Ginge es nach den Plänen der Hamburger Behörde für Hafenwirtschaft, Verkehr und Innovation, stünde schon seit Jahren fest: Die gesamte Elbmündung, Unter- und Außenelbe, wird von 15,3 Metern Tiefe um mindestens einen weiteren Meter vertieft. Dies sei unerlässlich, wolle man einer neuen Generation gigantischer Containerschiffe das Ein- und Auslaufen in den Hamburger Hafen unabhängig von Ebbe und Flut ermöglichen und das Zeitfenster dafür verlängern. Die Behörde rechtfertigt das fragwürdige Vorhaben mit notwendiger Wirtschaftlichkeit. Hamburgs Hafen müsse konkurrenzfähig bleiben. Großen Containerschiffen mit viel Tiefgang bliebe derzeit bei Flut gerade eine Stunde, um den ersten Elbabschnitt nach Hamburgs Hafen zu passieren. Im April 2012 haben die Genehmigungsbehörden - die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord in Kiel und die Hamburger Behörde für Hafenwirtschaft Verkehr und Innovation - dem umstrittenen Bauvorhaben grünes Licht gegeben.
Das Aktionsbündis für die Elbe dagegen hält die Argumente der Befürworter für wenig stichhaltig. WWF, BUND und NABU klagen nun vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den Beschluss. Kommt die Elbvertiefung, hinterlässt sie bleibende Schäden an der Natur und bringt kaum wirtschaftlichen Nutzen. Denn Hamburgs Hafen boomt, auch ohne zusätzliche Meter.
Zwischen Nordsee und Hamburger Hafen soll die Flussmündung der Elbe erneut ausgebaggert werden, um noch größeren Containerschiffen die Einfahrt ins Hafenbecken zu gewähren. WWF, NABU und BUND halten im Aktionsbündnis Lebendige Tideelbe dagegen: Der Eingriff in die Natur wäre massiv, die wirtschaftliche Notwenigkeit keinesfalls belegt.
Einen Meter Elbe gegen Schlick und Verlandung
Stattdessen fordert der millionenschwere Plan ökologischen Tribut. Wird das Flussbett der Elbmündung neu ausgehoben, fallen insgesamt etwa 38,5 Millionen Kubikmeter Sand und Schlick an. Die Erdmassen sollen an anderen Stellen verklappt und befestigt werden: vor allem im Bereich der Elbmündung auf einer Fläche, die dem Vierfachen der Außenalster Hamburgs gleichkommt. Dieser trichterförmige Bereich, der zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven in die Nordsee mündet, gilt als besonders seltenes und wertvolles Habitat. Die gesamte Tideelbe von Hamburg bis zum Wattenmeer ist ein europäisches Schutzgebiet, das ein wahres Mosaik an Lebensräumen bietet. Auf Salzwiesen brüten Watt- und Wasservögel, in den Flachwasserzonen laichen seltene Fischarten und im Gezeitenbereich gedeiht der Schierlings-Wasserfenchel, ein Doldenblütler, der nur an der unteren Elbe, in der Elbmündung, vorkommt. Durch den Ausbau verändern sich Wasserstände und Strömungen. Mehr Schlick wird in die Elbe geschwemmt, so dass wertvolle Gewässerbereiche verlanden, der Sauerstoffgehalt des Wassers sinkt und Süßwasserlebensräume versalzen.
Doch auch aus Sicherheitsgründen ist die Elbvertiefung in Zeiten des Klimawandels verantwortungslos. Der Meeresspiegel steigt. Das erhöht auch die Wasserstände des Flusses, vor allem bei Sturmflut. Durch die Vertiefung würde die Elbe noch mehr Wasser führen und schneller strömen. Hochwasserschutzmaßnahmen würden früher fällig, wertvolle Uferzonen gehen verloren.
Kooperation statt Konkurrenz, fordert das Aktionsbündnis für die Elbe
Der WWF fordert daher von Hamburg und dem Bundesverkehrsministerium, auf den riskanten Ausbau zu verzichten. Gemeinsam mit BUND und NABU hat der WWF das Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ gegründet. Die Seehäfen Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg müssen arbeitsteilig zusammenarbeiten, statt um dieselben Containerschiffe zu rivalisieren. Der WWF verlangt von der Regierung eine grüne Flusspolitik und ein nachhaltiges nationales Konzept für die deutschen Seehäfen, das nicht nur wirtschaftliche Interessen verfolgt, sondern auch die Belange der Natur berücksichtigt.
- Die Stimmen der Anrainer