fischerei eine lange Tradition. Schleppnetze, Stellnetze und Reusen werden in der Ostsee zum Fang von Hering, Sprotte, Scholle, Flunder und Dorsch eingesetzt. Seit den 60er Jahren werden Fischernetze nicht mehr aus den leicht vergänglichen Naturstoffen Hanf, Sisal oder Leinen hergestellt, sondern aus synthetischen Stoffen wie Polypropylen, Polyethylen und Nylon (Polyamid).
Durch das Verhaken an Bodenhindernissen wie Felsen, Ankersteinen und Wracks, aber auch durch Kollisionen mit Sportbooten und unerwartete Unwetter, gehen Netze verloren, auch wenn die Verluste seit der Einführung des genauen GPS Systems zurückgegangen sind. Verlorene Netze verrotten am Meeresgrund erst nach 400 bis 600 Jahren und tragen damit zur Plastikverschmutzung unserer Meere bei. Netzfasern und chemische Zusätze gelangen als Mikroplastik in die Nahrungskette. An Wracks oder als „aufgestellte“ Stellnetze fischen sie als Geisternetze noch lange nach dem Verhaken sinnlos weiter. Neben Fischen werden Geisternetze auch für Robben, Schweinswale und Tauchvögel zur Falle, wenn diese den verhedderten Fischen nachjagen.
Seit 2013 engagiert sich der WWF Deutschland aktiv gegen verlorene Fischernetze, so genannte Geisternetze, in der Ostsee. Dazu gehören Such- und Bergungsaktionen und die Entwicklung von Entsorgungswegen. Besonders wichtig ist uns die Zusammenarbeit mit dem Bund und den Küstenbundesländern, um langfristige Lösungswege aus der Geisternetze-Falle zu ermöglichen.
Warum sind Geisternetze ein Problem?
- So spürt man Geisternetze auf
- GhostNetZero App
Was tut der WWF?
Der WWF entwickelt umweltverträgliche Methoden zur Suche und Bergung von Geisternetzen. Dazu arbeitet der WWF mit Fischern und professionellen Tauchteams zusammen, die verhakte Netze vom Boden lösen und durch Anhängen an eine Winde auf einem Kutter bergen.
Die Suche mit einem Sonargerät, das mit Schallwellen den Meeresboden abbildet, hat sich als die effizienteste Suchmethode erwiesen. So können große Flächen nach verlorenem Netzmaterial abgesucht werden. Gerade wird die WWF GhostNetZero App weiterentwickelt, über die Taucher Verdachtsstellen der Sonaraufnahmen bestätigen und an den WWF zurückmelden können. Geisternetze an bestätigten Positionen können umweltverträglich und effizient geborgen werden. Das Wissen der Fischer beim Umgang mit geborgenen Netzen hilft auch dabei, die Netze für die Verwertung vorzubereiten.
- Erfolgreiche Bergungsaktion
Wo finden wir die Netze?
Bei der Suche nach Geisternetzen ist das Wissen der Fischer und Taucher vor Ort am wichtigsten. Fischer kennen ihr Revier, Taucher die Unterwasserlandschaft. Besonders in Küstenregionen mit einer intensiven Stellnetzfischerei sucht der WWF den Meeresboden mit dem Sonargerät ab. Die Verdachtsstellen werden angetaucht und die anschließende Bergung mit dem Detailwissen der Taucher punktgenau durchgeführt. Dadurch wird die Suche und Bergung effizient.
Bei der Suche und Bergung arbeitet der WWF Deutschland eng mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), dem Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern (StALU MV) und dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern zusammen, um den Schutz der Meeresumwelt und der Kulturgüter zu gewährleisten. In empfindlichen Lebensräumen und an historisch relevanten Wrackstandorten werden keine Netze geborgen.
- Highlights aus der Projektentwicklung
- Die Verwertung von Geisternetzen
Wer unter Wasser Netze oder Netzteile sieht, kann diese unter geisternetze(at)wwf.de melden. Stellt das Netz möglicherweise eine Gefahr dar, wenden Sie sich bitte an die örtliche Wasserschutzpolizei.
Wie werden Geisternetze geborgen?
Wie die Geisternetze geborgen werden, hängt von der Größe und dem Gewicht der Netze ab. Wenn es leichte Stellnetze sind, können sie mit einem Forschungstauchteam von Hindernissen am Grund losgeschnitten und mit Muskelkraft auf das Taucherschiff heraufgezogen werden. Größere Schleppnetzballen können mehrere Tonnen wiegen. Wegen der Gefahren, wenn sich diese Schleppnetze vom Meeresgrund lösen, werden sie durch Berufstaucher von Arbeitsschiffen mit einem Hebekran geborgen.
Auch Stellnetzkutter können dank der genauen GPS Positionen durch die Sonarsuche verlorene Netze entfernen. Im Landesprojekt in Mecklenburg-Vorpommern bergen Fischer kleinere, leichtere Netze mit Stellnetzkuttern. Größere, ein bis zwei Tonnen schwere Netze werden mit der Winde der Schleppnetzkutter geborgen.
Erste Umsetzung eines Geisternetze-Projekts mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern
Saubere Meere sind Landesaufgabe
Die vom WWF entwickelte Methode wird den Küstenbundesländern zur Verfügung gestellt, damit der Lebensraum am Meeresboden der Ostsee gesünder werden kann. In einem durch das Umweltbundesamt und die Postcode Lotterie geförderten Pilotprojekt konnte der WWF eine Meeresfläche von mehr als 8000 Fußballfeldern in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein mit Schallwellen absuchen. Gemeinsam mit dem Umweltbundesamt haben wir auch die Sonarsuche in der Nordsee erstmals erfolgreich getestet. Als erstes Küsten-Bundesland hat Mecklenburg-Vorpommern Verantwortung für Geisternetzbergungen übernommen. Das Land fördert ein vom WWF koordiniertes Pilotprojekt, in dem Fischer in die Bergung noch intensiver eingebunden werden. Bei der Entfernung von verlorenem Fischereigerät sitzen Fischer und Naturschutz in einem Boot – für die Fischereigebiete und für die Meere ist ein gesunder Meeresboden wesentlich.
Was geschieht mit den Netzen?
Zusätzlich sucht der WWF nach Wegen, das geborgene Netzmaterial fachgerecht und umweltverträglich zu entsorgen. Bisher gibt es keinen ökologisch sinnvollen Entsorgungsweg für Geisternetze, weil sie das Schwermetall Blei als Gewichte enthalten. Der WWF arbeitet mit Recyclingfirmen und Sortieranlagen zusammen, um die Verwertung der geborgenen Fischernetze zu ermöglichen. Dies ist nötig, damit die Bergung auch durch Fischer und professionelle Bergungstaucher weitergeführt werden kann. Ein Recycling der aus der Ostsee geborgenen Geisternetze ist wegen der starken Verunreinigungen mit feinem Sand und Blei leider nicht möglich.
- Geisternetze
- Unsere Ozeane versinken im Plastikmüll
Partner im Geisternetze-Projekt
Seit mehr als vier Jahren unterstützt die PreZero Service Deutschland GmbH als privater Sponsor den WWF bei der Bergung und Verwertung von Geisternetzen. Seit 2021 fördert das Land Mecklenburg-Vorpommern ein Landes-Pilotprojekt zur Entfernung von Geisternetzen aus den Küstengewässern gemeinsam mit den Fischereibetrieben.
Bei der Sonarsuche wurde der WWF durch die Verbändeförderung des Bundesministeriums für Umwelt und des Umweltbundesamtes sowie durch die Postcode Lotterie unterstützt. NUE/BINGO Die Umweltlotterie hat den Start der WWF Geistertaucher-App ermöglicht.
Im Projekt MARELITT Baltic (EU Interreg Projekt 2016-2019) arbeiteten der WWF Deutschland, der WWF Polen, die Nichtregierungs-Organisationen Keep Sweeden Tidy und Keep Estonian Seas Tidy mit der Hafenstadt Simrishamn in Südschweden zusammen, um Geisternetze zu identifizieren, zu reduzieren und wiederzuverwerten. Darüber hinaus ermöglichen Privatspenden die Bergung von Geisternetzen aus der Ostsee.
- PreZero
Vielen Dank an alle Projektpartner!