Das Meereis spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Erdklimas, da es den größten Teil der Sonnenenergie zurück in den Weltraum reflektiert. Doch schon jetzt beobachten Klimaforscher:innen rund um den Nordpol den sogenannten Feedback-Effekt: Weiße Oberflächen aus Schnee und Eis, die Sonnenlicht reflektieren, nehmen ab. Je weniger solcher Flächen es gibt, umso mehr Wärme wird von der dunklen Wasseroberfläche gespeichert, was wiederum die Eisschmelze beschleunigt. Zugleich wird es immer schneller immer wärmer. Nicht nur in der Arktis, sondern überall auf der Erde.
Schon innerhalb des nächsten Jahrzehnts könnte die Arktis im Sommer komplett eisfrei sein – erheblich früher als bisher angenommen! Die Fläche des sommerlichen Meereises in der Arktis schrumpft momentan um 13 Prozent pro Jahrzehnt, und die Eisdecke wird immer dünner und dünner. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Arktis bereits in naher Zukunft ganz anders aussieht, als wir sie kennen – und wir müssen auf die Veränderungen vorbereitet sein, die das für unseren gesamten Planeten mit sich bringt.
Arktis möglicherweise eisfrei ab 2030
Satellitendaten zeigen, dass selbst bei einer Verringerung der weltweiten CO2-Emissionen der erste eisfreie Sommer in der Arktis schon in den 2030er Jahren droht. Der Lebensraum und die Lebensbedingungen in der Arktis verändern sich in dramatischer Geschwindigkeit. Allein Grönland verliert pro Stunde durchschnittlich 30 Millionen Tonnen Eis.
Nirgends erwärmt sich die Erde so schnell wie in der Arktis. Während sich die Durchschnittstemperatur auf der Erde im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um ein Grad Celsius erhöht hat, ist es in der Arktis schon um fünf Grad wärmer geworden. Wenn das Packeis verschwindet, hat das nicht nur dramatische Folgen für die vier Millionen Menschen und das empfindliche Ökosystem in der Arktis, sondern für uns alle.
Das Eis schmilzt immer schneller
Noch ist die Arktis die größte zusammenhängende und am wenigsten bewohnte Region unseres Planeten. In diesem hochempfindlichen Ökosystem leben Tier- und Pflanzenarten, deren Lebensrhythmen genau auf die extremen Bedingungen abgestimmt sind und die empfindlich auf diese gravierende Veränderung reagieren.
Menschen nutzen das Eis seit Jahrtausenden als Verkehrsweg und leben in Häusern, die auf Permafrostböden stehen. Eisbären machen vom Eis aus Jagd auf Robben. Rentiere überqueren vereiste Flüsse auf der Wanderung zu ihren Nahrungsgründen.
Das Eis wird nicht nur immer weniger, sondern auch immer schneller immer weniger.
Steigende Meeresspiegel auch bei uns
Die Eisschmelze könnte schon 2050 katastrophale Folgen für mehr als eine Milliarde Menschen in den Küstenregionen haben. Auf der ganzen Welt werden Menschen ihre Heimat aufgrund des steigenden Meeresspiegels verlassen müssen. Auch in der Nordsee sind Inseln und Halligen davon bedroht. Wie lange immer höher gebaute Deiche die häufigeren und extremeren Sturmfluten abhalten können, ist fraglich.
Auch veränderte Niederschlagsmuster, häufigere Stürme und Extremwetter sind Folgen der arktischen Eisschmelze, die auf der ganzen Welt schon jetzt zu spüren sind. Fische ändern aufgrund steigender Meerestemperaturen und anderer Strömungen ihr Migrationsverhalten. Ganze Bestände könnten einbrechen und auch unsere Nahrungsgrundlagen bedrohen.
In der Arktis deutlich zu spüren
Tauende Permafrostböden und erodierende Küsten bedrohen viele Gemeinden in den polaren Gebieten bis hin zur Umsiedelung. Der Ort Port Heiden in Alaska verliert zum Beispiel jedes Jahr 18 Meter Küstenlinie.
Die Gemeinden Newtok und Napakiak im Westen Alaskas gehören zu den Orten auf der Erde, die am schwersten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Weil eine komplette Umsiedelung sich verzögert, bringen sie nun zunächst wichtige Einrichtungen wie die Schule, Tankstelle, den Brunnen für die Wasserversorgung und den Flughafen auf trockenen Boden.
Endlose Gier nach Öl und Gas
Durch die Erwärmung werden außerdem Seewege frei, die zuvor vom Eis versperrt waren. Der Schiffsverkehr in ehemals unberührten Gebieten hat schon heute um ein Vielfaches zugenommen. Die Verlockung, hier unter dem Meer unentdeckte Bodenschätze auszubeuten, ist hoch.
Selbst ein in Klimafragen vermeintlich fortschrittliches Land wie Norwegen bohrt in der empfindlichen Barentsee nach Öl- und Gasvorkommen. Die Öl- und Gasexploration kann schwerwiegende Auswirkungen auf die empfindliche Meeres- und Küstenumwelt und Tierwelt der Arktis haben. Zugleich steigen – auch durch den zunehmenden Schiffsverkehr – die Risiken von Ölunfällen in diesen einzigartigen und sensiblen Gebieten.
Netto-Null bis 2050
Wir haben keine Zeit mehr für Verzögerungen. Einige Veränderungen in der Arktis sind bereits unumkehrbar.
Aber viele andere können noch abgemildert oder vermieden werden.Umso dringender müssen wir jetzt handeln, um die Erderhitzung auf unter 2 Grad oder noch besser unter 1,5 Grad zu begrenzen. Dafür muss die Welt bis spätestens 2050 an einem Netto-Nullpunkt angelangt sein. Das heißt, es dürfen dann nur noch so viele Treibhausgase ausgestoßen werden, wie auch wieder abgebaut werden können.
Bis wir dieses Ziel erreichen, wird das arktische Meereis unvermeidlich weiter schrumpfen. Nur mit gemeinsamer Anstrengung können wir die letzten Eisgebiete in Nordkanada und Nordgrönland schützen, damit sie eine Heimat für Mensch und Natur bleiben, die vom Leben mit dem Eis abhängig sind.
- Arktis